Die mittelalterlichen Landfrieden, Friedensvereinbarungen zur Eindämmung der Fehde und des Gewaltverbrechens, erfuhren mit der Reformation und der Konfessionalisierung (Konfessionalismus) eine neue Fundierung und Zielrichtung. In der Schweiz der frühen Neuzeit werden die vier Friedensschlüsse, mit denen die innereidgenössischen Religionskriege von 1529, 1531, 1656 und 1712 beendet wurden, als Landfrieden, Landfriedensbünde oder Landfriedensbündnisse bezeichnet. Bereits die Chronisten des 16. Jahrhunderts – etwa Heinrich Bullinger, Johannes Stumpf oder Johannes Salat – verwendeten den Begriff primär für das Vertragswerk selbst. Als "Landfrieden" bezeichneten sie aber auch, der umfassenden mittelalterlichen Bedeutung entsprechend, den geografischen Raum sowie den Rechtszustand. Die vier Verträge ergänzten und modifizierten die Rechtslage, welche durch die Bundesbriefe vorgegeben war, und bestimmten die Eidgenossenschaft von der Reformation bis zur Revolution entscheidend.
Der Erste Landfrieden von 1529
Die ab 1521 von Zürich ausgehende Reformation Huldrych Zwinglis veränderte das politische Zusammenwirken der dreizehn Orte und ihrer Zugewandten nachhaltig. Innert kurzer Zeit standen sich zwei konfessionelle Lager gegenüber: auf der einen Seite die wachsende Gruppe reformierter Stadtorte um Zürich, die sich 1527-1529 untereinander sowie mit Konstanz und Mülhausen verburgrechteten, auf der anderen Seite die seit 1526 zum Block vereinten fünf katholischen Orte Uri, Schwyz, Unterwalden, Luzern und Zug, die für die herkömmliche universale Kirche einstanden und sich 1529 mit Habsburg verbanden. Vor diesem Hintergrund spielten sich die ideologischen Kämpfe ab, die sich durch den Expansionsdrang der Reformierten, durch Streitigkeiten um den Einfluss in den gemeinen Herrschaften sowie durch Polemiken in Wort und Schrift zuspitzten und mit der Hinrichtung des reformierten Pfarrers Jakob Kaiser in Schwyz 1529 zum Ersten Kappelerkrieg führten.
Der Erste Landfrieden oder Erste Kappeler Landfrieden wurde vermittelt, noch bevor es zur militärischen Auseinandersetzung kam. Abgeschlossen wurde er am 26. Juni 1529 – der Beibrief entstand am 24. September 1529 – zwischen Zürich, Bern, Basel, St. Gallen, Mülhausen und Biel auf der einen, den fünf katholischen Orten auf der anderen Seite. Er bürdete den fünf Orten die Kriegsschuld sowie die Kostenerstattungspflicht auf und verbot unter anderem deren Sonderbündnis mit König Ferdinand I. Im Sinne der Konfliktbereinigung und Friedenssicherung untersagte er gegenseitiges Provozieren und Beschimpfen und die Durchführung von Sondertagsatzungen. Ferner gewährte er den Kriegsbeteiligten eine Amnestie und knüpfte in versöhnlichem Gestus an die alteidgenössischen Bünde an. Im wichtigsten Bereich, in der Glaubensfrage, favorisierte der Vertrag die Reformation kräftig. Neben Bestimmungen zum Tagesgeschehen – so etwa die Missbilligung einzelner katholischer Protagonisten (wie Thomas Murner) oder des Pensionen- und Solddienstwesens – wurde bedeutsam, dass durch die formelle Anerkennung der entsprechenden städtischen Mandate die Reformation mit diesem Vertrag ihre verfassungsrechtliche Verankerung fand; den fünf Orten wurde im Gegenzug das Recht auf ihren Glauben garantiert. Damit war das gleichwertige Nebeneinander der beiden Konfessionen erstmals festgeschrieben (Konfessionelle Parität). Der Vertrag förderte die kirchliche Erneuerungsbewegung in den umkämpften gemeinen Herrschaften insofern, als die Glaubensfrage dem kommunalen Mehrheitsprinzip unterstellt und damit der Entscheidungsgewalt der regierenden Orte – von denen die meisten katholisch waren – entzogen wurde. Der Landfrieden brachte mit dem Paritätsprinzip daher zwar relativ stabile Verhältnisse in den eidgenössischen Orten, verursachte aber in den gemeinen Herrschaften eine folgenreiche Dynamik.
Der Zweite Landfrieden von 1531
Die Fortschritte der Reformation in den gemeinen Herrschaften führten zu einer Dominanz der Stadtorte und bedrohten somit das politische Gleichgewicht der Eidgenossenschaft. Das Hegemonialstreben Zürichs, die aggressive Politik gegenüber dem Abt von St. Gallen und – als auslösendes Moment – der Lebensmittelboykott gegenüber den fünf Orten provozierten daher kurz nach dem Ersten Landfrieden den Zweiten Kappelerkrieg. Die Niederlagen der Reformierten bei Kappel und am Gubel ermöglichten es den fünf Orten, nun einen Frieden nach ihren Bedingungen zu diktieren.
Der Zweite Landfrieden oder Zweite Kappeler Landfrieden der fünf Orte mit Zürich vom 20. November 1531 (und die Verträge mit Bern vom 24. November 1531, mit Basel vom 22. Dezember 1531 und mit Schaffhausen vom 31. Januar 1532) ersetzte formell denjenigen von 1529. Er enthielt Bestimmungen über den Gefangenenaustausch sowie über die Kriegskostenerstattung und Schadenersatzzahlungen, die diesmal von den Reformierten zu leisten waren. Die Bestätigung der geschworenen Bünde, der Hoheits- und Herrschaftsrechte und die Nichtigerklärung der reformierten Burgrechte bezweckte die Wiederherstellung der verfassungsmässigen Ordnung. Die Glaubensfrage, das Kernproblem, wurde in den Eingangsartikeln behandelt. Diese bestätigten das paritätische Prinzip – allerdings mit der für die Stadtorte provokativen Formulierung, dass diese die katholischen Orte bei "ihrem wahren, unbezweifelbaren, christlichen Glauben", jene aber die reformierten Orte bei "ihrem Glauben" belassen sollten. Für die gemeinen Herrschaften galt neu das Recht von Einzelnen oder Gruppen auf Rückkehr zum katholischen Glauben; die dadurch entstehenden gemischtkonfessionellen Gemeinden hätten – so wurde geboten – ihre kirchlichen Güter anteilsmässig aufzuteilen.
Der Zweite Landfrieden sollte zur prägenden Kraft für die neuzeitliche Schweiz werden. Er bestimmte weitgehend die Ausgestaltung der konfessionellen Landschaft und generierte jene ebenso zermürbende wie lähmende Bikonfessionalität, welche die dreizehnörtige Eidgenossenschaft bis ins 18. Jahrhundert kennzeichnete. Die Positionen waren – nachdem sich Solothurn 1532 für den Katholizismus entschieden hatte – weitgehend bezogen; nur Appenzell und Glarus konsolidierten ihre Stellung später (Teilung des Landes Appenzell 1597, Glarner Landesverträge 1532 und 1683). Die aargauischen Freien Ämter sowie die Städte Bremgarten (AG) und Mellingen, die vom Friedensvertrag ausgeschlossen waren, wurden sofort rekatholisiert. Aufgrund des Artikels, der den Untertanen in den gemeinen Herrschaften wohl ein Rekatholisierungs-, nicht aber ein Reformationsrecht zusprach (Gegenreformation), entstanden in den Gemeinden der Landvogtei Thurgau, der Grafschaft Baden und des Rheintals paritätische Verhältnisse. Im Sarganserland (ohne die Herrschaft Wartau) und im Territorium des Abtes von St. Gallen (ohne das Toggenburg) setzte sich der Katholizismus wieder durch.
Der Dritte Landfrieden von 1656
Eine fortschreitende Entfremdung, die in den konfessionell bedingten Sonderbündnissen der 1580er Jahre gipfelte (Goldener Bund), bestimmte die eidgenössische Politik der Folgezeit. Insbesondere die gemeinen Herrschaften bargen wesentliches Konfliktpotenzial. Die Begünstigung der Katholiken in den gemischtkonfessionellen Gebieten durch die Mehrheitsbeschlüsse der regierenden Orte und durch die mehrteils katholischen Landvögte führte zu einem ständigen Spannungszustand; erst der Vertrag von Baden 1632 milderte die Härte des Mehrheitsprinzips etwas. Vereinzelte reformatorische Bewegungen wurden streng gemäss dem Zweiten Landfrieden geahndet. Während 1555 reformierte Locarneser noch auswandern konnten, führte der Streit um die Neubildung einer Gemeinde von Reformierten in Arth und die Weigerung von Schwyz, diese ziehen zu lassen bzw. sich einem eidgenössischen Rechtsverfahren zu stellen, im Jahr 1656 zum Ersten Villmergerkrieg.
Der Dritte Landfrieden, der von Zürich und Bern nach dem verlorenen Krieg mit den fünf Orten am 26. Februar bzw. 7. März 1656 in Baden ratifiziert wurde, war kaum mehr als ein wirkungsloses Zwischenspiel. Mit einer Amnestie, einem Schmähverbot, der Regelung der Kriegskostenfrage und des Gefangenenaustauschs sowie Garantien für freien Handel und sichere Verkehrswege wurde die Konfliktsituation bewältigt. Mittels einer Revision des eidgenössischen Rechtsverfahrens – eine Folge des Artherhandels – wurde die Religionshoheit der Orte gestärkt und deren Souveränität in Fragen des freien Zugs nachdrücklich bestätigt. Ansonsten waren die Friedensstifter sichtlich bemüht, den Status quo ante wiederherzustellen; mit der Bestätigung der alten Bünde, des Landfriedens von 1531, der Herrschafts- und Hoheitsrechte und sogar der Sonderbündnisse wurde dieser denn auch erreicht. Mehrere vor allem konfessionelle Streitpunkte wurden von einem Schiedsgericht nach Vertragsabschluss weiter behandelt, allerdings ohne zu einem Ergebnis zu kommen.
Der Vierte Landfrieden von 1712
Zahlreiche Kleinkonflikte in den gemischtkonfessionellen Gebieten erschwerten weiterhin die religiöse Koexistenz. Ein halbes Jahrhundert lang konnten sie friedlich beigelegt werden, doch 1712 – ausgelöst durch den Aufstand der Toggenburger gegen den Fürstabt von St. Gallen – entlud sich die Spannung im sogenannten Toggenburger- oder Zweiten Villmergerkrieg. Nach ersten Erfolgen Zürichs und Berns – der Besetzung der Landvogtei Thurgau und des Rheintals, der Eroberung von Wil (SG), dem Sieg bei Bremgarten (AG) und der Einnahme Badens – wurde in Aarau ein Frieden vermittelt, der vorerst nur von Luzern und Uri, nach der Niederlage der katholischen Truppen in der Schlacht bei Villmergen von allen fünf Orten angenommen wurde.
Im Vierten Landfrieden vom 18. Juli und 9./11. August 1712 nutzten Zürich und Bern ihre Überlegenheit zielbewusst. Die Kriegssituation wurde grosszügig mit der Gewährung von Amnestie und bedingungslosem Gefangenenaustausch sowie dem Verzicht auf Kriegskostenerstattung bereinigt. Zürich und Bern bedingten sich zudem die fünförtische Hilfe im Hinblick auf einen Friedensschluss mit dem Fürstabt von St. Gallen aus, und beide Parteien versicherten sich ihrer alteidgenössischen Freundschaft. Im strukturellen Bereich setzten jedoch die beiden Städte ihre machtpolitischen Vorstellungen konsequent durch. Die fünf Orte wurden von der Mitherrschaft in der Grafschaft Baden (mit Bremgarten) und in den Unteren Freien Ämtern ausgeschlossen, während Bern die Mitregierung in der Landvogtei Thurgau, im Rheintal, in den Oberen Freien Ämtern und in Sargans zugestanden wurde; Rapperswil (SG) und Hurden entzog man ihren katholischen Herren. Der Religionsartikel gab einen umfassenden Katalog von Vorschriften für die paritätischen Territorien, sozusagen die Ausführungsbestimmungen zum Grundsatzartikel des Zweiten Landfriedens, welcher Repression und Konflikte nicht hatte verhindern können. Über die geistliche Gerichtsbarkeit etwa, die Respektierung kirchlicher Feste und Bräuche, über Kirchhöfe, über die Aufteilung der Güter oder die paritätische Nutzung von Kirchengebäuden (simultaneum) lagen nun präzise Bestimmungen vor. Auch der Anteil an politischen Beamtungen wurde festgelegt und – fast beiläufig – der Landfrieden von 1531 ausser Kraft gesetzt.
Zürich übte mit diesem Vertrag, der radikal ins eidgenössische Verfassungsgefüge eingriff und alte, seit Jahrhunderten streng gehütete Herrschaftsrechte zum Nachteil der fünf Orte revidierte, Vergeltung für lange Jahre der Demütigung. Mit den ausführlichen Bestimmungen, die den Reformierten in den gemeinen Herrschaften zu kirchlicher und politischer Ebenbürtigkeit verhalfen, die aber auch den Katholiken ausdrücklich die freie Religionsausübung zusicherten, entfiel ein Konfliktpotenzial, das die innenpolitischen Beziehungen seit 1531 belastet hatte. Der Ausschluss von der Mitverwaltung in den gemeinen Herrschaften war für die fünf Orte allerdings ebenso kränkend wie materiell verlustreich, sodass die sogenannte Restitutionsfrage bis in die 1790er Jahre virulent blieb; doch alle Bemühungen um Rückerstattung – zum Teil mit Hilfe Frankreichs und der neutralen Stände – blieben letztlich erfolglos. Die konfessionellen Gegensätze indessen wurden durch die politisch-geistigen Strömungen des 18. Jahrhunderts (Absolutismus, Aufklärung) zunehmend entschärft, und mit den Ideen über die Glaubens- und Gewissensfreiheit eröffnete die Helvetik nach 1798 eine neue kulturkritische Dimension. Der Streit um die Kulturgüter aus der St. Galler Stiftsbibliothek, die Zürich nach dem Zweiten Villmergerkrieg nicht wieder nach St. Gallen zurückgesandt hatte, wurde im April 2006 unter Vermittlung des Bundes beigelegt.
Quellen und Literatur
- EA 4 I B, 1478-1486, 1567-1577; 6 I, 1633-1637; 6 II, 2330-2340
- H. Nabholz, P. Kläui, Quellenbuch zur Verfassungsgesch. der Schweiz. Eidgenossenschaft und der Kantone von den Anfängen bis zur Gegenwart, 31947
- J.C. Bluntschli, Gesch. des schweiz. Bundesrechtes von den ersten ewigen Bünden bis auf die Gegenwart 1, 1846 (21875)
- A. Heusler, Schweiz. Verfassungsgesch., 1920
- F. Elsener, «Das Majoritätsprinzip in konfessionellen Angelegenheiten und die Religionsverträge der schweiz. Eidgenossenschaft vom 16. bis 18. Jh.», in ZRG 86, 1969, 238-281
- HbSG 1-2