Der Begriff Territorialherrschaft meint die Ausübung der öffentlichen Gewalt in einem bestimmten Bezirk, also eine Form der Herrschaft, die sich auf den Raum, nicht auf die Personen bezieht und als Frühform und Voraussetzung der Staatsbildung gilt. Territorialherrschaft ist kein Quellenbegriff; er wird in der Forschung in Konkurrenz zu Landesherrschaft, Landeshoheit, Obrigkeitsstaat und Territorialstaat verwendet und bezeichnet die Übergangsform von der mittelalterlichen, auf asymmetrischen persönlichen Beziehungen beruhenden Herrschaft (Personenverbandsstaat) zum frühneuzeitlichen, institutionellen Flächenstaat.
Die Ausbildung der Territorialherrschaft vollzog sich in einem vom 13. Jahrhundert bis in die frühe Neuzeit dauernden Prozess der Konzentration und Assimilation von Herrschaftsrechten unterschiedlicher Art und Provenienz bei einer Adelsdynastie oder Stadt, einem Bischof oder Kloster sowie durch den Erwerb von Territorium und verlief je nach Startzeitpunkt, Widerständen und Rahmenbedingungen unterschiedlich. Im Konkurrenzkampf zwischen adeligen, geistlichen und städtischen Akteuren errangen jene entscheidende Vorteile, die auf dem Weg zur Reichsfreiheit oder Reichsunmittelbarkeit zuerst in den Genuss kaiserlicher Privilegien und landgräflicher Rechte – wie etwa Mannschaftsrecht, Steuerrecht, Hochgerichtsbarkeit – gelangten. Dadurch versuchten die werdenden Territorialherrschaften zu verhindern, ihrerseits unter die Territorialherrschaft eines Nachbarn zu geraten.
Territorialherrschaften nutzten zu ihrer Ausdehnung und Vereinheitlichung unter anderem das Hoch- und Niedergericht, das Mannschaftsrecht, die Ausburgerpolitik und die Burgrechte (Bern, Luzern, Solothurn, Zürich) bzw. die Landrechte (Schwyz, auch Appenzell, Glarus) oder die Intensivierung der Leibeigenschaft (Stadt Basel, Abtei St. Gallen) oder mehrere Herrschaftsrechte zugleich. Territorialherrschaften waren bestrebt, die unter verschiedenen Vorzeichen – Erbe, Kauf, Pfandschaft, Kreditbeziehungen, militärische Eroberung, vertragliche Bindung (Schirmherrschaft, Burgrecht) – erworbenen Gebiete einer einheitlichen, räumlich gegliederten Verwaltung zu unterwerfen. Gestützt auf die Verwaltungstechniken der Offnung (Weistum, coutumes locales, ordini) und der Kundschaft wurden vorhandene oder behauptete Rechtsverhältnisse systematisch erhoben und verschriftlicht sowie in den zentralen Kanzleien meist von Juristen verarbeitet und vereinheitlicht. Zuerst begannen damit im 13. Jahrhundert die Visconti als Herzöge von Mailand und die Bischöfe von Mailand und Como im Tessin sowie die Grafen von Savoyen und Neuenburg, dann auch die Bischöfe von Lausanne und Sitten in der Westschweiz, gefolgt im 14. Jahrhundert von den Habsburgern (Habsburgisches Urbar 1303-1307) und vor allem im 15. Jahrhundert von den eidgenössischen Städteorten und grossen Klöstern wie St. Gallen. Zur Ausübung der Herrschaft wurden besoldete und schriftkundige Vögte (Kastlan, châtelain; podestà; vicario) befristet eingesetzt (Vogteien).
Um ihre Ansprüche zu sichern und zu vereinheitlichen, forderte die Territorialherrschaft von allen Untertanen den Gehorsamseid (Huldigung), etablierte einen gerichtlichen Instanzenzug (Appellation) und erliess Mandate (Policeygesetze), die einen flächendeckenden Regelungsanspruch in immer mehr Lebensbereichen über alle in den Grenzen des Territoriums ansässigen Personen unabhängig von deren rechtlichem Status durchsetzten. Diese Aktivitäten wurden über traditionelle Einnahmen (Abgaben, Zölle, Bussen) und neue, meist indirekte Steuern (Umgeld) finanziert und von der Verwaltung in Steuer- und Mannschaftsrödeln, Eid- und Policeybüchern dokumentiert.
Widerstand gegen die Ausbildung der Territorialherrschaft leisteten adelige, geistliche oder (klein-)städtische Grundherren, die als unterlegene Konkurrenten auf ihren Herrschaftsrechten beharrten wie etwa die adeligen Berner Gerichtsherren im Twingherrenstreit von 1470. Ebenso verteidigten ländliche Kommunen ihre lokale Selbstverwaltung in zahlreichen Bauernrevolten (Ländliche Unruhen) und sozialen Konflikten vom 15. Jahrhundert bis zum Bauernkrieg von 1653. In einer früheren Phase gerieten aber auch sich ausbildende Territorialherrschaften miteinander in Konflikt, so im 14. und 15. Jahrhundert die eidgenössischen Orte mit den Habsburgern.
Wo die Reformation eingeführt wurde, erweiterte die Territorialherrschaft ihren Zugriff nicht nur auf die Kirchengüter, sondern auch auf kirchliche und damit verbundene soziale (Armenfürsorge, Bildung), jurisdiktionelle (Ehe- und Sittengericht) und fiskalische (Zehnt) Bereiche. Im Heiligen Römischen Reich bildete sich die Territorialherrschaft auf der Ebene der einzelnen Reichsglieder aus, im Gebiet der Schweiz auf der Ebene der einzelnen Orte, wobei die Häufung städtischer und das Vorhandensein ländlicher Territorialherrschaften (Landsgemeindekantone) im europäischen Vergleich besonders auffällt. Die Eidgenossenschaft als Ganzes bestand zwar aus einem räumlich zusammenhängenden Gebiet ihrer Mitglieder, blieb aber ein Bündnissystem weitgehend autonomer Orte bzw. Kantone, die ihre je eigene, aber keine gemeinsame eidgenössische Territorialherrschaft aufbauten. In den von den eidgenössischen Vögten verwalteten gemeinen Herrschaften blieb die Vereinheitlichung zur Territorialherrschaft hinter derjenigen in den Territorien der einzelnen Orte zurück.