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Ständestaat

"Keine faschistische Revision". Plakat von Lecroc (Pseudonym) für die Abstimmung vom 8. September 1935 gegen die Revision der Bundesverfassung (Bibliothèque de Genève).
"Keine faschistische Revision". Plakat von Lecroc (Pseudonym) für die Abstimmung vom 8. September 1935 gegen die Revision der Bundesverfassung (Bibliothèque de Genève). […]

Nach dem Ersten Weltkrieg sah sich der liberale Staat infolge der Krise des Kapitalismus als tragendem Wirtschaftssystem in Frage gestellt. Das Gegenmodell des unter kommunistischem Einfluss aggressiver auftretenden Sozialismus stellte für viele Kritiker keine Lösung dar. In Opposition zu den politischen Parteien propagierten jene den Korporativismus, in dem sie eine echte Verbindung von Kapital und Arbeit erkannten, als das System, das dem demokratischen Staat neue Kraft verleihen könnte. Das korporative Modell befürworteten in der Schweiz vor allem Katholisch-Konservative christlichsozialer Prägung, einige freisinnige und liberale Politiker sowie gewisse Vertreter der grossen Wirtschaftsverbände und kleinere, aber äusserst aktive Bewegungen wie die Ligue vaudoise. Der Korporativismus strebte einen Staat an, dessen Parlament die wichtigsten Körperschaften der Gesellschaft umfasste, das heisst aus Vertretern der Gemeinde, der Kirchen sowie der Arbeitnehmer- und Arbeitgeberverbände bestand. Dieser Ständestaat sollte die Volksrechte (Initiative, Referendum) respektieren und die Wirtschaft so gestalten, dass sie sich harmonisch entwickeln konnte. Im September 1934 wurde eine von der Frontenbewegung unterstützte Initiative mit 78'050 Unterschriften eingereicht, um die Schweiz mit einer Totalrevision der BV in einen Ständestaat umzuwandeln. Sie scheiterte in der Abstimmung vom September 1935 mit 511'578 Nein- zu 196'135 Jastimmen bei einer Wahlbeteiligung von 60%. Zwei Gesetzesentwürfe für die Errichtung von Korporationen im Kanton Freiburg von 1933 und 1934 traten nie in Kraft. Der Niedergang des schweizerischen Korporativismus, der bereits vor dem Zweiten Weltkrieg einsetzte, verhinderte weitere Versuche, einen Ständestaat zu errichten. Im Ausland verschwand der Korporativismus mit dem Ende der faschistischen Regime, die sich an ständestaatlichen Konzepten orientiert hatten (Faschismus).

Quellen und Literatur

  • Q. Weber, Korporatismus statt Sozialismus, 1989
  • P. Maspoli, Le corporatisme et la droite en Suisse romande, 1993
Weblinks

Zitiervorschlag

Olivier Meuwly: "Ständestaat", in: Historisches Lexikon der Schweiz (HLS), Version vom 20.03.2006, übersetzt aus dem Französischen. Online: https://hls-dhs-dss.ch/de/articles/009930/2006-03-20/, konsultiert am 14.05.2025.