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MartinMarty

​​12./13.1.1834 Schwyz, 19.9.1896 Saint Cloud (Minnesota), katholisch, von Schwyz. Erster Abt der US-amerikanischen Benediktinerabtei Saint Meinrad, Missionar bei den Sioux, erster Bischof von Sioux Falls, Bischof von Saint Cloud.

Porträt von Martin Marty. Lithografie Nr. 189 von 1890 aus der Schweizerischen Portrait-Gallerie, erschienen 1888-1907 bei Orell Füssli in Zürich (Schweizerische Nationalbibliothek, Bern).
Porträt von Martin Marty. Lithografie Nr. 189 von 1890 aus der Schweizerischen Portrait-Gallerie, erschienen 1888-1907 bei Orell Füssli in Zürich (Schweizerische Nationalbibliothek, Bern).

Josef Melchior Alois Marty war das erste von elf Kindern des in Schwyz ansässigen Schuhmachers und Sigristen Jakob Josef Alois Marty aus Unteriberg und der Magd Elisabeth geborene Reichlin von Steinerberg. Er war der Bruder von Anton Marty. Nach dem Besuch der Jesuitenkollegien in Schwyz (ab 1843) und Fribourg (ab 1846) setzte er das Gymnasium 1847 in Einsiedeln fort. Hier absolvierte er 1850-1854 das Theologiestudium, trat 1855 in den Benediktinerorden ein und nahm den Ordensnamen Martin an. Nach der Priesterweihe 1856 wirkte er als Lehrer an der Stiftsschule (Klosterschulen) und an der theologischen Hauslehranstalt. 1860 übersiedelte Marty auf Weisung seines Abtes in das 1854 von Einsiedler Mönchen gegründete Benediktinerkloster Saint Meinrad in Indiana, dessen Prior er 1865 wurde (Missionen). Es gelang ihm, die Anfangsschwierigkeiten der Klostergründung zu überwinden. 1870 erreichte er die Erhebung des Priorats zur Abtei (ab 1954 Erzabtei), die sich zum Zentrum der Swiss-American Benedictine Congregation entwickelte (später panamerikanische Benediktinerkongregation). Papst Pius IX. ernannte Marty 1870 zum ersten Abt von Saint Meinrad (1871 Abtsbenediktion, 1879 Resignation als Abt).

Als die US-Regierung unter Präsident Ulysses S. Grant die Reservate der verbliebenen indigenen Bevölkerung ab 1870 christlichen Denominationen zuteilte, um deren «Zivilisierung» voranzutreiben, folgte Marty 1876 dem Ruf des 1874 errichteten Bureau of Catholic Indian Missions und widmete sich während der nächsten drei Jahre im Dakota-Territorium der Missionierung der Lakota, einer Stammesgruppe der Sioux. Er organisierte die kirchliche Aufbauarbeit, zu deren Unterstützung er Rickenbacher (in Yankton) und Melchtaler Schwestern (in Sturgis) beizog. Marty erwarb sich vertiefte Kenntnisse der Lakota-Sprache und ihrer Dialekte, verfasste eine entsprechende Grammatik und ein Wörterbuch. Nationale Bekanntheit erlangte er 1877 durch seinen Versuch, als Friedensmittler Tatanka Iyotake (Sitting Bull) und die ihn begleitenden Sioux in deren kanadischem Exil zur Rückkehr und zur Sesshaftigkeit zu bewegen, um dadurch auch den anhaltenden Unruhen unter den Lakota in seinem Missionsdistrikt Dakota entgegenzutreten. Über die Begegnung mit Tatanka Iyotake, der durch seine Rolle bei der Schlacht am Little Bighorn 1876 Berühmtheit erlangt hatte, ist wenig Sicheres bekannt; fest steht nur, dass Marty sein Ziel weder 1877 noch anlässlich einer zweiten Expedition 1879 erreichte. Als Tatanka Iyotake 1881 in aussichtsloser Lage dennoch zurückkehrte und inhaftiert wurde, besuchte ihn Marty und setzte sich erfolgreich dafür ein, dass dieser 1883 aus der Gefangenschaft entlassen wurde. Zwar scheiterten alle Versuche, Tatanka Iyotake vom Christentum zu überzeugen, doch hatte umgekehrt 1877 die Begegnung mit ihm Martys Meinung über das Volk der Sioux verändert. Marty erkannte die Gefahr ihres Untergangs durch Ausrottung bei einer Rückkehr bzw. ihrer sozialen Not angesichts schwindender Büffelherden und sah deshalb ihre Zukunft als sesshafte Bauern. Um die heranwachsende indigene Generation hierfür zu rüsten, errichtete er ab 1878 in Dakota in Kooperation mit den staatlichen Behörden sechs katholische Boarding Schools (Internate), in denen die Jugendlichen nach dem Vorbild von Klostergymnasien seiner Schweizer Heimat unterrichtet und religiös sozialisiert wurden.

Der Benediktiner Martin Marty umgeben von zwei Priestern und mehrheitlich indigenen Kindern an deren Erstkommunion an der Immaculate Conception Indian School in Stephan im Reservat Crow Creek, Dakota-Territorium, ca. 1888 (Privatarchiv Manuel Menrath, Scan einer Fotografie aus den Saint Meinrad Archabbey Archives, Saint Meinrad, Indiana).
Der Benediktiner Martin Marty umgeben von zwei Priestern und mehrheitlich indigenen Kindern an deren Erstkommunion an der Immaculate Conception Indian School in Stephan im Reservat Crow Creek, Dakota-Territorium, ca. 1888 (Privatarchiv Manuel Menrath, Scan einer Fotografie aus den Saint Meinrad Archabbey Archives, Saint Meinrad, Indiana). […]

Papst Leo XIII. ernannte Marty 1879 auf Ersuchen der nordamerikanischen Bischöfe zum Titularbischof von Tiberias (Konsekration 1880 in Ferdinand) und apostolischen Vikar des gesamten Dakota-Territoriums. Nach der Aufteilung des Gebiets in einen nördlichen und südlichen Bundesstaat wurde Marty 1889 erster Bischof der Diözese Sioux Falls in Süddakota. 1895 wechselte er aus gesundheitlichen Gründen auf den Bischofssitz Saint Cloud, doch blieb Marty als Generalvikar für die indigene Bevölkerung Nord- und Süddakotas zuständig. 1890-1891 organisierte er nach europäischem Vorbild erste katholische Sioux-Laienkongresse, die im 20. Jahrhundert die heutige Tekakwitha-Konferenz inspirierten. 1884 war er Gründungsmitglied der Catholic University of America in Washington D.C.

Bischof Martin Marty kurz vor seinem Tod. Fotografie aufgenommen im Atelier Fritz in Saint Cloud, Minnesota, seiner letzten Lebensstation, 1895/1896 (Klosterarchiv Einsiedeln, Foto 1.0601.1746.0002).
Bischof Martin Marty kurz vor seinem Tod. Fotografie aufgenommen im Atelier Fritz in Saint Cloud, Minnesota, seiner letzten Lebensstation, 1895/1896 (Klosterarchiv Einsiedeln, Foto 1.0601.1746.0002).

Marty gilt als der einflussreichste katholische «Indianermissionar» der USA in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts und wurde von einem Teil der Zeitgenossen als «Apostel der Sioux» bezeichnet. Wie im 19. Jahrhundert alle europäischen Missionare war Marty von der Überlegenheit der europäischen «Zivilisation» und Kultur überzeugt. Er betrachtete die indigene Sioux-Kultur, wie postkoloniale Kritik zu Recht betont, als minderwertig gegenüber seiner eigenen und strebte deren Assimilierung an (Kolonialismus). Handlungsleitend blieb dabei sein benediktinisches Missionsmodell, die Indigenen durch Gebet, Arbeit und Förderung ihrer Bildungschancen zu evangelisieren. Die Forderung einer Inkulturation des Christentums in die Zielkultur, wie es den Standards moderner Missionstheologie entspricht, war ihm noch fremd.

Quellen und Literatur

  • Marty, Martin: Dr. Johann Martin Henni, erster Bischof und Erzbischof von Milwaukee. Ein Lebensbild aus der Pionier-Zeit von Ohio und Wisconsin. Zum Andenken an d. 50jährige Jubiläum d. «Wahrheitsfreund», 1888.
  • Saint Meinrad Archabbey Archives, Saint Meinrad, Indiana.
  • Staatsarchiv Schwyz, Schwyz, Marty.
  • Stiftsbibliothek Einsiedeln, Einsiedeln.
  • Betschart, Ildefons: Der Apostel der Siouxindianer. Bischof Martinus Marty O.S.B. 1834-1896, 1934.
  • Kleber, Albert: History of St. Meinrad Archabbey 1854-1954, 1954.
  • Rippinger, Joel: «Martin Marty. Monk, abbot, missionary and bishop», in: The American Benedictine Review, 33, 1982, S. 223-240, 376-393.
  • Bischof, Franz Xaver: «Marty, Martin», in: Neue Deutsche Biographie, Bd. 16, 1990, S. 315-316.
  • Rippinger, Joel: The Benedictine Order in the United States. An Interpretive History, 1990, S. 49-58.
  • Davis, Cyprian (Hg.): To Prefer Nothing to Christ. Saint Meinrad Archabbey 1854-2004, 2004, S. 55-84.
  • Monson, Paul Gregory: Stabilitas in Congregatione: The Benedictine Evangelization of America in the Life and Thought of Martin Marty, O.s.b., Dissertation, Marquette University Milwaukee, 2014.
  • Menrath, Manuel: Mission Sitting Bull. Die Geschichte der katholischen Sioux, 2016.
  • Monson, Paul Gregory: «Abbot Martin Marty and the pursuit of a monastic family for the American church», in: U.S. Catholic Historian, 35, 2017, S. 55-77.
Weblinks
Normdateien
GND
VIAF
Kurzinformationen
Variante(n)
Alois Joseph Marty (Taufname)
Josef Melchior Alois Marty
Familiäre Zugehörigkeit
Lebensdaten ∗︎ 12.1.1834 ✝︎ 19.9.1896

Zitiervorschlag

Franz Xaver Bischof: "Marty, Martin", in: Historisches Lexikon der Schweiz (HLS), Version vom 07.11.2024. Online: https://hls-dhs-dss.ch/de/articles/009951/2024-11-07/, konsultiert am 24.01.2025.