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Vorort

Die Geschichte des Vororts verlief in drei Phasen: der ersten von der Entstehung und Entwicklung der alten Eidgenossenschaft bis 1798, der zweiten während der Mediation (1803-1813) und der dritten vom Bundesvertrag von 1815 bis zur Bundesverfassung von 1848 (Restauration, Regeneration).

Feierliche Eröffnung der eidgenössischen Tagsatzung in Zürich am ersten Juni 1807. Aquatinta von Franz Hegi (Zentralbibliothek Zürich, Graphische Sammlung und Fotoarchiv).
Feierliche Eröffnung der eidgenössischen Tagsatzung in Zürich am ersten Juni 1807. Aquatinta von Franz Hegi (Zentralbibliothek Zürich, Graphische Sammlung und Fotoarchiv). […]

Als Vorort wurde bis 1798 jener eidgenössische Ort bezeichnet, der zur eidgenössischen Tagsatzung einlud und bei den Verhandlungen den Vorsitz hielt. Bis ins ausgehende 15. Jahrhundert beriefen Zürich und Luzern am häufigsten Sitzungen ein. Dass sich schliesslich Zürich als Vorort der gesamten Eidgenossenschaft durchsetzte, hing von mindestens zwei Faktoren ab: Erstens erscheint der Stadtort Zürich in der Hierarchie der Orte in allen mit Zürich abgeschlossenen Bundesverträgen an erster Stelle. Nachdem die acht alten Orte 1415 die Grafschaft Baden erobert und zur gemeinen Herrschaft umgewandelt hatten, stand Zürichs Abgeordneten auch das ordentliche Präsidium bei den Sitzungen zu, an welchen über die Jahresberichte des Landvogts zu den Verwaltungs- und Rechtsgeschäften der Vogtei beraten wurde. Im Lauf der Zeit kamen immer mehr ordentliche gesamteidgenössische Geschäfte auf die Traktandenliste dieser Badener Jahrrechnungs-Tagsatzung zu stehen. Sie wurde damit gesamteidgenössisch immer wichtiger, so dass sich die Position Zürichs als Vorort zusehends festigte. Nach der konfessionellen Spaltung der Eidgenossenschaft im 16. Jahrhundert profilierte sich Luzern faktisch als Vorort der katholischen Orte, welche ihre separaten Sitzungen auch meist in Luzern abhielten. Dennoch ergab sich unter allen eidgenössischen Orten vom ausgehenden 16. Jahrhundert an eine gewisse regionale Arbeitsteilung, welche sich im 17. und 18. Jahrhundert noch verstärkte: Der Informationsfluss mit den innern Orten von und nach Zürich lief vermehrt über die Kanzlei in Luzern, mit den zugewandten Orten der Westschweiz über jene in Bern. Schaffhausen diente als Relais der Korrespondenz mit Rottweil. Uri besorgte die Übermittlung mancher Tagsatzungsinformationen in die ennetbirgischen Vogteien und in die Walliser Zenden, lieferte aber auch in umgekehrter Richtung Antworten und Nachrichten weiter. Die Verbindungen zum Sitz des Fürstbischof von Basel in Pruntrut liefen über Solothurn.

Die Mediationsakte von 1803 verlieh der Funktion des Vororts eine neue Qualität. Im Rotationssystem wurden Freiburg, Bern, Solothurn, Basel, Zürich und Luzern als Direktorialkanton jeweils für ein Jahr zum Vorort der Schweiz. Der Bürgermeister bzw. Schultheiss des Kantons, der die Funktion des Vororts ausübte und in dem die jährliche Tagsatzung stattfand, führte den Vorsitz und vertrat die Eidgenossenschaft als Landammann der Schweiz nach aussen. Die eidgenössische Kanzlei als einzige ständige Institution zog jedes Jahr an den Sitz des neuen Vororts um.

Der Bundesvertrag von 1815 reduzierte die Zahl der alternierenden Vorortskantone auf drei. In der Folge übten bis 1848 jeweils Zürich, Bern und Luzern in dieser Reihenfolge für zwei Jahre die Funktion des Vororts mit beschränkter Kompetenz aus.

Quellen und Literatur

  • R. Joos, Die Entstehung und rechtl. Ausgestaltung der Eidg. Tagsatzung bis zur Reformation, 1925
  • R. Müller, Die eidg. Tagsatzung im 18. Jh., Diss. Zürich, Ms., 1946
  • W. Aemissegger, Die gemeineidg. Tätigkeit der Tagsatzung 1649-1712, 1947
  • HbSG
Weblinks

Zitiervorschlag

Martin Körner: "Vorort", in: Historisches Lexikon der Schweiz (HLS), Version vom 30.07.2013. Online: https://hls-dhs-dss.ch/de/articles/010077/2013-07-30/, konsultiert am 19.03.2024.