de fr it

GiorgioOrelli

Giorgio Orelli liest anlässlich der Frankfurter Buchmesse am 8. Oktober 1998 aus einem seiner Werke © KEYSTONE / Christoph Ruckstuhl.
Giorgio Orelli liest anlässlich der Frankfurter Buchmesse am 8. Oktober 1998 aus einem seiner Werke © KEYSTONE / Christoph Ruckstuhl.

25.5.1921 Airolo,10.11.2013 Bellinzona, katholisch, von Bedretto. Sohn des Mario, Gemeindeschreibers, und der Maria geborene Gendotti, von Prato Leventina. Miriam De Angeli. Nach dem Studium der romanischen Philologie bei Gianfranco Contini an der Universität Freiburg wirkte Giorgio Orelli als Italienischlehrer an der kantonalen Handelshochschule in Bellinzona. Er gilt als wichtigster Schriftsteller der italienischen Schweiz. Seine ersten Gedichte entstanden während des Zweiten Weltkriegs, als Lugano ein Zentrum der italienischen Exilliteratur war: 1944 erhielt Orelli für «Né bianco né viola» den Premio Lugano. Seine Übersetzungen, vor allem von Goethe, dem er 1957 und 1974 zwei Sammlungen widmete, trugen entscheidend zur Erweiterung seines kulturellen Horizonts und zur formalen Entwicklung seines Werks bei. Sein feines Gespür für die Poesie des Augenblicks rückten ihn in die Nähe von Eugenio Montale, ein wichtiger Schritt zur Vollendung der Sammlung «L'ora del tempo», die 1962 bei Mondadori verlegt wurde.

Auf die Krise der 1960er Jahre, aus der die neue Avantgarde hervorging, reagierte Orelli mit verstärkter Selbstbezogenheit und den Poesiebänden «Nel cerchio familiare» 1960 sowie «Sinopie» 1977. Sie versammeln Gedichte, in denen Pier Paolo Pasolini alles als «aussergewöhnlich real» empfand. Diese Nähe zur eigenen Wirklichkeit widerspiegelt sich im Erzählton, der trotzdem eine kritische und selbskritische Distanz zu bewahren vermag. Im «Einfangen von Stimmen» (cogliere voci), in treffenden Anspielungen und der Verwendung von Umgangssprache kommt die Zitierkunst des Dichters zum Tragen. Sie findet auch Ausdruck in einer feinen, in der Erinnerung ruhenden Fähigkeit, Kritik zu üben, die zusammen mit seinem poetischen Schaffen wachsen konnte. 2001 folgte der Gedichtband «Il collo dell'anitra». In Orellis eigenwilliger Alltagsprosa – von «Un giorno della vita» (1960) bis hin zu «Pomeriggio bellinzonese» (1978) – überdecken scherzhafte Episoden die Tragik des Normalen. Als herausragende Beispiele ihres Genres lassen sich die Lyrikbände «Sinopie» (1977) und «Spiracoli» (1989) anführen. Sie stehen am Schluss einer langen Auseinandersetzung des Dichters mit der Mündlichkeit, die zum Leitprinzip seines philologischen Schaffens («Accertamenti verbali» 1979, «Accertamenti montaliani» 1984, «Quel ramo del lago di Como» 1990, «Il suono dei sospiri: sul Petrarca volgare» 1991, «Foscolo e la danzatrice» 1992) wurde. Orelli beteiligte sich nicht nur entscheidend an der Entwicklung neuer lyrischer Modelle, sondern auch an der Suche nach neuen literaturwissenschaftlichen Interpretationsansätzen. 1979 Dr. hc. der Universität Freiburg, 1988 Grosser Schillerpreis, 1990 Premio Nuova Antologia.

Quellen und Literatur

  • P.V. Mengaldo, Poeti italiani del Novecento, 1978
  • G. Contini et al., Giorgio Orelli, 1980
  • P. De Marchi, Dove portano le parole: sulla poesia di Giorgio Orelli e altro Novecento, 2002
Weblinks
Normdateien
GND
VIAF
Kurzinformationen
Lebensdaten ∗︎ 25.5.1921 ✝︎ 10.11.2013

Zitiervorschlag

Pio Fontana: "Orelli, Giorgio", in: Historisches Lexikon der Schweiz (HLS), Version vom 11.11.2013, übersetzt aus dem Italienischen. Online: https://hls-dhs-dss.ch/de/articles/010184/2013-11-11/, konsultiert am 09.10.2024.