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Geheimer Rat

Geheimer Rat heisst der ab dem 15. und 16. Jahrhundert in den Städteorten, später auch in den Länderorten Glarus, Appenzell Ausserrhoden, Appenzell Innerrhoden, Uri und Obwalden greifbare, in den Quellen unterschiedlich bezeichnete, engere Ausschuss der Räte, der aus den mit dem politischen Geschäft erfahrenen Häuptern der Stände – Bürgermeister, Schultheiss, Landammann, Oberstzunftmeister, Venner, Landesfähnrich und (Land-)Seckelmeister – und weiteren Ratsherren aus den Landesteilen oder Gemeinden zusammengesetzt war. Der Geheime Rat bildete, unter Umständen zusammen mit dem Kleinen Rat, «das Zentrum der Regierungsgewalt, die eigentlich faktische Obrigkeit» (Hans Conrad Peyer).

War der Institutionalisierungsgrad dieses Gremiums – also Zusammensetzung, Kompetenzen, Beständigkeit, Periodizität der Sitzungen und selbstständige Protokollführung – in den Anfängen eher gering, so erhielt es im 17. und 18. Jahrhundert in der Regel unter der Bezeichnung Geheimer Rat festere Gestalt; in Basel hiess es Dreizehnerrat, in Freiburg Geheime Kammer, deren Mitglieder «Heimlicher» genannt wurden. In den Länderorten entwickelte sich der Geheime Rat selten zur ständigen Behörde wie zum Beispiel in Uri, sondern wurde bei Bedarf eingesetzt – so in Glarus – oder blieb eine befristete Einrichtung wie in Obwalden und Appenzell Innerrhoden.

Der Geheime Rat behandelte insbesondere in Kriegs- und Krisenzeiten – zum Beispiel während Reformation und Dreissigjährigem Krieg – die dringenden Geschäfte der obrigkeitlichen Finanz-, Kirchen-, Aussen- und Sicherheitspolitik. Er nahm sich jener Regierungsfragen an, die besonderer Diskretion bedurften, etwa auch der Konflikte in regierenden Familien oder Behörden. Er war vorberatende, vor den Räten antragstellende Instanz, unterlag keiner Rechenschaftspflicht gegenüber den weiteren Räten und der Gemeinden und traf – bisweilen von den Räten ausdrücklich mit weitgehenden Vollmachten ausgestattet – wichtige Entscheidungen ohne deren Befragung. Sein geheimes Regierungsgebaren, seine Machtfülle und selbstherrliche Regentschaft riefen mitunter Opposition aus dem Grossen Rat (Basel 1691), dem Landrat (Appenzell Innerrhoden 1716-1717) oder der untertänigen Landschaft (Zürich 1531-1532) hervor. Der Widerstand führte in Appenzell Innerrhoden und Zürich zeitweilig zur Abschaffung des Geheimen Rats (Ländliche Unruhen, Städtische Unruhen).

In fürstlichen Territorien war der Geheime Rat engstes Beratungsorgan des Fürsten, das mit seinen Anträgen die fürstliche Resolution häufig präjudizierte. Der Landesherr ernannte die Präsidenten der Ratskollegien (Hof-, Kammer-, Kirchenrat) und weitere hochrangige fürstliche Beamte (Hofämter, Kanzler, Landvögte; im Fürstbistum Basel auch einen Vertreter des Domkapitels) zu Mitgliedern.

Quellen und Literatur

  • J.J. Blumer, Staats- und Rechtsgesch. der schweiz. Demokratien oder der Kt. Uri, Schwyz, Unterwalden, Glarus, Zug und Appenzell 2/I, 1858
  • E. FabianGeheimer Rat in Zürich, Bern, Basel und Schaffhausen, 1974
  • Peyer, Verfassung, 109
  • AppGesch. 3, 40-43
Weblinks

Zitiervorschlag

André Holenstein: "Geheimer Rat", in: Historisches Lexikon der Schweiz (HLS), Version vom 05.12.2014. Online: https://hls-dhs-dss.ch/de/articles/010238/2014-12-05/, konsultiert am 17.04.2024.