Der S. (Schuldheischer, franz. avoyer, ital. scoltetto) ist im fränk. Recht als richterl. Beamter des Gaugrafen belegt. Ursprünglich wohl ein grundherrl. Amt, tritt der S. später in der Stadt wie auf dem Land als allg., vom Stadt-, Grund- oder Landesherrn eingesetzter Herrschaftsvertreter im Bereich des Gerichtswesens, der Urteilsvollstreckung und der Verwaltung auf. Seine zentrale Funktion war der Vorsitz im Hoch- oder Niedergericht, vergleichbar dem Ammann, Meier oder Vogt (Landvogt, Reichsvogt). Z.T. wurden diese Begriffe synonym verwendet.
Im Gebiet der heutigen Schweiz wurde der S., anders als der dörfl. Schulze nördlich des Rheins, vorwiegend zum Beamten in der Stadt. In der habsburg. Stadt Luzern löste er 1304 den erblich belehnten Ammann ab. In Bern vertrat er - als eigentl. Vertreter des königl. Stadtherrn - bereits in der 2. Hälfte des 13. Jh. die Bürgerschaft. Ihm stand der Vorsitz im Rat und später auch im Stadtgericht zu. Das Wahlrecht kam aber erst mit dem Übergang der Herrschaftsrechte den städt. Bürgerschaften bzw. deren Rat zu, in Bern 1293 durch königl. Privileg, in Luzern und Freiburg 1415 bzw. 1477-78 als Kriegsfolge. In Bern, Luzern, Freiburg und Solothurn wurde der S. zum Stadt- und Standesoberhaupt, analog dem Bürgermeister der nordostschweiz. Städte und Basels. Der Gr. Rat wählte mit den Häuptern auch den S.en, wobei sich im Amt zwei S.en, ein regierender und ein stillstehender, im Turnus von ein bis zwei Jahren bis zur Amtsaufgabe bzw. bis zum Tod abwechselten. In den Landstädten fungierte der herrschaftl. S. vom 15. Jh. an als Stadtoberhaupt und Vertreter der Landesobrigkeit, u.a. in Frauenfeld, Winterthur, Bremgarten (AG), oder wie in Burgdorf und Thun zugleich als Landvogt (Schultheissenamt).
1798 verschwand der S. in den Landstädten, in den folgenden Jahrzehnten dann auch sukzessive in den meisten Hauptstädten (1831 Solothurn, 1846 Bern, 1848 Freiburg). In Luzern wurde der jährlich wechselnde Präs. des Regierungsrats bis 2007 als S. bezeichnet.