Bis zur Gründung des ersten helvetischen Einheitsstaats 1798 existierte keine zentrale Ablage für die Archive der schweizerischen Kantone. Der Vorort Zürich archivierte die Verträge, die die Kantone mit den fremden Mächten abschlossen, sowie seine Vororts-Korrespondenz; Bern und Luzern besassen ebenfalls umfassende Bestände. Die Archive der Tagsatzungen verblieben in den Kanzleien der jeweiligen Tagungsorte.
Mit Beschluss vom 18. Dezember 1798 wurde das Zentralarchiv der Helvetischen Republik gegründet. Dieses sollte das Schriftgut der neuen Regierung aufbewahren und ordnen. Kurz darauf kamen die Verwaltungspapiere und Register der Ministerien hinzu. Die neue Zentralbehörde, die sich zuerst am helvetischen Regierungssitz in Aarau befand, später nach Luzern und schliesslich nach Bern verlegt wurde, stiess bei ihrem Versuch, die älteren Archive der Gemeinden, Vogteien und Kantone einheitlich zu organisieren, auf grossen Widerstand. Das Zentralarchiv, das am Ende der Helvetik 1803 30 bis 40 Wagenladungen bzw. 4200 Bände und Aktenfaszikel umfasste, wurde in Bern deponiert.
Während der Mediation wurden die Archive der Tagsatzungen der alten Eidgenossenschaft sowie des Vororts der Obhut derjenigen Kantone unterstellt, die die entsprechenden Materialien aufbewahrten. Das helvetische Zentralarchiv und das sich formierende Archiv, das vor allem Abschriften der Tagsatzungsabschiede (Abschiede), Unterlagen des Landammanns und Dokumente zu Aussenpolitik, Militär- und Finanzwesen aufnahm, wurden einem Archivar in Bern anvertraut. Seither ist dieses Material den kantonalen und eidgenössischen Behörden, nicht aber der Forschung zugänglich. Während der Restauration änderte sich für das Archivwesen wenig, bis die Tagsatzung 1835 die Rechte des Staatenbundes am Schriftgut der verschiedenen Amtsstellen präzisierte.
Das heutige Bundesarchiv, Aufbewahrungsort und Archivdienst der Eidgenossenschaft, wurde aufgrund des Gesetzes vom Mai 1849 über die Organisation der Bundesverwaltung angelegt sowie der Verordnung von 1852 (Letztere macht das Aktengut des Bundesarchivs auch der Forschung zugänglich). Gemäss dem Reglement von 1966 umfasst das Bundesarchiv das Zentralarchiv der Helvetischen Republik (1798-1803), das Archiv der Mediationszeit (1803-1813), der Tagsatzungsperiode (1814-1848) und des Bundesstaats (seit 1848); weiter beherbergt es Originale diplomatischer Akten und Ratifikationen internationaler Verträge, Privatarchive zur Schweizer Geschichte seit 1798 und Sammlungen von Abschriften, Kopien und Mikrofilmen von in ausländischen Institutionen aufbewahrten Helvetica.
Ab dem 19. Jahrhundert konzentrierte sich die Tätigkeit des Bundesarchivs insbesondere auf Akteneditionen zu historischen Beständen, indem es 1856-1886 die Abschiede der eidgenössischen Tagsatzungen und 1886-1966 Repertorien und Akten aus der Helvetik publizierte; ab 1979 setzten die Diplomatischen Dokumente der Schweiz diese Arbeit fort. Nach schwierigen Anfängen in den Jahren 1857-1867 sicherten Reglemente von 1933, 1944, 1957 und 1970 ein zunehmend besseres Funktionieren der Aktenbeschaffung aus der Bundesverwaltung. Um die Wende zum 21. Jahrhundert stellte die rasch anwachsende Datenmenge auf neuen Datenträgern das Bundesarchiv vor grosse Herausforderungen. Das Gebäude des Bundesarchivs wurde 1896-1899 unter der Leitung des Architekten Theodor Gohl erstellt. 1980-1985 wurde es vollständig renoviert und um einen unterirdischen Magazintrakt erweitert; von den seither 57 verfügbaren Laufkilometern waren 2001 rund 41 belegt. Mit dem Umbau konnte zusätzlich ein auf die Restauration und Neutralisation (Entsäuerung) von Papier spezialisiertes Atelier eingerichtet werden (seit 2000 in Wimmis).
Am 1. Oktober 1999 trat das am 26. Juni 1998 verabschiedete Bundesgesetz über die Archivierung in Kraft. Es statuiert den freien und unentgeltlichen Zugang zu den Archivalien der Eidgenossenschaft nach einer Frist von 30 Jahren (bisher 35 Jahren). Für nach Personennamen erschlossenes Archivgut, das «besonders schützenswerte Personendaten oder Persönlichkeitsprofile» enthält, beträgt die Schutzfrist 50 Jahre. Weiter sind neu alle Bundesorgane verpflichtet, ihre Unterlagen dem Bundesarchiv anzubieten (soweit sie nicht selber für deren Archivierung zuständig sind). Zusammen mit dem Bundesarchiv legen sie fest, ob Unterlagen archivierungswürdig sind; diese müssen dem Bundesarchiv abgeliefert werden.
Leiter des Bundesarchivs sowie der Vorgängerinstitutionen
1799 | Philipp Christoph Reibelt |
1799 | Josef Mariä Businger |
1799-1803 | Marc Louis Vinet |
1803-1848 | Karl Samuel Wild |
1849-1861 | Johann Jakob Meyer |
1856-1867 | Joseph Karl Krütli |
1868-1913 | Jakob Kaiser |
1914-1932 | Heinrich Türler |
1933-1954 | Léon Kern |
1954-1973 | Leonhard Haas |
1974-1990 | Oscar Gauye |
1990-2004 | Christoph Graf |
2004-2017 | Andreas Kellerhals |
2018- | Philippe Künzler |