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Kreise

Bezeichnung für administrative Einheiten auf unterschiedlichen staatlichen Ebenen: Zumeist beschränkt auf ganz bestimmte Funktionen gibt es Kreise auf Bundes-, Kantons- und vereinzelt auch auf Gemeindeebene. Sie erlauben es, Verwaltungsaufgaben jenseits der traditionellen Gliederung in Kantone, Bezirke und Gemeinden wahrzunehmen.

Als fester Bestandteil einer hierarchisch gestuften Gliederung gibt es die Kreiseinteilung nur in einigen Kantonen. Dort bilden die Kreise eine Zwischenstufe zwischen Gemeinde und Bezirken. Ein Bezirk umfasst mehrere Kreise und ein Kreise mehrere Gemeinden, ausgenommen Hauptorte mit eigenem Kreis. Folgende Kantone kennen feste Kreiseinteilungen: Aargau (50 Kreise, 11 Bezirke), Graubünden (39 Kreise, 11 Bezirke), Tessin (38 Kreise, 8 Bezirke) und Thurgau (20 Kreise, 8 Bezirke). Zu den Reichskreisen oder jüngeren Landkreisen Deutschlands haben die Kreise in der Schweiz, ursprünglich kantonale Wahl- und Gerichtskreise, keinen Bezug. Sie kamen mit der Mediationsverfassung 1803 von Frankreich in die Schweiz. Diese Verfassung schrieb den neuen Kantonen Thurgau, Waadt, Tessin, Aargau und St. Gallen die Kreiseinteilung vor. Ihr Kantonsgebiet wurde nach praktischen, nicht historischen Gesichtspunkten in Distrikte und Kreise (Waadt: cercles; Tessin: circoli) unterteilt. In Graubünden wurden die Kreise erst 1851 anstelle der alten Gerichtsgemeinden gebildet.

Die Kreise bildeten als Friedensrichterkreise (Friedensrichter) mit ihren Kreisgerichten (Aargau, Thurgau) und Beamten, ausgestattet mit zivil- und strafrechtlichen, polizeilichen, teils auch administrativen Kompetenzen, die unterste Gerichtsstufe als Ersatz für das vorrevolutionäre Niedergericht (Gerichtswesen). Den Wahlkreisen (in der Waadt fielen die 30 arrondissements électoraux weder mit den Kreisen noch mit den Bezirken zusammen) oblagen in Kreisversammlungen die Wahl der Grossräte und Kreisbeamten (Friedensrichter, Notare) sowie regionale Abstimmungen. Bei den Verfassungsreformen verloren die Kreise Gerichtskompetenz ans Bezirksgericht (z.B. Thurgau 1849, Aargau 1852). In Graubünden ging die erstinstanzliche Rechtsprechung in Strafsachen erst mit der Gerichtsreform 2001 an die Bezirksgerichte über. Nach 1900 wurden die Kreisversammlungen für die Grossratswahlen allmählich durch die Urnenwahl abgelöst. Die Kreise überlebten als Friedensrichterkreise, im Thurgau auch als Betreibungs-, Notariats- und Grundbuch-, in Graubünden als Gerichts- und Wahlkreise. St. Gallen, das 1831 die Kreise abgeschafft hat, gliedert seit 2003 sein Gebiet in Regionen, die als Wahlkreise dienen. Eine territoriale Kontinuität zur alten Kreiseinteilung besteht keine. Im Kanton Waadt wurden 2006 die 60 Kreise aufgehoben und die 19 Bezirke durch deren 10 ersetzt.

Die alten Kantone blieben 1803 ohne Kreise: Landkantone (ausser Schwyz) wurden gar nicht, Stadtkantone nur in Distrikte unterteilt. Erst mit der Restauration kam in den Stadtkantonen die Kreiseinteilung auf, jedoch nicht als feste Zwischenstufe zwischen Bezirken und Gemeinden: Militärkreise als Rekrutierungskreise, Friedensrichterkreise (Freiburg, Luzern) und Wahlkreise. Letztere überlebten in verschiedenen Kantonen als Wahlkreise für das kantonale Parlament (u.a. Basel-Stadt, Basel-Landschaft, Schaffhausen, Zürich, Schwyz, Glarus) oder in der Bedeutung von Urnenbezirken (Luzern, Genf), in anderen gingen sie im Bezirk auf (Solothurn, Luzern) oder verschwanden mit Urnen- und Proporzwahl (Bern).

In grösseren Kantonen wurden im 19. und 20. Jahrhundert für zahlreiche Aufgaben unterschiedliche, sich zum Teil nicht deckende Kreiseinteilungen eingeführt: Schul-, Medizinal-, Veterinär-, Strassenbau-, Forst-, Jagd-, Zivilstands- (ab 1876), Grundbuch-, Betreibungs- und landeskirchliche Kreise.

Der Bund schuf für einige Aufgaben grossräumige Kreise, in denen gewöhnlich mehrere Kantone zusammengefasst wurden: In der Postverwaltung existierten bis 1997 11 Kreispostdirektionen, die Schweizerischen Bundesbahnen teilten die Schweiz bis Ende 1998 in 3 Kreise ein. Im Jahr 2000 bestanden in der Zollverwaltung 4 Kreise, in der Alkoholverwaltung 14 Kreise. Auch die Armee kannte Kreiseinteilungen, Divisions- sowie Territorialkreise im Rahmen des Territorialdienstes, die ursprünglich mehrere Kantone umfassten, 1947 auf 24 vermehrt (1 Territorialkreis pro Kanton) und 1994 abgeschafft wurden.

Auf Gemeindeebene ist die Kreiseinteilung selten: In der Stadt Zürich ist das durch die Eingemeindungen von 1893 und 1934 angewachsene Gebiet schliesslich in 12 Kreise mit eigenen Quartier- und Kreisbüros eingeteilt worden. In anderen Städten gibt es Schul- und Wahlkreise.

Quellen und Literatur

  • L. Schmid, Graubünden, Gesch. seiner Kreise, 1971
  • A.-M. Dubler, «Die Region Oberaargau – Entstehung, Begriff und Umfang im Wandel der Zeit», in Jb. des Oberaargaus 44, 2001, 90-99
Weblinks

Zitiervorschlag

Anne-Marie Dubler: "Kreise", in: Historisches Lexikon der Schweiz (HLS), Version vom 04.11.2008. Online: https://hls-dhs-dss.ch/de/articles/010361/2008-11-04/, konsultiert am 17.04.2024.