de fr it

Kindergarten

Kindergärten bilden einen Teil der Kindertagesstätten, die für Kinder im Vorschulalter auch Kinderhorte und Kinderkrippen umfassen. Kindergärten werden von 4- bis 6-jährigen Kindern besucht (Kindheit). Diese haben ein Anrecht auf Vorschulbildung. Der Besuch dieser Einrichtung, deren Träger Gemeinden und Private sind, und die eine zunehmend integrative Funktion in einer multikulturellen Gesellschaft ausübt, ist freiwillig.

Der Kindergarten in seiner heutigen Form blickt auf eine lange Geschichte zurück, die bis in die Aufklärung reicht. Bereits 1780 skizzierte Johann Heinrich Pestalozzi in seinem Erziehungsroman «Lienhard und Gertrud» die Idee eines Kinderhauses für bedürftige Kinder, denen neben Betreuung auch ein altersgemässes, einfaches Bildungsangebot zugute kommen sollte. 1826 wurde in Genf nach dem Vorbild der englischen Infant school eine Betreuungseinrichtung für Kinder eröffnet – die erste auf dem europäischen Kontinent –, deren Eltern aus ökonomischen Gründen einem Broterwerb nachgehen mussten. Unterstützt durch die Schweizerische Gemeinnützige Gesellschaft (SGG) fand die Idee Widerhall in der ganzen Schweiz. 1830 wurde in Zürich die erste Kleinkinderschule für Arme eingerichtet, die sich zur Anleitungsstätte für viele ähnlichen Vorhaben entwickeln sollte. In der Folge wurden diese beiden Musterschulen, welche eher Bewahranstalten (Anstaltswesen) gegen schädliche Einflüsse als kindgerechte Bildungseinrichtungen waren, in vielen Regionen der Schweiz nachgeahmt. Eine eigentliche Ausbildung für die Lehrerinnen bestand jedoch nicht (Lehrerseminar).

Im Kanton Tessin wurde 1844 in Lugano die erste Scuola dell'infanzia (Asilo Ciani) gegründet. Die Kindergärten der italienischen Schweiz lehnten sich stark an entsprechende Entwicklungen in Italien an, im 20. Jahrhundert unter anderem an die Pädagogik Maria Montessoris. Oftmals wurden Kinder bereits im Alter von zwei bis drei Jahren aufgenommen. Sie blieben über Mittag im sogenannten Asilo infantile und wurden dort verpflegt. Um die Mitte des 19. Jahrhunderts zählte man in der gesamten Schweiz bereits 127 Kleinkinderschulen, welche insgesamt 5000 Kinder im Alter von zwei bis fünf Jahren betreuten. Diese Schulen erfreuten sich eines regen Zuspruchs aus allen Bevölkerungskreisen und wurden, trotz grosser Kinderzahlen und didaktischer Mängel, hoch geschätzt.

Didaktische Bildtafel aus einer in Lausanne publizierten Broschüre über die Methoden Friedrich Froebels, 1860 (Archives A. & G. Zimmermann, Genf).
Didaktische Bildtafel aus einer in Lausanne publizierten Broschüre über die Methoden Friedrich Froebels, 1860 (Archives A. & G. Zimmermann, Genf). […]

Friedrich Froebels Idee eines «Gartens für Kinder» löste eine erste vorschulische Reformbewegung aus und bildete den Grundstein für die moderne Vorschulerziehung. Der erste nach dem Froebelschen Konzept des «natürlichen Unterrichts» ausgerichtete Kindergarten in der Schweiz wurde 1845 in Riesbach eröffnet. Froebels Ideen wie auch die von ihm entwickelten Spielmaterialien beeinflussten viele der bestehenden Kleinkinderbewahranstalten und -schulen. Der eigentliche Durchbruch der Froebel-Kindergärten gelang erst mit der Gründung von Ausbildungsstätten für Kindergärtnerinnen. Ehemalige Zöglinge des St. Galler Waisenhauses wurden in Deutschland nach den Ideen Froebels ausgebildet; das 1873 in St. Gallen eröffnete Kindergärtnerinneninstitut wird heute als «Mutterhaus der deutschschweizerischen Kindergärten» bezeichnet. Es entstand eine eigentliche, von Waisenhausleitern und regionalen gemeinnützigen Gesellschaften getragene Welle von Kindergartengründungen.

In der französischsprachigen Schweiz verbreiteten sich die Ecoles enfantines dank der Impulse aus dem Kanton Genf, der die Kindergärten im Schulgesetz von 1848 zu einem Bestandteil des Schulwesens erklärte und diese staatlich subventionierte. Damit wurde eine intensive Verbindung von Kindergarten und Schule geschaffen. Die Distanz zum Schulischen blieb hingegen, trotz reformpädagogischer Einflüsse, für die deutschschweizerischen Kindergärten bis in die 1970er Jahre charakteristisch. Die damals einsetzende Vorschulreform bewirkte eine deutliche Aufwertung des Kindergärtnerinnenberufes. In Bern beispielsweise werden die Kindergärtnerinnen seit 2001 gemeinsam mit den Primarlehrkräften ausgebildet. In jüngster Zeit laufen in verschiedenen Kantonen Schulversuche, die den Kindergarten und die Unterstufe der Primarschule gemäss dem Projekt Basisstufe zusammenlegen.

Quellen und Literatur

  • W. Bion, Kleinkinderbewahranstalten, 1868
  • D. Erba, L' éducation préscolaire au Tessin, Genf, Ms., 1976
  • H. Nufer, Kindergarten im Wandel, 1978
  • I. Cornali-Engel, Education préscolaire en Suisse romande, 1992
Weblinks

Zitiervorschlag

Heinrich Nufer: "Kindergarten", in: Historisches Lexikon der Schweiz (HLS), Version vom 13.06.2012. Online: https://hls-dhs-dss.ch/de/articles/010401/2012-06-13/, konsultiert am 17.04.2024.