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Technikum

Höhere Technische Lehranstalten (HTL)

Technika, Höhere Technische Lehranstalten (HTL) und Ingenieurschulen waren vom Bund geförderte Ausbildungsstätten der Tertiärstufe für anspruchsvolle technische Berufe, die kein Hochschulstudium voraussetzten. Sie vermittelten gemäss dem Bundesgesetz über die Berufsbildung von 1978 den Studierenden theoretisches und praktisches Wissen in mathematischen, naturwissenschaftlichen, ingenieurwissenschaftlichen oder bautechnisch-architektonischen und allgemeinbildenden Fächern und bereiteten sie darauf vor, Ergebnisse von Wissenschaft und Forschung in die industrielle Fertigung und Entwicklung zu übertragen. Laut der Verordnung vom 8. Oktober 1980 über Mindestvorschriften für die Anerkennung von HTL umfasste das Vollzeitstudium an einer solchen Institution wenigstens 4200 und die berufsbegleitende Ausbildung wenigstens 3800 Lektionen. Mindestens 500 Lektionen entfielen auf die allgemeinbildenden Fächer, davon rund 300 für die Muttersprache und eine obligatorische Fremdsprache. Ab der zweiten Hälfte der 1990er Jahre wurden die Technika und die Ingenieurschulen zu Hochschulen aufgewertet; sie bilden seither Abteilungen der Fachhochschulen und bezeichnen sich in der Regel als Hochschulen, wie zum Beispiel die Hochschule für Technik und Architektur in Luzern.

Von den Technika, deren erfolgreicher Abschluss in der Regel zur Führung der Berufsbezeichnung Ingenieur HTL berechtigte, und deren Nachfolgeinstitutionen an den Fachhochschulen, an denen man den Titel Ingenieur FH erwerben kann, sind die seit 1978 vom Bundesamt für Industrie, Gewerbe und Arbeit (seit 1999 Bundesamt für Bildung und Technologie) anerkannten Technikerschulen zu unterscheiden. Letztere sind zwar ebenfalls der beruflichen Weiterbildung zuzurechnen; die Ausbildung zum Techniker TS beinhaltet aber nur ca. 2000 Lektionen im Vollzeitstudium bzw. ca. 1600 bei berufsbegleitender Ausbildung.

Von der Zeichen- zur Fachhochschule

Bis ins 18. Jahrhundert waren die Zünfte für die Ausbildung in den handwerklichen Berufen verantwortlich (Berufsbildung). Da dem Zeichnen für das Handwerk, vielleicht auch infolge des Aufkommens des Verlagssystems und der Serienproduktion in den Manufakturen, im 18. Jahrhundert eine immer grössere Bedeutung zukam, entstanden in Genf 1751, Zürich 1780 und in Basel 1782 erste Zeichenschulen. Die in der Schweiz schon früh einsetzende Industrialisierung führte ab der Mitte des 19. Jahrhunderts zur Einrichtung einzelner Fachschulen, deren Ausbildungsziele keineswegs einheitlich waren. In Saint-Imier und in Biel wurden 1866 bzw. 1872 Uhrmacherschulen eröffnet, in Wattwil 1881 eine Webschule. Der noch junge Bundesstaat erkannte die Wichtigkeit der technischen Ausbildung und gründete 1855 in Zürich das Eidgenössische Polytechnikum (Eidgenössische Technische Hochschulen).

Diplomabgänger der Abteilung Mechanik am Technikum Winterthur, 1892 (Zürcher Hochschule für Angewandte Wissenschaften, Winterthur).
Diplomabgänger der Abteilung Mechanik am Technikum Winterthur, 1892 (Zürcher Hochschule für Angewandte Wissenschaften, Winterthur). […]

Mit dem technisch-industriellen Fortschritt wuchs das Bedürfnis nach einer guten technischen Ausbildung, von der man sich weiteren wirtschaftlichen Aufschwung versprach. 1874 wurde in Winterthur das erste Technikum gegründet: Junge Männer, die über einen Sekundarschulabschluss verfügten, sollten zur Übernahme mittlerer Kaderfunktionen in der schweizerischen Industrie befähigt werden. Winterthur gab den Anstoss zu einer ersten Gründungswelle, wobei viele Technika in kleineren Städten, die sich zu industriellen Zentren entwickelt hatten, angesiedelt wurden. 1887 beklagte der Berner Grossrat Kurt Demme in einer Motion, dass es der Schweiz trotz des Technikums Winterthur an technisch gut ausgebildeten Arbeitskräften mangle. In rascher Folge wurden weitere Lehranstalten in Biel (1890), Burgdorf (1892), Freiburg (1896) sowie Genf (1901) eröffnet, und in Saint-Imier wurde die bestehende Uhrmacher- und Mechanikerschule 1916 um die höhere technische Ausbildung ergänzt. Mit der Einrichtung des Abendtechnikums ermöglichte die Privatschule Juventus in Zürich 1922 auch Arbeitern und Angestellten als neue Form der technischen Ausbildung ein berufsbegleitendes Studium. Das Berufsbildungsgesetz von 1930 unterstellte die Technika schliesslich der eidgenössischen Rechtssetzung.

Eine zweite Gründungswelle erfolgte 1946-1972, als eine generelle Aufbruchstimmung herrschte. Durch die Schaffung von neuen Ingenieursschulen bzw. den Ausbau von bestehenden Einrichtungen sollte die wirtschaftliche Entwicklung der jeweiligen Region beschleunigt werden. Technika für ein Vollzeitstudium wurden in Lugano-Trevano (1950), Yverdon-les-Bains (1956), Luzern (1957), Muttenz (1963), Brugg-Windisch (1965), Buchs (SG, 1968), Le Locle (1971), Lausanne (Ecole suisse des ingénieurs des industries graphiques et de l'emballage, 1972) sowie Rapperswil (SG, 1972) gegründet. Abendtechnika entstanden in Luzern (1946), St. Gallen (1955), Genf (1958), Bern (1959), Chur (1963), Solothurn (1963) und Lausanne (1969). Noch während des Zweiten Weltkriegs wurde 1942 in Wädenswil das erste landwirtschaftliche Technikum eingerichtet, ähnliche Institutionen wurden in Changins (1948), Zollikofen (1967) und Lullier (1970) eröffnet. Die jüngsten Technika sind die Holzfachschule Biel (1985) sowie die Technika Sitten (1988) und Oensingen (1994).

1986 schlossen sich die Direktoren der Technika zur Direktorenkonferenz der Ingenieurschulen der Schweiz zusammen, um die Interessen der Technika, ihrer Lehrkräfte und Studierenden besser zu vertreten. Diese Konferenz wurde innert kurzer Zeit zu einem wichtigen bildungspolitischen Gremium, von dem wesentliche Impulse auf die Entwicklung der künftigen Fachhochschulen ausgingen. Das 1995 verabschiedete Bundesgesetz über die Fachhochschulen erlaubte eine Überführung der Technika und anderer Höherer Lehranstalten in sieben neue Fachhochschulen. Dieser 2003 abgeschlossene Integrationsprozess und die damit verbundene Aufwertung der einzelnen Lehranstalten ermöglichen intensivere Beziehungen zu Wissenschaft und beruflichen Praxis. Der Leistungsauftrag an die Fachhochschulen bzw. deren Abteilungen ist weit gefasst. Sie sind gesetzlich verpflichtet, neben den Diplomstudiengängen auch Weiterbildungen anzubieten, anwendungsorientierte Forschung und Entwicklung zu betreiben sowie Dienstleistungen für Dritte zu erbringen.

Studienfächer und Zulassungsbedingungen

Rund 60% der überwiegend männlichen Studierenden an den Technika – 1989/1990 zum Beispiel erwarben 10'343 Männer, aber nur 380 Frauen ein Ingenieurdiplom – waren in den Fachrichtungen Elektroingenieurwesen und Maschinenbau eingeschrieben. Etwa 20% der Absolventen bereiteten sich auf ein Diplom in Architektur oder Bauingenieurwesen vor. Die übrigen Studierenden verteilten sich auf weitere Fachbereiche wie Automobiltechnik, Chemie, Feinwerktechnik, Vermessungswesen, Siedlungs- bzw. Raumplanung, Nukleartechnik, Druck und Verpackung, Lebensmitteltechnologie, Landwirtschaft, Milchwirtschaft, Obst-, Reb- oder Gartenbau. Die Anzahl Studierender an den Technika stieg von knapp 3000 1955 auf über 10'000 1995, wobei rund 30% der Studierenden eine berufsbegleitende Ausbildung absolvierten.

Die Zulassung zum Studium an einem Technikum erfolgte aufgrund einer Aufnahmeprüfung für Kandidaten, die nach der Sekundarschule eine entsprechende, mindestens dreijährige Berufslehre mit dem eidgenössischen Fähigkeitszeugnis abgeschlossen hatten. Bewerber mit einer eidgenössisch anerkannten Matura, die ein einjähriges Berufspraktikum absolviert hatten, wurden prüfungsfrei ins erste Semester aufgenommen. Studierende der Abendtechnika mussten während des Studiums einer einschlägigen Berufstätigkeit nachgehen, die spätestens ab dem fünften Semester dem Stand des Studiums zu entsprechen hatte. Seit 1993 führt der normale Weg zu den Technika bzw. ihren Nachfolgeinstitutionen an den Fachhochschulen über die Berufsmaturität.

Quellen und Literatur

  • M. König et al., Warten und aufrücken, 1985, 312-431
  • E. Wettstein et al., Die Berufsbildung in der Schweiz, 1985
  • 100 Jahre Ingenieurschule Biel, 1990
  • Orientierung über das Stud. an den Ingenieurschulen (Höhere techn. Lehranstalten HTL) der Schweiz, 1991
  • 100 Jahre Ingenieurschule Burgdorf (ISB) 1892-1992, 1992
Weblinks

Zitiervorschlag

Andri Gieré: "Technikum", in: Historisches Lexikon der Schweiz (HLS), Version vom 29.10.2013. Online: https://hls-dhs-dss.ch/de/articles/010406/2013-10-29/, konsultiert am 20.03.2023.