Als Handarbeitsunterricht wird primär der Unterricht textiler Techniken wie Nähen, Stricken, Häkeln, Weben, Knüpfen usw. in der Vorschule, Volksschule, Lehrerinnen- und Lehrerausbildung sowie in speziellen Kursen bezeichnet (Schulwesen, Erwachsenenbildung). Der Begriff wurde vor allem im 19. Jahrhundert auf den ganzen Bereich der manuellen Tätigkeiten angewendet, also auch auf die Verarbeitung nichttextiler Materialien wie Papier, Karton, Holz und Metall (Knabenhandarbeit, im 20. Jh. Werken). Neuerdings werden die textile Handarbeit und das nichttextile Werken unter dem Begriff des technischen Gestaltens zusammengefasst.
Handarbeitstechniken dienten ursprünglich der Selbstversorgung und wurden innerhalb der Familie weitergegeben. Im Mittelalter wurden sie als kunstvolle Handwerke in den Klöstern und als Beruf durch die Zünfte vermittelt. Ab dem 18. Jahrhundert setzte sich die Handarbeit als Schulfach in den sogenannten Armenschulen durch. Gelernt wurden Flicken und Nähen aus ökonomischer Notwendigkeit und das Herstellen von verkäuflichen Schnitz- und Papparbeiten, um Schule und Familie mitzufinanzieren. Mit der Industrialisierung Mitte des 19. Jahrhunderts übernahm der Handarbeitsunterricht die Aufgabe, die Knaben auf die industrielle Arbeit vorzubereiten. Der obligatorische Handarbeitsunterricht für die Mädchen qualifizierte diese zu Hausfrauen (Hausarbeit). Die Gründung der Kunstgewerbeschule in Zürich 1875 beeinflusste das Werken und die Textilarbeit. 1884 wurde der Schweizerische Verein für Handarbeitsunterricht, 1886 der Schweizerische Verein für Knabenhandarbeit gegründet; beide führten Handarbeitskurse für Lehrerinnen und Lehrer durch. Während der beiden Weltkriege rückte der Selbstversorgungsaspekt wieder in den Vordergrund. Im textilen Bereich wurden deshalb Techniken wie Flicken und Stricken (von Militärsocken) gefördert. Für Knaben gewann der Flugzeugmodellbau an Bedeutung (erster Kurs für Lehrer 1939). Nach 1950 befasste sich der Werkunterricht vermehrt mit Inhalten aus der technischen Umwelt. Handwerkliche, technische und kunstpädagogische Strömungen durchmischten sich. Mit dem Gleichstellungsartikel 1981 (Artikel 8 Bundesverfassung 1999) und der daraus resultierenden Koedukation relativierte sich die geschlechtsspezifische Ausrichtung der beiden Schulfächer Handarbeit und Werken (Geschlechterrollen). Als Lernziele gewannen Persönlichkeitsentwicklung, Auseinandersetzung mit der kulturellen Vielfalt und Vorbereitung auf die Freizeit- und Konsumgesellschaft an Bedeutung. Zu Beginn des 21. Jahrhunderts drängen Sparpolitik, neue Schulfächer (Fremdsprachen) und der Einzug des Computers in der Primarstufe den Handarbeitsunterricht in einigen Kantonen zurück.