de fr it

HuldrychZwingli

Porträt von Huldrych Zwingli. Tempera und Öl auf Holz, postum gemalt von Hans Asper, um 1549 (Zentralbibliothek Zürich, Graphische Sammlung und Fotoarchiv).
Porträt von Huldrych Zwingli. Tempera und Öl auf Holz, postum gemalt von Hans Asper, um 1549 (Zentralbibliothek Zürich, Graphische Sammlung und Fotoarchiv).

1.1.1484 Wildhaus, 11.10.1531 Kappel am Albis, von Wildhaus. Sohn des Ulrich, Bauern und Ammanns, und der Margaretha Bruggmann. 1522 Anna Reinhart, 2. April 1524 öffentlicher Kirchgang. Huldrych Zwingli kam 1489 in die Obhut seines Onkels Bartholomäus, Dekans in Weesen, und besuchte dort die Schule. Ab 1494 durchlief er die Lateinschulen in Basel und Bern. 1498 immatrikulierte er sich an der Universität Wien, 1502 an der Universität Basel, an der er 1504 den Grad eines Bakkalaureus und 1506 denjenigen eines Magister Artium erwarb. Kurz nach der Aufnahme eines Theologiestudiums im selben Jahr wurde Zwingli von Bischof Hugo von Landenberg im Münster von Konstanz zum Priester geweiht und nach Glarus berufen. Dort widmete er sich nebst seinen pastoralen Aufgaben autodidaktischen Studien und knüpfte Kontakte zu Vertretern des eidgenössischen Humanismus wie Joachim Vadian und Glarean, in deren Kreis er sich rasch einen Namen machte. Im Frühjahr 1516 kam es in Basel zu einer persönlichen Begegnung mit Erasmus von Rotterdam, der Zwingli tief beeindruckte. Mindestens zweimal, 1513 nach Novara und 1515 nach Marignano, begleitete er die Glarner Truppen als Feldprediger nach Italien. Wohl wegen des Übergewichts der Franzosenpartei in Glarus trat der damals noch papsttreue Zwingli, der 1515-1520 auch eine päpstliche Pension erhielt, 1516 die Stelle als Leutpriester im Kloster Einsiedeln an. Hier predigte er gegen die Exzesse des Ablasshandels und kritisierte die Reisläuferei. Prägend für seine weitere Entwicklung wurde seine Lektüre der paulinischen Briefe auf Griechisch sowie des Johannesevangeliums im Licht von Augustins Traktaten.

1518 wurde Zwingli als Leutpriester nach Zürich berufen und predigte ab 1519 am Grossmünster. Im Gegensatz zur üblichen Praxis legte er seinen Predigten nicht die gängige Perikopenordnung zugrunde, sondern betrieb eine fortlaufende Auslegung ganzer biblischer Bücher. Eine Pesterkrankung im Herbst 1519 verarbeitete er in seinem sogenannten "Pestlied". In den folgenden Jahren reifte Zwingli vom humanistisch beeinflussten Reformer zum Reformator, dessen Predigten grossen Anklang fanden und den Grundstein zu einer Umgestaltung der Verhältnisse in Zürich legten. Von grosser Bedeutung war Zwinglis radikale, von eigenen Erfahrungen auf dem Schlachtfeld geprägte Ablehnung des Solddienstwesens ("Ein göttlich Vermanung an die ersamen, wysen, eerenvesten, eltisten Eydgnossen zuo Schwytz" 1522). Als 1522 angesehene Bürger mit Verweis auf Zwingli demonstrativ die kirchlichen Fastengebote übertraten, kam es zum Konflikt mit dem für Zürich zuständigen Bischof von Konstanz. Zwingli rechtfertigte den Fastenbruch in seiner ersten eindeutig reformatorischen Schrift "Vom Erkiesen und Fryheit der Spysen" (1522), in der er das reformatorische Schriftprinzip dem geltenden Traditionsprinzip gegenüberstellte. Noch im selben Jahr forderte er vom Konstanzer Bischof die Aufhebung des Priesterzölibats und die Einführung der schriftgemässen Predigt ("Supplicatio ad Hugonem episcopum Constantiensem") und bestritt im August schliesslich in der Schrift "Apologeticus Archeteles" dessen Zuständigkeit grundsätzlich. In Zürich selbst war Zwinglis Tätigkeit und Predigt nicht unangefochten, was den Rat zur Einberufung eines Religionsgesprächs veranlasste. Zur Vorbereitung dieser sogenannten Ersten Zürcher Disputation im Januar 1523 verfasste Zwingli eine Zusammenfassung seiner Lehre in 67 Artikeln oder Schlussreden, die er im selben Jahr zur Schrift "Usslegen und Gründ der Schlussreden oder Articklen" umarbeitete. Die Disputation brachte die offizielle Anerkennung von Zwinglis Lehre durch den Rat und die Verpflichtung der Pfarrer zur schriftgemässen Predigt. Eine zweite Disputation im Oktober über die Bilderfrage und die Messe legte den Grundstein zur Umgestaltung der Kirche und des Gemeinwesens in reformatorischem Sinn: Abschaffung der Messe, Entfernung der Bilder, Aufhebung der Klöster, Neuorganisation der Armenfürsorge (Almosenordnung von 1525) und Errichtung eines von der bischöflichen Jurisdiktion unabhängigen Ehegerichts. Zudem wurde ein exegetisches Seminar als Ausbildungsstätte einer reformierten Pfarrerschaft etabliert, aus dem später die Zürcher Hohe Schule hervorging. Eine Frucht dieses Seminars war die unter Zwinglis Führung erarbeitete sogenannte "Zürcher Bibel". Aus Rücksicht auf die "Schwachen im Glauben" (bzw. Stimmungen im Volk) wurden diese Massnahmen behutsam durchgeführt, wogegen sich radikaler gesinnte Anhänger Zwinglis, unter anderen Konrad Grebel, Felix Manz und Jörg Blaurock, aussprachen. Diese wandten sich schliesslich dem Täufertum zu und wurden in der Folge von Zwingli und dem Rat heftig bekämpft (u.a. "In catabaptistarum strophas elenchus" 1527).

Unter Zwinglis zahlreichen Schriften 1523-1525 kommt der Schrift "Von götlicher und menschlicher Grechtigkeit" (1523) sowie dem systematischen Hauptwerk "De vera et falsa religione commentarius" (1525) besondere Bedeutung zu. In Ersterer bestimmte er das Verhältnis zwischen der kirchlichen und politischen Sphäre neu. Deshalb verstand sich die zwinglische Reformation nicht nur als Reformation der Kirche, sondern des gesamten Gemeinwesens unter Einschluss der Kirche. Die Jahre ab 1525 wurden unter anderem beherrscht von Zwinglis Kampf gegen das Pensionen- und Solddienstwesen (1526 Prozess gegen Jakob Grebel), von den Bestrebungen, der Reformation in der Eidgenossenschaft zum Durchbruch zu verhelfen (1528 Disputation in Bern) und dem Versuch, der Reformation zwinglischer Prägung auf internationaler Ebene Anerkennung zu verschaffen (1530 "Fidei ratio" an Kaiser Karl V., 1531 "Fidei expositio" an König Franz I.). Aktiv beteiligte sich Zwingli an den Bemühungen, die Reformation in der Eidgenossenschaft durch die systematische Errichtung von Bündnissen abzusichern (Christliches Burgrecht). Seine weiterreichenden Pläne, eine grenzübergreifende antihabsburgische Allianz zu schmieden, scheiterten grösstenteils. Folgenschwere Konsequenzen zeitigte der Streit mit Martin Luther über das Abendmahl (u.a. "Amica exegesis" 1527, "Über D. Martin Luters Buch, Bekentnuss genannt" 1528), insbesondere über die Art der Präsenz Christi, der auch auf dem Marburger Religionsgespräch 1529 nicht beigelegt werden konnte. Das Religionsgespräch wurde so zu einem Meilenstein der getrennten konfessionellen Entwicklung innerhalb des Protestantismus. Die von Zwingli mitgetragene aggressive Politik Zürichs gegen die reformationsfeindlichen Teile der Eidgenossenschaft – Ziel war die Erlaubnis der freien evangelischen Predigt – führte zum Zweiten Kappelerkrieg von 1531, in dem Huldrych Zwingli den Tod auf dem Schlachtfeld fand. Sein gewaltsamer Tod bedeutete einen Rückschlag für die von ihm geprägte Reformationsrichtung. Sein Erbe wurde aber unter seinem Nachfolger Heinrich Bullinger trotz einiger Modifikationen bewahrt.

Zwinglis theologische Wirkung vollzog sich weitgehend innerhalb des Zwinglianismus. Das Urteil über seine Person war im Zeitalter des Konfessionalismus von Stereotypen geprägt. Während das negative Verdikt über Zwingli sich im schweizerischen Katholizismus noch über die Kulturkampfzeit hinaus erhielt, setzte sich das von Zwinglis Biografen Oswald Myconius geprägte heroische Zwinglibild vor allem in Zürich und den reformierten Deutschschweizer Kantonen durch. In dieser Traditionslinie liegt auch die nationalpatriotische Aneignung Zwinglis im 19. Jahrhundert, wie sie sich im Zürcher Zwingli-Standbild von 1885 sowie später in der Ausstellung von Zwinglis Helm und Schwert im Schweizerischen Landesmuseum manifestierten. Bedeutsamer sind die mit dem Jubiläumsjahr 1884 einsetzenden wissenschaftlichen Bemühungen, die sich etwa in der Gründung des Zwinglivereins 1897 mit der im gleichen Jahr gegründeten Zeitschrift "Zwingliana" und der 1905 begonnenen kritischen Werkausgabe, aber auch in Quellensammlungen niederschlugen, dank denen die historische Erforschung der Reformation vertieft wurde.

Quellen und Literatur

  • Huldreich Zwinglis sämtl. Werke, 1905-
  • StAZH, ZBZ
  • K. Guggisberg, Das Zwinglibild des Protestantismus im Wandel der Zeiten, 1934
  • F. Büsser, Das kath. Zwinglibild, 1968
  • M. Haas, Huldrych Zwingli und seine Zeit, 1969 (31982)
  • G.W. Locher, Die Zwingl. Reformation im Rahmen der europ. Kirchengesch., 1979
  • U. Gäbler, Huldrych Zwingli, 1983 (32004)
  • W.P. Stephens, The Theology of Huldrych Zwingli, 1986
  • W.E. Meyer, Huldrych Zwinglis Eschatologie, 1987
  • B. Hamm, Zwinglis Reformation der Freiheit, 1988
  • J.-V. Pollet, Huldrych Zwingli et le zwinglianisme, 1988
  • M. Sallmann, Zwischen Gott und Mensch, 1999
  • D. Bolliger, Infiniti contemplatio, 2003
  • TRE 36, 793-809
  • S. Ronchi, Huldrych Zwingli: il riformatore di Zurigo, 2008
  • H. Schneider, «Zwinglis Anfänge als Priester», in Schweizer Kirchengesch. – neu reflektiert, hg. von U. Gäbler et al., 2011, 37-62
Weblinks
Normdateien
GND
VIAF

Zitiervorschlag

Christian Moser: "Zwingli, Huldrych", in: Historisches Lexikon der Schweiz (HLS), Version vom 04.03.2014. Online: https://hls-dhs-dss.ch/de/articles/010447/2014-03-04/, konsultiert am 19.03.2024.