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Presse

Presse war bis ins 19. Jahrhundert der Ausdruck für alle mit der Druckerpresse hergestellten Schriften. Ab der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts wurde der Begriff allmählich zum Synonym für die Gesamtheit der gedruckten Zeitungen und Zeitschriften. Diese entwickelten sich zu Beginn des 17. Jahrhunderts aus den nur bei Bedarf hergestellten Einblattdrucken, Flugblättern, Nachrichtenblättern und Messrelationen. Sie traten in allen westeuropäischen Ländern in gleichen Formen auf. Im deutschen Sprachraum erschienen die ersten Wochenzeitungen 1605 in Strassburg (Relation) und 1609 in Wolfenbüttel (Aviso), in Paris kam 1620 der Courant d'Italie et d'Almaigne nach dem Vorbild des Amsterdamer Courante uyt Italien heraus, in Florenz erschien 1636 die erste bekannte italienische Zeitung titellos. Sie vereinten erstmals alle typischen Eigenschaften der Presse: Periodizität, Aktualität, Universalität und Publizität.

In der Schweiz kam es zu einer sprachregional unterschiedlichen Entwicklung der Presse, die jeweils stark von Tendenzen der ausländischen Kulturzentren abhängig war. Bis ins 18. Jahrhundert entwickelte sich die Presse insgesamt zögerlich. Ihr vor allem städtisches Publikum blieb klein, weil es sich auf die lesekundigen Eliten beschränkte. Zudem unterstand die Presse der obrigkeitlichen Zensur, die aufgrund von Abkommen zwischen den Ständen den Nachrichtenblättern die lokale und eidgenössische Berichterstattung weitgehend untersagte. Trotzdem begann unter dem Einfluss der Aufklärung ab den 1730er Jahren ein bescheidenes Wachstum, das sich in einer steigenden Zahl von Gesuchen um Zeitungsprivilegien und einer gelehrten Debatte über «Zeitungssucht» äusserte. Verleger wirkten oft auch als Redaktoren, Autoren in Almanachen und Buchhändler.

In der Helvetik wurde erstmals für die ganze Schweiz die Pressefreiheit proklamiert, doch kam es bald wieder zu Zensurmassnahmen. Durch Pressebeschlüsse und das Presse- und Fremdenkonklusum versuchte die Tagsatzung während der Mediations- und Restaurationszeit, die kantonalen Zensurpolitiken zu vereinheitlichen, doch löste vor allem Letzteres die Forderung nach Pressefreiheit erst recht aus. Durchzusetzen vermochte sich diese allerdings erst in der Regenerationszeit. Damals bildete sich in allen Sprachregionen eine politische Presse heraus, in deren Spalten der Meinungskampf geführt wurde, bevor es die modernen politischen Parteien gab. Diese Zeitungen verfolgten primär politische Ziele und nahmen auch ökonomische Verluste in Kauf. Eine Kommerzialisierung der Presse setzte in der französischen Schweiz in den 1870er Jahren und in der deutschen Schweiz in den 1890er Jahren ein. Erst gegen Ende des 20. Jahrhunderts und weniger umfassend begann die Kommerzialisierung der Presse in der italienischen Schweiz und erreichte mit der Bildung eines multimedialen Pols 2008 einen ersten Höhepunkt. Seit der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts wurde die politische Presse gesamtschweizerisch zunehmend von mittleren bis grossen Medienkonzernen aufgesogen. Die grössten unter ihnen stiessen auch in den Medien- und Werbemarkt der anderen Landesteile vor. Trotz des Aufkommens der elektronischen Medien blieben die Schweizer aber ein Volk von Zeitungslesern.

Kaufzeitungen 1939-2009
Kaufzeitungen 1939-2009 […]

Die Erforschung der Pressegeschichte beschränkt sich auf zahlreiche Einzelstudien und weist deshalb insbesondere für das 19. Jahrhundert erhebliche Lücken auf. Die Pressekonzentration führte seit den 1970er Jahren auch zu einer intensiven Beobachtung der Zeitungen durch die Kommunikationswissenschaft.

Deutsche Schweiz

Als eines der ersten Periodika der deutschen Schweiz gilt die ab 1597 herausgegebene Rorschacher Monatsschrift (Annus Christi). Die ersten sogenannten Ordinari-Zeitungen erschienen als reine Nachrichtenblätter in den Messe- und Handelsstädten, wo der Informationsbedarf gross war: 1610-1611 und wieder ab 1682 in Basel, ab 1622/1623 in Zürich sowie um 1639 in Luzern.

Im Laufe des 18. Jahrhunderts kamen neben den Nachrichtenblättern auch Avis- oder Intelligenzblätter (Anzeiger) auf, die mehrheitlich oder ausschliesslich Anzeigen und amtliche Mitteilungen enthielten und Vorläufer von Amtsanzeigern und Lokalzeitungen waren. Für ein gebildetes Publikum entstanden Zeitschriften wie der Historische und Politische Mercurius, der ab 1694 in Zürich monatlich erschien. Die Discourse der Mahlern (1721-1723, Zürich) gelten als eine der ältesten moralischen Wochenschriften im deutschen Sprachraum (Kulturzeitschriften). Mit der Herausbildung einer frühbürgerlichen Öffentlichkeit in aufgeklärten Sozietäten und Reformgesellschaften ist die Geschichte der Zeitschriftenpublizistik eng verknüpft. In den teilweise mehrmals wöchentlich erscheinenden Zeitungen entfaltete sich dagegen kaum öffentliches Räsonnement, weil die Verleger aus ökonomischen Interessen eine hohe Bereitschaft zur Selbstzensur hatten.

Während der Helvetik kam es zu zahlreichen, zum Teil kurzlebigen Neugründungen von Zeitungen. Als deren bedeutendstes Beispiel gilt Der Republikaner. Die Zeitschriften verloren gegenüber den aktuelleren und nun auch politisch kommentierenden Zeitungen an Bedeutung. Die Französische Revolution und die zunehmende Alphabetisierung liessen das Interesse an Nachrichten auch in der Landbevölkerung steigen, an die sich Zeitungen wie Der Schweizerbote richteten. An vielen Orten ermöglichten Lesegesellschaften einen kostengünstigen Zugang zu Zeitungen und Zeitschriften. Nach einem kurzen Frühling der Pressefreiheit in der Helvetik kam es in der Mediations- und Restaurationszeit wieder zu Zensurmassnahmen. Der Kampf dagegen wurde neben Volkssouveränität, Versammlungsfreiheit und Bildung zu einem der grossen Themen der liberalen Publizistik der Regenerationszeit.

In den Verfassungen der regenerierten Kantone war die Pressefreiheit garantiert, doch blieb die Presse in manchen Kantonen ökonomischen Lenkungsmassnahmen unterworfen. Dennoch stieg die Zahl der Zeitungsgründungen. Die neu entstehende Gesinnungspresse wurde vor allem für die Liberalen (u.a. Neue Zürcher Zeitung und Solothurner Blatt) und die Radikalen (Appenzeller Zeitung) zu einem wichtigen Instrument im Kampf um die öffentliche Meinung. Die Gründung des Bundesstaats führte zur Verankerung der Pressefreiheit in der Bundesverfassung, zur Entstehung der ersten überregionalen Zeitung (Der Bund, 1850) und zu einem lang anhaltenden Aufschwung der Meinungspresse. Neben den freisinnigen Blättern griffen mit dem Kulturkampf der 1870er Jahre zunehmend auch konservative (Vaterland) und später sozialdemokratische Zeitungen (Tagwacht, Volksrecht) in den Meinungskampf ein. Der Zeitungsreichtum der Schweiz von Ende des 19. bis Mitte des 20. Jahrhunderts, auch als «Bannwald der Demokratie» und als «vierte Gewalt» im Staat verstanden, beruhte wesentlich auf der Meinungspresse, die sich wegen der Kleinräumigkeit und föderalen Struktur des Landes an ein regionales, meist auch parteipolitisch gespaltenes Publikum wandte.

Die Vielzahl der Titel und steigende Auflagen führten zu einer Professionalisierung des Journalismus (1883 Gründung des Vereins der Schweizer Presse) und einer ökonomischen Konsolidierung der Verlage (1899 Gründung des Schweizerischen Verlegerverbands). In den Redaktionen differenzierten sich einzelne Ressorts aus. Technische Innovationen (Rotationsdruck in der Schweiz ab 1890, Setzmaschine 1893 erstmals beim Bund), die Beschleunigung der Nachrichtenbeschaffung über Nachrichtenagenturen und ein effizienter Post- und Verteilservice ermöglichten bis zu drei Tagesausgaben. Neben der Tagespresse nahm auch die Zeitschriftenpresse zu, die sich in Fach- und Unterhaltungszeitschriften mit populärwissenschaftlichen, literarischen und satirischen Inhalten (Alte und neue Welt, Die Schweiz) sowie in Wochenend-Beilagen zu Tageszeitungen auffächerte. Aus diesen Unterhaltungszeitschriften mit einem bereits erklecklichen Bildanteil entwickelten sich die Illustrierten, die von den 1920er Jahren an den Fotojournalismus begründeten.

Investitionen in neue Technologien erforderten ab Ende des 19. Jahrhunderts eine zunehmende Finanzierung der Presse durch Werbung. Der expandierende Inseratemarkt liess die Bezugspreise sinken und die ersten parteiunabhängigen sogenannten Generalanzeiger entstehen, die wie der Tages-Anzeiger als gewinnorientierte Massenpresse eine möglichst hohe Auflage anstrebten. In der Zwischenkriegszeit entstanden auch unabhängige Wochenzeitungen, so etwa Der Schweizerische Beobachter oder Die Nation, die einen investigativen Journalismus pflegten. Auf die grossen Weltanschauungsgruppen ausgerichtete Zeitschriften wie die Schweizer Monatshefte, die Schweizer Rundschau oder die Rote Revue beschäftigten sich vertieft mit politischen, ökonomischen und kulturellen Fragen.

Während im Ausland erste Boulevardzeitungen schon Ende des 19. Jahrhunderts entstanden waren, etablierte sich dieser Zeitungstyp nach gescheiterten Versuchen (Actualis) erst 1959 mit dem Blick. Aufgrund der zunehmenden Kommerzialisierung und Internationalisierung der Medienmärkte und der Konkurrenz durch das Fernsehen setzte in den 1960er Jahren durch Fusionen und den Aufbau von Kopfblattsystemen eine Zeitungskonzentration ein, die in den 1970er und 1990er Jahren ihre stärksten Schübe erlebte und mit einer Verdoppelung der Gesamtauflage der Zeitungen einherging. Diese Konzentration führte zum Niedergang der partei- und konfessionsgebundenen Presse, an deren Stelle Forumszeitungen wie die Basler Zeitung mit regionaler Vormachtstellung traten. Der als Zeitungssterben bezeichnete Konzentrationsprozess und neue Gratis-Wochenzeitungen, die mit dem Kartellgesetz von 1962 (in Kraft seit 1964) von den etablierten Verlagen nicht mehr verhindert werden konnten, lösten eine breite medienpolitische Debatte aus, die 1978-1982 zu einer Mediengesamtkonzeption führte. Indirekt beeinflusste die Pressekonzentration die Deregulierung des Radios. Als Folge der Konzentration entstanden aus Verdrängungswettbewerben grosse Medienkonzerne (Ringier, Tamedia, NZZ-Gruppe, Basler Medien-Gruppe, Jean Frey AG, Espace) mit primär ökonomischen Interessen. Parallel dazu etablierte sich ab 1977 der Presserat als freiwilliges Selbstkontrollorgan.

Plakat für eine Werbekampagne des Tages-Anzeigers, 1974 (Schweizerische Nationalbibliothek, Bern).
Plakat für eine Werbekampagne des Tages-Anzeigers, 1974 (Schweizerische Nationalbibliothek, Bern).

Rationalisierungsgewinne ermöglichten in den 1990er Jahren einen Ausbau des Umfangs und zum Teil schon früher die Lancierung von Sonntagszeitungen (SonntagsBlick ab 1969, SonntagsZeitung ab 1989, regionale Sonntagstitel ab 2006). Die Orientierung an Zielgruppen liess auch die Titelvielfalt der Zeitschriften anwachsen. Ab Ende 1999 erhielten die Tageszeitungen zunächst in Zürich, dann auch in anderen Städten und Agglomerationen Konkurrenz durch gratis abgegebene Pendlerzeitungen, die innerhalb weniger Jahre auflagemässig alle anderen Tageszeitungen überflügelten. Die Verlagerung von Werbegeldern in die elektronischen Medien akzentuierte eine ökonomisch motivierte Medienkultur, die den international verflochtenen Medienkonzernen grenzüberschreitende Märkte bot. Online-Redaktionen veränderten das journalistische Arbeiten wie die Lesegewohnheiten. Angesichts dieser Veränderungen und den aus den sinkenden Anzeigenerlösen resultierenden ökonomischen Schwierigkeiten der Printmedien im ersten Jahrzehnt des 21. Jahrhunderts bleibt die zukünftige Entwicklung der Presse ungewiss.

Französische Schweiz

Bis 1830 besass die französische Schweiz nur eine bescheidene Presse: ein paar, zum Teil schon im Ancien Régime gegründete Anzeiger sowie einige wenige, meist kurzlebige politische Blätter aus den Jahren nach 1798. Die von der helvetischen Republik proklamierte Pressefreiheit dauerte nur einige Monate. Danach erschwerten die ständig verschärften Zensurmassnahmen den politischen Zeitungen das Leben. Das änderte sich mit der liberalen Welle von 1830. Vom Sommer 1830 bis Ende 1831 entstanden um die zwanzig neue Zeitungen. Diese Entwicklung brach bis Ende des 19. Jahrhunderts nicht mehr ab. 1830-1870 kamen über 200 neue Zeitungen heraus; 40 davon erschienen auch noch am Ende dieser Periode.

Die Zeit zwischen 1870 und 1910 war vor allem eine Blütezeit der Lokalblätter. Während vorher die Zeitungen vornehmlich in den Kantonshauptorten und den Städten erschienen, kam ab 1870 jedes Städtchen der französischen Schweiz zu einem oder sogar zwei Lokalblättern. Dabei handelte es sich um zwei- bis dreimal wöchentlich herausgegebene Zeitungen, die alle nach dem gleichen Muster gestrickt waren: Kleines Format, vier Seiten, wovon die letzte als Anzeigenseite fungierte, oft von einem einzigen Redaktor verfasst, der eher am politischen Kommentar als an den Nachrichten interessiert war. Diese kleine Lokalpresse überzog seit Ende des 19. Jahrhunderts das Land mit einem dichten Netz. Sie bildete die unterste Ebene einer sich abzeichnenden Pressehierarchie. Auf einer zweiten Ebene ist die kantonale Presse anzusiedeln. Diese Tageszeitungen, die ein grösseres Format aufwiesen, von professionellen Journalisten geschrieben wurden und Zugang zu den Nachrichtenagenturen hatten, setzten sich im letzten Drittel des 19. Jahrhunderts als Sprachrohre der damals entstehenden politischen Kantonalparteien durch. Zu dieser Partei- oder Meinungspresse gesellte sich eine neutrale sogenannte Nachrichtenpresse. Zeitungen wie das neugestaltete Feuille d'avis de Lausanne (1872), die Tribune de Genève (1879), der L'Impartial (1881) oder die Tribune de Lausanne (1895) waren Titel, die sich als unabhängig verstanden und rasch Erfolg hatten. Die Spitze der Pyramide bildeten einige Zeitungen mit überkantonaler Verbreitung wie die Gazette de Lausanne, das Journal de Genève und die Tribune de Genève.

Neben dieser Verdichtung und Hierarchisierung bestimmten zunehmend wirtschaftliche Faktoren die Presse im letzten Drittel des 19. Jahrhunderts. Der Übergang zur täglichen Ausgabe, die Abonnemente bei den Presseagenturen, der Handel mit Nachrichten sowie der Inserateverkauf, der an Unternehmen mit nationaler Reichweite vergeben wurde, erforderten beträchtliche Investitionen. Verschiedene Zeitungen konstituierten sich deshalb als gewinnorientierte Aktiengesellschaften. Diese zunehmende Kommerzialisierung schuf grosse Spannungen zwischen den kantonalen Tageszeitungen und den kleinen Lokalblättern, die es gewohnt waren, Meldungen abzuschreiben. Die Plünderung der Nachrichten wurde im Übrigen zu einem der Diskussionsthemen in den kantonalen Journalistenvereinigungen, die um die Wende zum 20. Jahrhundert entstanden.

Im Vergleich zur zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts erscheint die erste Hälfte des 20. Jahrhunderts als relativ ruhig. In der französischen Schweiz zählte man um 1910 wie um die Mitte der 1950er Jahre etwa 110 Zeitungstitel. Diese Stabilität ist nur vordergründig, denn verschiedene Veränderungen waren damals im Gang. So wurde die Verlagsgruppe Lousanna (heute Edipresse) gegründet, die in der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts die Presse der französischen Schweiz dominieren sollte und ihren Aufschwung einer engen Verbindung mit der Publicitas verdankte. Dazu kam die Segmentierung der Leserschaft. Dieser Prozess begann bereits gegen Ende des 19. Jahrhunderts und setzte sich in der Zwischenkriegszeit mit dem Aufkommen einer zielgruppenorientierten und thematisch diversifizierten Presse (Sport, Freizeit, Technik, Kunst) fort. Angesichts der starken Konkurrenz durch die französischen Fachzeitschriften zeigten die Verleger der französischen Schweiz wenig Mut. Im Gestalterischen veränderte die häufigere Verwendung von Fotografien das Erscheinungsbild der Tageszeitungen und begünstigte den Erfolg der neuen Gattung des Wochenblatts. Während Zeitschriften wie L'Illustré, L'Abeille, L'Echo illustré oder Pour Tous vor allem ein Frauen- oder Familienpublikum ansprachen, imitierten Curieux, dann Servir die grossen politisch-kulturellen Vorbilder aus dem Frankreich der 1930er Jahre. Hingegen verpasste die französische Schweiz in den 1950er und 1960er Jahren den Anschluss bei den Nachrichtenmagazinen. Gleichzeitig verlor die Meinungspresse trotz einer kurzen Erholung in den durch politische Kämpfe geprägten 1930er Jahren ständig Leser an die Nachrichtenpresse.

In den 1970er Jahren begann ein Schrumpfungsprozess der Zeitungstitel, der zum Teil auf die Umverteilung der Werbeeinnahmen, zum Teil auf die schwierige Erneuerung des Produktionsapparats in Zeiten schneller technischer Entwicklung zurückzuführen ist. In den 1980er Jahren ermöglichte eine kurze Schonfrist das Erscheinen von L'Hebdo und Bilan. Viele Lokalzeitungen gingen aber ein oder mussten fusionieren. Bei der kantonalen Parteipresse führte das Verschwinden (Le Peuple/La Sentinelle 1971, La Sentinelle) oder die Marginalisierung der Meinungspresse (Nouvelle Revue de Lausanne, Le Courrier) zu Quasi-Monopolen: im Kanton Waadt des Feuille d'Avis de Lausanne, das zu Vingt-quatre Heures wurde, in Freiburg der Liberté, im Wallis des Nouvelliste et feuille d'Avis du Valais, im Jura des Quotidien jurassien oder in Genf der Tribune de Genève. In Neuenburg hielten sich L'Impartial und L'Express lange, bevor sie sich 1999 zusammenschlossen. Im Bereich der kantonsübergreifenden Presse setzte sich das Journal de Genève gegen die Gazette de Lausanne durch, musste aber ab 1991 dem Le Nouveau Quotidien die Stirne bieten. 1998 ersetzte Le Temps die beiden defizitären Blätter. Die Tribune de Lausanne, die ab 1984 Le Matin hiess, gewann ihrerseits den Kampf gegen La Suisse und wurde 1994 die einzige überkantonale Boulevardzeitung der französischen Schweiz.

Plakat für eine Werbekampagne der Zeitung 24 Heures, gestaltet vom Studio Pérusset in Lausanne, 1972 (Schweizerische Nationalbibliothek, Bern.
Plakat für eine Werbekampagne der Zeitung 24 Heures, gestaltet vom Studio Pérusset in Lausanne, 1972 (Schweizerische Nationalbibliothek, Bern.

Diese Umschichtungen bestätigten die Vorherrschaft der Lausanner Verlagsgruppe Edipresse, die nach der Ausschaltung ihres Hauptkonkurrenten, der Genfer Sonor SA, zu Beginn des 21. Jahrhunderts mehrere Zeitungstitel der französischen Schweiz ganz oder teilweise besass. 2001 erregte der Aufkauf von L'Impartial/L'Express durch die französische Verlagsgruppe Hersant die öffentliche Meinung. 2005 lancierte Edipresse die Gratis-Pendlerzeitung Le Matin bleu, die die von der Zürcher Tamedia herausgegebene Pendlerzeitung 20 Minuten aus dem Markt drängen sollte. Die kostspielige Operation brachte vor allem den eigenen Titel Le Matin in Schwierigkeiten. 2009 eröffnete der Aufkauf von Edipresse durch die Tamedia eine neue Etappe im Konzentrationsprozess der Schweizer Presse.

Italienische Schweiz

Die erste Zeitung der italienischen Schweiz war die Wochenzeitschrift Nuove di diverse corti e paesi. Sie wurde von der Druckerei Agnelli herausgegeben und erschien 1746-1799 in Lugano. Aufgrund französischer Pressionen erlitt die Tessiner Presse in der napoleonischen Ära einen Rückschlag: Der Telegrafo delle Alpi, der Napoleon ein Dorn im Auge war, wurde 1806 verboten.

Nachdem in der ersten Zeit der Restauration die Presse noch stark gegängelt war und 1821 die Gazetta di Lugano unterdrückt wurde, kam gegen deren Ende eine liberale Meinungspresse auf. Sie wandte sich vorab an ein Tessiner Publikum und behandelte Themen der kantonalen Politik. In der Diskussion um die Verfassungsreform von 1830 spielte zunächst der Corriere svizzero, dann aber vor allem sein Nachfolgeorgan, der Osservatore del Ceresio, eine entscheidende Rolle. In der Regenerationszeit schossen weitere politische Blätter mit meist geringer Auflage aus dem Boden, die fast immer von Aktionärsvereinigungen getragen wurden. Auch erste gemeinnützige Zeitschriften entstanden, die bald von den Organen der sich in den 1830er Jahren herausbildenden Vereine abgelöst wurden. Ab 1844 veröffentlichte der Staat das Foglio Officiale del Cantone Ticino.

An dieser von der Hegemonie der Radikalliberalen bestimmten Presselandschaft, in der Unternehmen der Konservativen kaum gedeihen konnten, änderte sich auch mit der Bundesverfassung (BV) von 1848 nichts. Die 1821 gegründete Gazzetta Ticinese, war 1850 die erste Tessiner Tageszeitung. Darauf entstanden in den anderen Tessiner Zentren, vor allem in Bellinzona und Locarno, Periodika verschiedenster Art, auch wenn Lugano Zentrum der kantonalen Zeitungspresse blieb. In Italienischbünden wurde 1852 das Wochenblatt Il Grigione Italiano gegründet; diesem folgten unter anderem 1894 Il San Bernardino sowie 1926 La voce della Rezia (ab 1948 La voce delle valli), die aus der Fusion zweier früherer Zeitungen hervorgegangen war.

Den Reigen der offiziellen Parteiorgane eröffnete 1878 die dreimal wöchentlich erscheinende liberale Zeitung Il Dovere. Mit der Einführung der Proporzwahl 1890 und der allmählichen Herausbildung einer Mehrparteienherrschaft entstanden weitere Parteizeitungen, so 1891 die Luganeser Tageszeitung Corriere del Ticino, 1901 die konservative Tageszeitung Popolo e libertà sowie die Organe der sozialistischen Partei L'Aurora 1901 und Libera Stampa 1913. Zur selben Zeit erlebte vor allem dank der Mitarbeit italienischer Immigranten auch die Gewerkschaftspresse einen Aufschwung.

In der Zwischenkriegszeit setzte sich die Zersplitterung der kantonalen Parteien- und Zeitungslandschaft fort. Eigene Parteizeitungen publizierten unter anderem ab 1922 die Tessiner Bauernpartei, ab 1925 die kommunistische Partei, ab 1933 die Lega nazionale ticinese und die Federazione fascista ticinese. 1926 gründete die apostolische Administration des Kantons Tessin in Lugano den Giornale del Popolo, mit dem die Zahl der Tessiner Tageszeitungen auf sechs anwuchs. Die wahrscheinlich verbreitetste Zeitschrift war das 1903 gegründete katholische Wochenblatt La famiglia; 1931 folgte die Illustrierte L'Illustrazione ticinese. 1935 verboten die eidgenössischen Behörden die des Irredentismus angeklagte Zeitschrift L'Adula.

Plakat für eine Werbekampagne des Corriere del Ticino, 2003 (Schweizerische Nationalbibliothek, Bern).
Plakat für eine Werbekampagne des Corriere del Ticino, 2003 (Schweizerische Nationalbibliothek, Bern).

Das Wirtschaftswachstum der Nachkriegszeit führte zunächst zu einer Konsolidierung der sechs Tessiner Tageszeitungen. Die 1987 entstandene siebte Tageszeitung Il Quotidiano ging schon zwei Jahre später wieder ein. Mit der Krise der historischen Parteien zu Beginn der 1990er Jahre setzte auch die Krise der Parteipresse ein: 1992 stellte Libera Stampa ihr Erscheinen ein, Popolo e Libertà wurde zur Wochenzeitung, während Il Dovere mit dem Eco di Locarno zusammenspannte und die Tageszeitung La Regione ins Leben rief. Die Gazzetta ticinese wurde 1996 eingestellt und der Giornale del Popolo überlebte 2004 nur dank der Finanzhilfe der Verlagsgesellschaft des Corriere del Ticino. Erfolgreich hingegen war zur gleichen Zeit die Wochenzeitung Il Mattino della Domenica (1990), die erste Gratissonntagszeitung der Schweiz. Ihr folgte 1998 die unter anderem vom Ringier-Konzern herausgegebene Zeitung Il Caffè, die Anliegen der Lega dei Ticinesi vertrat. Zu Beginn des 21. Jahrhunderts ist die Tessiner Presselandschaft auf drei Titel zusammengeschmolzen und wird vom Corriere del Ticino dominiert.

Rätoromanische Schweiz

Pressefotografen in Genf anlässlich der Viererkonferenz, 19. Juli 1955. Fotografie von Peter Studer © Walter Studer, Bern.
Pressefotografen in Genf anlässlich der Viererkonferenz, 19. Juli 1955. Fotografie von Peter Studer © Walter Studer, Bern. […]

Als erste rätoromanische Zeitung erschien um 1700-1724 die Gazetta ordinaria da Scuol. Die eigentliche rätoromanische Presse entstand im 19. Jahrhundert als regionale Gesinnungspresse und war aufgrund der fünf schriftsprachlichen Idiome und der konfessionellen Durchmischung sehr vielfältig. Allen gemeinsam war das grosse Engagement für die rätoromanische Sprache und die regionale Kultur. Die meisten waren sehr kurzlebig und erschienen höchstens ein- bis zweimal die Woche. Die wichtigsten der total 14 Engadiner Blätter, der in Puter erscheinende Fögl d'Engiadina (ab 1857) und die in Vallader publizierte Gazetta Ladina (ab 1922) vertraten ein gemässigt liberales Programm. 1940 fusionierten sie zum Fögl Ladin. Als Folge der konfessionellen und parteipolitischen Gemengelage wies das Rheingebiet eine sehr kämpferische Presse auf. Der katholisch-liberale Grischun Romontsch war am Rhein die Pionierzeitung (1836). Von seinen 15 Nachfolgern überlebte nur die ab 1857 erschienene katholisch-konservative Gasetta Romontscha (später Nova Gasetta Romontscha) die Wende zum 20. Jahrhundert. Sie repräsentierte bis 1996 die katholische Surselva, die Pagina da Surmeir ab 1945 Katholisch-Mittelbünden, während die Casa paterna (1920-1996) und La Pùnt (1951-1996) sich an die Reformierten am Vorder- respektive Hinterrhein richteten.

Werbeplakat für die Schweizer Illustrierte, 1974 (Museum für Gestaltung Zürich, Plakatsammlung, Zürcher Hochschule der Künste).
Werbeplakat für die Schweizer Illustrierte, 1974 (Museum für Gestaltung Zürich, Plakatsammlung, Zürcher Hochschule der Künste).

Die rätoromanische Presse ging den Parteigründungen voraus und trug die Parteien mit. Deren Rivalitäten haben umgekehrt die vielfältige, aber auflagenschwache Presse erhalten. Während Jahrzehnten hat sie (zusammen mit den Kalendern) die Bauern sprachlich-kulturell gebildet, politisch gesteuert und religiös erzogen. Die bisher einzige rätoromanische Tageszeitung, La Quotidiana, hat seit ihrem ersten Erscheinen 1997 die gesamte rätoromanische Presse aufgesogen oder integriert – mit Ausnahme der Pagina da Surmeir und der Engadiner Post/Posta ladina.

Quellen und Literatur

Schweiz allgemein
  • Blaser, Bibl.
  • R. Ruffieux, «La presse politique durant la première moitié du XIXe siècle», in Fs. Gottfried Boesch, 1980, 231-244
  • E. Bollinger, La presse suisse, les faits, les opinions, 1986
  • E. Bollinger, «Das Schweizer Zeitungswesen in der ersten Hälfte des 19. Jh.», in 1848: Drehscheibe Schweiz, hg. von P. Kaenel, 1998, 25-41
  • H. Maiti, E. Erne, Index der deutsch- und lateinsprachigen Schweizer Zs. von den Anfängen bis 1750, 1998
  • R. Blum, «Medienstrukturen der Schweiz», in Öffentl. Kommunikation, hg. von G. Bentele, 2003, 366-381
  • H. Bonfadelli et al., Medienkonzentration Schweiz, 2006
  • Pressevielfalt Schweiz, 2007
  • Photo de presse, hg. von G. Haver, 2009
Deutsche Schweiz
  • J. Messerli, J. Mathieu, «Unterhaltungs- und Belehrungsblätter in der dt. Schweiz 1850-1900», in SZG 42, 1992, 173-192
  • Widerspruch, 1994, Nr. 28
  • C. Guggenbühl, Zensur und Pressefreiheit, 1996
  • A. Würgler, «Polit. Öffentlichkeit in der Schweiz im 18. Jh.», in SZG 46, 1996, 26-42
  • G. Hagelweide, Lit. zur deutschsprachigen Presse 8, 1997, 132-321 (mit Bibl. bis 1970)
  • M. Haas, Die geschenkte Ztg., 2005, 120-215
  • P. Meier, T. Häussler, Zwischen Masse, Markt und Macht, 2010
Französische Schweiz
  • J.M. Imhof, Die Bildung regionaler Pressemonopole untersucht an der Entwicklung im Kt. Wallis, 1971
  • J.-P. Chenaux, La presse d'opinion en Suisse romande ou la bataille des idées, 1986
  • J.-P. Chuard, Des journaux et des hommes, 1993
Italienische Schweiz
  • Testimonianze di 70 anni, hg. von P. Genasci, A. Bernasconi, 1986
  • Una storia, un giornale, un popolo, hg. von M. Bernasconi, 2002
  • M. Agliati, La storia del "Corriere del Ticino", 2 Bde., 2003
  • F. Mena, Stamperie ai margini d'Italia, 2003
Rätoromanische Schweiz
  • A.M. Cantieni, Gesch. der rätorom. Presse in Graubünden, 1984
  • G. Deplazes, Funtaunas 3, 1990, 16-35 (mit Bibl.)
Von der Redaktion ergänzt
  • Clavien, Alain: La presse romande, 2017.
Weblinks

Zitiervorschlag

Alain Clavien; Adrian Scherrer; Fabrizio Mena; Adolf Collenberg: "Presse", in: Historisches Lexikon der Schweiz (HLS), Version vom 10.04.2015. Online: https://hls-dhs-dss.ch/de/articles/010464/2015-04-10/, konsultiert am 19.03.2024.