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NiklausZurkinden

31.10.1506 Bern, 20.9.1588 Bern, von Bern. Diplomat und Verwaltungsmann im bernischen Staatsdienst, Generalkommissär des Waadtlandes, Stadtschreiber und Ratsherr.

Brief von Niklaus Zurkinden an Sebastian Castellio vom 1. Februar 1558, 16 x 22 cm (Universitätsbibliothek Basel, Kirchenarchiv, Mscr. 18b, Fol. 279).
Brief von Niklaus Zurkinden an Sebastian Castellio vom 1. Februar 1558, 16 x 22 cm (Universitätsbibliothek Basel, Kirchenarchiv, Mscr. 18b, Fol. 279). […]

Niklaus Zurkinden war ein illegitimer Sohn des früh verstorbenen Ratsherrn Niklaus Zurkinden, der das Kind testamentarisch in die Obhut des befreundeten Stadtschreibers Niklaus Schaller gab. Dieser liess Zurkinden eine umfassende Bildung zuteil werden und wies ihn in eine Ratskarriere ein. Zurkinden war mit Appolonia Vogt, Elsbeth Hugi (1532) und Elsbeth Hab (1536) verheiratet; insgesamt hatte er sechs Söhne, denen er seinerseits die für eine politische Laufbahn notwendige mehrsprachige und rechtskundliche Ausbildung vermittelte, und vier Töchter.

1528 kam Notar und Gerichtsschreiber Zurkinden in den Grossen Rat. 1532-1534 verzeichnete er als Amtmann in der von Bern 1528 säkularisierten Deutschordenskommende Sumiswald den Ordensbesitz sowie die Grund-, Gerichts- und Zehntrechte. Nach der Einnahme der Waadt wirkte Zurkinden ab 1537 als erster Gouverneur der säkularisierten Abtei Bonmont. Ab 1544 fasste er als Vogt weltliche und kirchliche Herrschaftsrechte der savoyischen Herrschaft Nyon im neu geschaffenen bernischen Amt Nyon zusammen und konsolidierte dessen Verwaltung. Zurkinden war 1547 Deutschseckelschreiber, 1551 Welschseckelmeister und 1561-1565 Stadtschreiber. Als Diplomat vertrat er nun Bern an den Verhandlungen mit dem Herzog von Savoyen: Im Lausanner Vertrag von 1564 und im Vertrag von Thonon von 1569 verzichtete Bern auf das Südufer des Genfersees zugunsten Savoyens, das im Gegenzug die Waadt aufgab.

1565-1572 amtierte Zurkinden als Generalkommissär der Waadt. Unter ihm wurde der grosse Kirchenbesitz mit Rechten, Einkünften und grundherrschaftlichen Diensten in Urbaren verzeichnet; allein in der Landvogtei Yverdon waren es deren 31 (1569/1570). Zurkinden war auch für die Erarbeitung des geheimen militärischen Rekrutierungssystems zur Verteidigung der Waadt verantwortlich. Dieses Truppenaufgebots-Netz benützte Marschzeiten zur Distanzmessung zwischen Orten; Bern hatte es im 14. Jahrhundert aufgebaut und jeder Gebietserweiterung folgend angepasst. Neu dagegen war die auf Strassen fokussierte kartografische Darstellung, so etwa für die Vogtei Romainmôtier. 

Fragment eines von Niklaus Zurkinden in französischer Sprache aufbereiteten Berner Katechismus für die Jugend, gedruckt 1551 in Bern bei Matthias Apiarius (Staatsarchiv Bern, Preziosa, Bernische Agenden und Katechismen aus dem 16. Jahrhundert, Nr. 5).
Fragment eines von Niklaus Zurkinden in französischer Sprache aufbereiteten Berner Katechismus für die Jugend, gedruckt 1551 in Bern bei Matthias Apiarius (Staatsarchiv Bern, Preziosa, Bernische Agenden und Katechismen aus dem 16. Jahrhundert, Nr. 5).

Zurkinden strebte mit Landesbeschreibungen nach einer Perfektionierung der Staatsverwaltung. Er verfasste die zweibändige, handschriftliche Chorographia, eine historisch-geografische Beschreibung der staatlichen Verwaltungsämter, der Privatherrschaften, Landstädte, Kirchgemeinden und Siedlungen, in der dargestellt wird, wie diese an Bern kamen und welche Rolle sie im Berner Rekrutierungsnetz spielten. Neu sollte es auch eine Landesbeschreibung in Form einer Karte geben. Deshalb initiierte Zurkinden – zusammen mit dem Basler Verleger Adelberg Sauracker – die Anfertigung der Karte des bernischen Staatsgebiets von 1578, welche die bisherige Forschung Thomas Schöpf zuschreibt. Die Karte verzeichnet Siedlungen, Fliessgewässer, Seen, Berge, Hügel und Wälder, nicht aber die Verkehrswege. Zurkinden war nicht nur die treibende Kraft hinter diesem grossen editorischen Vorhaben. Karte und Chorographie zeugen mit oft bibelnahen Texten in Latein, Französisch und Deutsch von seiner Eloquenz sowie von seinem grossen geografischen und historischen Wissen über den Berner Staat, das er sich dank des Zugangs zum bernischen Archiv aus Chroniken und Verwaltungakten und der Landesverteidigung erworben hatte. Für die Erarbeitung der Karte stellte er die Distanzangaben zwischen den verschiedenen Orten des Staatsgebiets zur Verfügung.

Theologisch versiert und sprachbegabt, trug Zurkinden durch seine französischen Übersetzungen der Berner Liturgie und des Berner Katechismus sowie juristischer Texte zum Aufbau der reformierten Kirche der Waadt bei. Diese Texte wurden in Bern bei Mathias Apiarius gedruckt. In den konfessionellen Konflikten seiner Zeit trat Zurkinden für Frieden und Einheit der Kirche ein. Er stellte Duldung auf der Grundlage christlicher Humanität über dogmatische Orthodoxie. Mit Johannes Calvin war er trotz Vorbehalten im Fall des zum Feuertod verurteilten Michel Servet und der Frage der Prädestination befreundet. Mit Sebastian Castellio warb er für Toleranz gegenüber religiösen Nonkonformisten. Er begegnete katholischen Mitchristen mit Achtung und lehnte Gewalt als Mittel gegen religiöse Devianz ab.

Zurkinden, im besten Sinn ein vir pius et eruditus, starb 1588 hochbetagt im 82. Lebensjahr. Den Auftrag zur Fortsetzung von Valerius Anshelms Berner Chronik konnte er nicht mehr ausführen. Sein umfangreicher Briefwechsel mit Zeitgenossen, der in den Nachlässen der jeweiligen Adressaten überliefert ist, zeichnet sich durch seinen hohen Quellenwert aus.

Quellen und Literatur

Weblinks
Normdateien
GND

Zitiervorschlag

Rudolf Dellsperger; Anne-Marie Dubler: "Zurkinden, Niklaus", in: Historisches Lexikon der Schweiz (HLS), Version vom 02.11.2021. Online: https://hls-dhs-dss.ch/de/articles/010940/2021-11-02/, konsultiert am 21.05.2025.