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Mäzenatentum

Abgeleitet vom Namen des römischen Adligen Gaius Maecenas (um 70-8 v. Chr.), der Schriftstellern durch materielle Unterstützung ein freies künstlerisches Schaffen ermöglichte, steht Mäzenatentum als Bezeichnung für eine meist finanzielle Förderung im kulturellen Bereich ohne direkte Gegenleistung. Es erstreckt sich auf die Künste, die Wissenschaften, den Sport und die Volksunterhaltung. Vom religiös motivierten Stiftertum, das bis weit in die frühe Neuzeit die künstlerisch-kulturelle Entwicklung in der Schweiz prägte, unterscheidet sich das Mäzenatentum durch seinen profanen Charakter. Problematisch hingegen ist eine klare Trennung zwischen Mäzenatentum und der weltlichen Auftragskunst (Kunstpatronage) sowie der Sammeltätigkeit. Die Vergabe von Aufträgen, etwa in der Architektur oder der Malerei, kann auch zur Förderung von Künstlern und im Idealfall auch zu einer kulturellen Bereicherung der Öffentlichkeit führen. Sie ist aber nur dann als Mäzenatentum zu bezeichnen, wenn Auftraggeber und Sammler ihre Museumsstiftungen und Sammlungen ohne direkte Gegenleistung der Allgemeinheit zur Verfügung stellen. Terminologisch schwierig einzuordnen ist auch das institutionalisierte Mäzenatentum, bei dem Gesellschaften, Vereine sowie öffentlich-rechtliche und private Stiftungen durch finanzielle Zuwendungen (Stipendien, Werkbeiträge) kulturelles Schaffen ermöglichen oder für das kulturelle Gemeinwohl dienliche Ankäufe und Schenkungen tätigen (Kulturstiftungen, Kunstpreise, Kunstvereine, Pro Helvetia, Schweizerischer Nationalfonds). Hier lässt sich Mäzenatentum nicht immer klar von der zweckorientierten staatlichen Kulturpolitik oder vom privatwirtschaftlichen Sponsoring abgrenzen. Letzteres unterscheidet sich vom Mäzenatentum dadurch, dass mit dem Engagement ein vertraglich abgesicherter geschäftlicher Nutzen (z.B. Namensverwendung, Werbeauftritt) verbunden ist.

Frühe Neuzeit

Die im Auftrag der Familie Manesse in Zürich zwischen 1305 und 1340 angelegte Handschrift mit Werken und Porträts von zum Teil befreundeten Minnesängern (Manessische Handschrift) war ursprünglich ebensowenig für die Allgemeinheit bestimmt wie die von der Basler Gelehrtenfamilie Amerbach über drei Generationen im 15. und 16. Jahrhundert zusammengetragene Sammlung von Gemälden, Grafiken, Münzen und anderen Raritäten. Das persönliche Engagement dieser Sammler für das Zustandekommen und den Erhalt kostbarer Werke, ihr vertrauter Umgang mit Künstlern (z.B. von Bonifacius Amerbach mit Hans Holbein dem Jüngeren) sowie der Umstand, dass ihr Kunst-Kabinett 1661 in städtischen Besitz überging und von 1671 an als erstes bürgerliches Museum Europas zugänglich war, hebt sie gleichwohl in den Rang früher Schweizer Mäzene.

Viele der im 16. und 17. Jahrhundert sowohl in katholischen wie reformierten Orten aufgebauten Kunst- und Naturaliensammlungen gingen aber verloren, weil ihre Besitzer eine Weitergabe an das Gemeinwesen nicht in Betracht zogen oder weil sich die Räte nicht für den Erhalt der Sammlung interessierten, so in Zürich die aufgelösten Kunstsammlungen des Malers Hans Asper und des Ratsherrn Hans Georg Werdmüller oder das Naturalienkabinett Konrad Gessners. Nicht zuletzt zur Vermeidung solcher Verluste erfolgte die Gründung von Bürgerbibliotheken mit angegliederten Kunstkammern, etwa die Bücherei und Sammlung der 1629 gegründeten Bibliotheksgesellschaft Zürich, die Bibliothek des 1559 gegründeten Collège in Genf und die Kunstkammer der Berner Burgerbibliothek. Ziel dieser von Donatoren und Mäzenen bestückten und finanzierten Einrichtungen war der Betrieb einer öffentlichen Bibliothek, die Förderung der Wissenschaften und die Ausstellung von Kunstobjekten.

18. und 19. Jahrhundert

Neben der zunehmenden privaten, beim Patriziat und beim Klerus verbreiteten Auftrags- und Sammlertätigkeit (z.B. in der Porträtmalerei) etablierte sich im 18. Jahrhundert die mäzenatische Unterstützung von Kulturschaffenden durch die Ausrichtung von staatlichen Ausbildungs- und Reisestipendien. Solche Zuschüsse vergaben zum Beispiel Bern und Luzern. Generell blieb die Kulturförderung jedoch der Initiative von Privatpersonen oder den neu entstandenen Kunst- und Künstlervereinen überlassen. Diese Kreise veranstalteten Ende des 18. Jahrhunderts nicht nur die ersten öffentlichen Ausstellungen, sondern leiteten auch die ersten Museumsgründungen in der Schweiz ein und ermöglichten durch Legate deren Bau, so etwa die Schwestern Rath in Genf (1826), der Maler Marc-Louis Arlaud in Lausanne (1841), der Architekt Gottlieb Hebler in Bern (1875), Gustave Revilliod (1876) und Charles Galland (1901) in Genf. 1891 vermachte Vincenzo Vela sein Haus mit Atelier in Ligornetto dem Bund testamentarisch als Museum.

Die Unterstützung der Museen bildete fortan das unbestrittene Hauptziel des Mäzenatentums in der Schweiz. Neben Sachlegaten durch Sammler und Künstler, zum Beispiel Sammlung Antonio Caccia in Lugano (1891), erfuhren die Museen auch finanzielle Zuwendungen zum Ausbau ihrer Bestände. Dabei traten im Zuge der gesellschaftlichen Umwälzungen ab Mitte des 19. Jahrhunderts immer mehr Grossindustrielle als Förderer der Museen auf und füllten die Lücken, die entstanden waren, weil es in der Schweiz nie ein grossaristokratisches Mäzenatentum gab. Das grösste Legat dieser Art war die Schenkung Lydia Welti-Eschers, deren gesamtes Vermögen 1890 an die Eidgenossenschaft ging und in die Gottfried Keller-Stiftung umgewandelt wurde.

20. Jahrhundert

Schwerpunkt des Mäzenatentums blieb auch im 20. Jahrhundert die Förderung der Museen durch Legate oder Leihgaben. Oft war es dem Pioniergeist privater Mäzene zu verdanken, dass früh gesammelte avantgardistische Kunst ihren Weg in die öffentlichen Sammlungen fand. Einzigartige Kollektionen wie die Sammlung Oskar Reinhart in Winterthur wurden der Eidgenossenschaft überschrieben, zahlreiche Privatsammlungen von hoher Qualität wie zum Beispiel die von Barbier-Mueller in Genf, Brown in Baden, Bührle in Zürich, Dübi-Müller in Solothurn, Häuptli in Aarau, Hahnloser in Winterthur, Georges Keller in Bern, La Roche in Basel, Rosengart in Luzern, Rupf in Bern, Sturzenegger in St. Gallen, von der Heydt in Ascona, Züst in Rancate oder die «Collection de l'art brut» des Malers Jean Dubuffet in Lausanne wurden der Öffentlichkeit zugänglich gemacht oder gingen in kommunalen oder kantonalen Besitz über. Daneben unterstützten zahlreiche Mäzene Museen oder initiierten Neugründungen wie die Fondation Beyeler in Riehen, die Fondation Gianadda in Martigny, die Emanuel Hoffmann-Stiftung in Basel und das von der Maurice E. and Martha Müller Foundation mitgetragene Zentrum Paul Klee in Bern.

Paul Sacher vor Partituren in der von ihm gegründeten Stiftung in Basel. Fotografie, April 1986 © KEYSTONE.
Paul Sacher vor Partituren in der von ihm gegründeten Stiftung in Basel. Fotografie, April 1986 © KEYSTONE. […]

Das Mäzenatentum der Musik, der Literatur und des Theaters bleibt in der Schweiz weit hinter demjenigen der bildenden Künste zurück. Als Mäzene der klassischen Musik verdient machten sich zum Beispiel Otto Wesendonck als Mäzen von Richard Wagner in Zürich, der Basler Paul Sacher und der Winterthurer Werner Reinhart als Förderer von Orchestern sowie dessen Bruder als Stifter der wichtigsten Theaterauszeichnung der Schweiz, des seit 1957 verliehenen Hans-Reinhart-Rings. Privates Mäzenatentum der Literatur äussert sich nach wie vor hauptsächlich in öffentlich zugänglichen Sammlungen wie der Bibliotheca Bodmeriana in Cologny oder der Bibliothek Werner Oechslin in Einsiedeln. Neben der staatlichen und privaten Kulturförderung spielt das wirtschaftlich ausgerichtete Sponsoring bei der Förderung der Künste (Ausstellungen, Musik, Theater und Tanz), der Wissenschaften (Lehrstuhlsponsoring) und besonders des publikumswirksamen Sports zunehmend eine Rolle.

Quellen und Literatur

  • F. Deuchler, «Sammler, Slg. und Museen», in Museen der Schweiz, hg. von N. Flüeler, 1981, 8-37
  • AH 1-13, v.a. Bd. 2, 91-119
  • Der Bund fördert, der Bund sammelt, 1988
  • N. Herger, Private Kunstförderung, 1996
  • Die Kunst zu sammeln, 1998
  • J. Jung, Das imaginäre Museum, 1998
  • L'encouragement au mécénat en matière culturelle, hg. von Q. Byrne-Sutton et al., 1998
  • Das Kunstschaffen in der Schweiz 1848-2006, 2006
Weblinks

Zitiervorschlag

Matthias Oberli: "Mäzenatentum", in: Historisches Lexikon der Schweiz (HLS), Version vom 29.10.2009. Online: https://hls-dhs-dss.ch/de/articles/010992/2009-10-29/, konsultiert am 06.04.2024.