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Kunsthandel

Im 18. Jahrhundert waren die ersten Kunsthändler in der Schweiz selbst Künstler oder Sammler. 1767 eröffnete der Kupferstecher Christian von Mechel in Basel eine Kunsthandlung nach dem Vorbild der Galerien, die er in Paris und Rom besucht hatte. Diese zog bald Kunstliebhaber aus ganz Europa an, von Mechel musste jedoch nach dem Zusammenbruch des Ancien Régime den Betrieb 1806-1808 liquidieren. 1792 eröffnete der Medailleur Johann-Friedrich Huber in Basel die Galerie Falkeisen-Huber. 1815 schloss er sich mit dem Landschaftsmaler Peter Birmann zusammen, der seit der Französischen Revolution ebenfalls im Kunsthandel tätig war. 1830 wurde das Unternehmen aufgelöst. In Genf verkaufte der Porträtmaler Jean-Etienne Liotard, der keine eigene Galerie besass, in ganz Europa eigene Werke sowie holländische und flämische Gemälde aus seiner Sammlung. Einen Teil seiner Pastellbilder stellte er zusammen mit Ölgemälden aus seiner Sammlung 1771 in Paris sowie 1773 in London aus und liess sie 1774 bei Christie's in London versteigern. Zu den Ersten, die sich gleichzeitig als Händler und Sammler betätigten, gehörte auch der Genfer Bankier François Tronchin. Er verkaufte 1770 seine holländischen und flämischen Gemälde an Zarin Katharina II. 1801 brachte er in Paris seine von ihm zusammengetragene Sammlung alter Meister zur Versteigerung. Seinem Beispiel folgte in etwas bescheidenerem Mass der Berner Franz Sigmund Wagner.

Die Geschichte des Kunsthandels im 19. Jahrhundert ist noch nicht eingehend erforscht. Die Versteigerung eines Teils des Basler Münsterschatzes 1836, die Liquidation der Güter der 1841-1848 säkularisierten Klöster sowie der zur gleichen Zeit erfolgte, diskretere Verkauf von Glasfenstern, kolorierten Handschriften, Möbeln, Goldschmiedearbeiten, alten Stoffen, Skulpturen und Gemälden aus dem Besitz von Schweizer Familien, Gemeinden oder Klöstern lockten europäische Sammler an. Ende des 19. Jahrhunderts gab es in der Schweiz eine Reihe bedeutender Antiquitätenhändler: Bosshard, Leemann-Bollag und Troxler in Luzern, Geering und Lang in Basel, Gubler in Zürich, Picard und Dreyfuss in Genf. Soweit die Künstler ihre Werke nicht direkt an Kunstliebhaber verkaufen konnten, gelangten sie an Händler, die auf diesen Markt spezialisiert waren. Eigentliche Künstlervereine organisierten nach dem Beispiel der 1789 in Genf eingeführten Verkaufsausstellungen in den grösseren Städten Ausstellungen, die auf eine örtliche Kundschaft ausgerichtet und häufig mit Lotterien kombiniert waren. Die grösste Veranstaltung auf nationaler Ebene war die jährlich stattfindende Wanderausstellung Turnus. In einigen Städten richteten Künstlervereine ganzjährig geöffnete Verkaufsstellen ein, wie die Mitte des 19. Jahrhunderts in Genf entstandene «Permanente». Die Kunsthallen von Basel (1872) und Bern (1918) dienten ursprünglich demselben Zweck. Andererseits entwickelten sich auch die Verkäufer von Künstlerbedarf allmählich zu Bilderhändlern. Das Haus Appenzeller in Zürich vollzog diesen Wandel im letzten Drittel des 19. Jahrhunderts, gefolgt von weiteren gleichartigen Geschäften und Rahmenateliers, von Druckereien und Buchhandlungen. Unter den Galerien, die sich fast ausschliesslich dem Verkauf «moderner» Bilder aus der Schweiz oder dem Ausland widmeten, sind folgende hervorzuheben: Wolfsberg (1911), Bollag (1912), Tanner (1913) und Neupert (1913) in Zürich, Wyss (1913) in Bern, Dunki (1898), Eggimann (1898), Muriset (1900), Moos (1906, Eröffnung einer grossen Galerie 1918), Ponti (1916), Wyatt (1916) und Kundig (um 1918) in Genf, Vallotton (Niederlassung der Pariser Galerie Bernheim Jeune 1913) in Lausanne.

Im Ersten Weltkrieg fanden ausländische Händler wie Daniel-Henry Kahnweiler Zuflucht in der Schweiz, doch konnten sie ihr Geschäft hier nur eingeschränkt betreiben. Erst in der Zwischenkriegszeit verhalfen die relativ hohe Währungsstabilität und das politische Klima der Schweiz dem Kunsthandel zu einem neuen Aufschwung. 1919 verlegten Gutekunst & Klipstein ihre Galerie von Stuttgart nach Bern. Es entstanden neue, auf zeitgenössische Kunst spezialisierte Galerien wie Coray in Basel (1917) oder Aktuaryus in Zürich (1924). Vom Wachstum der Branche zeugt auch die Gründung des Kunsthandelsverbands der Schweiz (1923), der sich die Bekämpfung zweifelhafter Geschäftspraktiken zur Aufgabe machte. Ende der 1930er Jahre wurde die Schweiz zum Umschlagplatz für «entartete Kunst», die aus deutschen Museen verbannt und von den Nazis verkauft wurde, aber auch für Raubkunst aus jüdischem Besitz. Dazu kamen nach 1940 die in den besetzten Ländern beschlagnahmten Objekte.

Auktion der Galerie Theodor Fischer in Luzern. Fotografie von Hans Staub, 1942 (Fotostiftung Schweiz, Winterthur) © Fotostiftung Schweiz.
Auktion der Galerie Theodor Fischer in Luzern. Fotografie von Hans Staub, 1942 (Fotostiftung Schweiz, Winterthur) © Fotostiftung Schweiz. […]

Nach dem Zweiten Weltkrieg trugen ausländische Händler und Sammler, von denen viele bereits in der Schweiz lebten, zur Stärkung des Kunsthandels bei. Neue Galerien wurden eröffnet, darunter Raeber und Beyeler in Basel, Meissner, Nathan und Feilchenfeld in Zürich, Rosengart in Luzern, Engelberts, Krugier und Cramer in Genf. Ab 1960 folgten zahlreiche Niederlassungen der wichtigsten europäischen und amerikanischen Kunsthandlungen. Die 1959 in Bern gegründete Schweizerische Kunst- und Antiquitätenmesse (später nach Basel verlegt), die auf die Kunst der Moderne und der Gegenwart spezialisierte internationale Kunstmesse Art in Basel (erstmals 1970) und einige regionale Messen boten die Möglichkeit, das Angebot der wichtigsten Kunsthändler regelmässig auszustellen.

Seit 1970 entwickelt sich der Kunsthandel in zwei Richtungen. Zum einen spezialisiert sich der zuweilen sehr diskrete Handel im oberen Preissegment zunehmend auf zeitgenössische Kunst, Archäologie und Bijouterie, wird immer internationaler und konzentriert sich zusehends auf Zürich, Basel und Genf. Zum anderen entstehen in den Städten und auf dem Land in grosser Zahl kleinere Galerien, die fast ausschliesslich mit zeitgenössischer Kunst handeln, Antiquitätengeschäfte mit vielfältigem Angebot und Trödelläden. Viele dieser Geschäfte haben nur kurze Zeit Bestand. Zeitgenössische Schweizer Künstler werden in international tätigen, grossen Galerien kaum berücksichtigt, während kleinere und mittlere Galerien etwas häufiger Schweizer Kunst ausstellen. Einige Galeristen erachten es als Ehrensache, einheimische Künstler tatkräftig zu unterstützen.

Kunstauktion der Galerie Koller in Zürich im November 1964. Plakat von Walter Grieder (Museum für Gestaltung Zürich, Plakatsammlung, Zürcher Hochschule der Künste).
Kunstauktion der Galerie Koller in Zürich im November 1964. Plakat von Walter Grieder (Museum für Gestaltung Zürich, Plakatsammlung, Zürcher Hochschule der Künste).

Auch das Auktionswesen trug wesentlich zur Veränderung des Kunsthandels bei. Öffentliche Versteigerungen gab es schon im 19. Jahrhundert (1810 Nachlass von Mechel in Basel, 1836 Basler Münsterschatz in Liestal). Lange Zeit gelangten die grossen Schweizer Sammlungen jedoch verschiedenenorts im Ausland zur Auktion, nämlich dort, wo sich die bedeutendsten Händler und die grösste Kundschaft zusammenfanden: 1903 wurde die Sammlung Henneberg (Zürich) in München versteigert, 1910 die Sammlung La Roche-Ringwald (Basel) in Berlin, 1913 die Sammlung Günzburger (Genf) in München. Ab 1914 veranstalteten einige Schweizer Kunsthändler regelmässig Auktionen, meist ein- bis zweimal jährlich. Wie in Deutschland, aber anders als in Frankreich und England, fanden diese in Galerien statt, welche im Besitz der zur Versteigerung angebotenen Objekte waren. Zunächst konzentrierten sich die Auktionen auf Zürich (1914 Messikommer, 1920 Kündig, 1925 Bollag, 1937 Laube-Kündig), später folgten Genf (1920 Moos, 1921 Kündig), Luzern (1922 Fischer) und Bern (1924 Gutekunst & Klipstein). Nach dem Zweiten Weltkrieg ging der Handel in Galerien zugunsten der Auktionen zurück. Neben Galerien, die sich vor dem Krieg etabliert hatten, wie Fischer in Luzern, Kornfeld und Klipstein in Bern oder Laube in Zürich (weltweiter Marktführer für Druckgrafik), entstanden neue Unternehmen wie Stucker in Bern (1948), Motte in Genf (1954) und Koller in Zürich (1960). Wenig später eröffneten die Auktionshäuser Christie's und Sotheby's Niederlassungen in Genf und Zürich, was auf das günstige Steuerklima, die Niederlassungsfreiheit und die fehlenden Ausfuhrbeschränkungen zurückzuführen war. Aufgrund dieser Faktoren belegte die Schweiz an der Wende zum 21. Jahrhundert im Kunsthandel den vierten Platz hinter den USA, England und Frankreich. Indes profitiert nicht nur der legale Handel von diesen Vorteilen. Die Schweiz hat den Ruf, eine Drehscheibe des illegalen Kunsthandels zu sein. Sie hat die Unidroit-Konvention über gestohlene oder rechtswidrig ausgeführte Kulturgüter von 1995 noch nicht ratifiziert. 2005 trat jedoch das Bundesgesetz über den internationalen Kulturgütertransfer in Kraft, mit dem die Unesco-Konvention von 1970 zur Ausführung gelangte.

Quellen und Literatur

  • L.H. Wüthrich, Christian von Mechel, 1956
  • G. Reitlinger, The Economics of Taste, 3 Bde., 1961-1970
  • R. Loche, «Catalogue des collections de François Tronchin», in Genava 22, 1974, 1-217
  • D. Bollin, Le marché des arts plastiques, 1976
  • R. Loche, «Jean-Etienne Liotard, peintre et collectionneur-marchand», in Genava 28, 1980, 183-213
  • L. Gloor, Von Böcklin zu Cézanne, 1986
  • G. Kreis, "Entartete" Kunst für Basel, 1990
  • T. Buomberger, Raubkunst - Kunstraub, 1998
  • A.F.G. Raschèr, Kulturgütertransfer und Globalisierung, 2000
  • Veröff. UEK 1
  • Traverse, 2002, H. 1
  • P.-A. Jaccard, «Der Kunst- und Kulturgütermarkt in der Schweiz», in Das Kunstschaffen in der Schweiz 1848-2006, 2006, 164-179
Weblinks

Zitiervorschlag

Claude Lapaire: "Kunsthandel", in: Historisches Lexikon der Schweiz (HLS), Version vom 03.03.2010, übersetzt aus dem Französischen. Online: https://hls-dhs-dss.ch/de/articles/010996/2010-03-03/, konsultiert am 28.03.2024.