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Chalet

Titelbild eines 1844 in Bern veröffentlichten Buchs mit Lithografien von Johann Friedrich Wagner (Schweizerische Nationalbibliothek).
Titelbild eines 1844 in Bern veröffentlichten Buchs mit Lithografien von Johann Friedrich Wagner (Schweizerische Nationalbibliothek).

Der aus der Westschweiz stammende Begriff C. bezeichnete ursprünglich ländliche Bauten, die sich in mittleren und hohen Lagen auf urbar gemachtem Land oder auf Weiden befanden. Im Vergleich zum häufigen Vorkommen entsprechender Häuser ist der Begriff weniger verbreitet. Abgeleitet von einer prärom. Grundform (cala, geschützter Ort), fand er über das Werk von Jean-Jacques Rousseau zuerst Eingang in das franz. Sprachgut, dann in die meisten anderen europ. Sprachen. Als während der Aufklärung unter dem Einfluss des Genfer Schriftstellers in den europ. Ländern Begeisterung für die Schweiz aufkam, entwickelte sich das C. zu einem Symbol für eine Gesellschaft, die auf den Werten Einfachheit, Naturverbundenheit, Freiheit und Demokratie beruhte. Das C. wurde zum Schweizer Haus schlechthin. Mit dem idealist. Streben nach der ursprüngl. Form reduzierte sich die Vielfalt an Konstruktionen in den Alpen und Voralpen mehrheitlich auf den Typus aus Holzbalken. Häufig reich verziert, galt dieser als die reinste Bauart. Zu Beginn zierten C.s in diesem Stil die Gärten der aristokrat. Residenzen Europas, später waren sie auch in Kur- und Villenvororten anzutreffen, wo sie mitunter neben Holzbauten anderer Traditionen (ottomanisch, fernöstlich) errichtet wurden. Gegen Ende des 18. Jh. verschaffte die Theoretisierung des Malerisch-Schönen diesem Architekturstil definitive Wertschätzung. Die lange Tradition des C.s muss von seiner jüngeren Geschichte unterschieden werden, die Ausdruck der architekton. Ethnografie der Aufklärung und der Romantik ist (Karl Friedrich Schinkel, John Ruskin, Eugène Emmanuel Viollet-le-Duc, Ernst Gladbach usw.). In der 2. Hälfte des 19. Jh. kehrte das stereotype Bild des Schweizer C.s als nationales Symbol zurück und erhielt durch die Landesausstellungen bleibende Popularität. Zu dieser Zeit setzte sich der Begriff C. in der Deutschschweiz und im Tessin durch. Der Ausbau des Schienennetzes begünstigte den Grossexport des C.s, das sich aufgrund seiner baulichen Eigenschaften ideal für die halbindustrielle Vorfertigung und den Versand in Einzelteilen eignete (Hersteller waren u.a. Issler in Davos, Kuoni in Chur).

Quellen und Literatur

  • Die Bauernhäuser der Schweiz, 1965-
  • O. Birkner, Bauen und Wohnen in der Schweiz, 1850-1920, 1975
  • J. Gubler, Nationalisme et internationalisme dans l'architecture moderne de la Suisse, 1975 (21988)
  • UKdm 30, 1979, Nr. 4
  • Viollet-le-Duc, Ausstellungskat. Lausanne, 1979
  • INSA 3, 227, 333 f., 362
  • Le chalet dans tous ses états, hg. von S. Desarnaulds, 1999
Weblinks

Zitiervorschlag

Sylvain Malfroy: "Chalet", in: Historisches Lexikon der Schweiz (HLS), Version vom 14.07.2005, übersetzt aus dem Französischen. Online: https://hls-dhs-dss.ch/de/articles/011001/2005-07-14/, konsultiert am 19.03.2024.