Mosaiken sind Wand- oder Fussbodenverkleidungen aus mineralischen Stoffen, die durch die Komposition bunter natürlicher oder künstlicher Steinchen, Marmor, Glaspaste oder Keramik in einem Mörtelbett eine dekorative Wirkung erzielen. Die Fussbodenmosaiken tauchen im 8. Jahrhundert v.Chr. in Kleinasien auf, die Wandmosaiken entstanden wahrscheinlich im 1. Jahrhundert v.Chr. in Rom. In der Schweiz war diese Technik während der Römerzeit weit verbreitet, verschwand dann fast ganz und erlebte im 19. Jahrhundert als dekorative Kunst einen neuen Aufschwung.
Römische Epoche
Das Mosaik aus Steinwürfeln findet in das Gebiet der heutigen Schweiz erst mit der Steinbautechnik und Wohnkultur der Römer Eingang. Die oft stark beschädigten Mosaiken bilden die grösste vom 1. Jahrhundert bis ins späte 3. Jahrhundert reichende Fundgruppe erhaltener Bauelemente. Seit dem 18. Jahrhundert gezeichnet, meist gehoben, werden sie neuerlich – oft im alten Bauverband – zugänglich gemacht (z.B. Neptunmosaik Münsingen).
In der Frühphase (spätes 1. Jh. bis frühes 2. Jh.) wurden Mosaiken als wasserhemmendes Schmuckelement in öffentlichen Thermen (Vindonissa, Augusta Raurica) und in den Baderäumlichkeiten der Gutshöfe verlegt. Solche Bauten wurden aber oft umgestaltet, weshalb aus der Frühzeit am wenigsten Mosaiken erhalten sind. Später ermöglichte der Wirtschaftsaufschwung grösseren Ausstattungsluxus, und die Bauherren und Eigentümer liessen Wohnräume, Korridore, Schwellen, seltener auch Wandsockel und Bassins belegen. Bei Umbauten an Gutshöfen war meist genügend Raum verfügbar, um die alten Mosaiken neben den neuen zu belassen. In Stadthäusern wurden dagegen wegen der Platzknappheit ältere Mosaiken oft durch neue ersetzt.
Im 1. Jahrhundert wurde vor allem lokales Hartgestein in Schwarz- und Weisstönen für Mosaiken verwendet. Das Aufkommen figürlicher Motive führte im Lauf des 2. Jahrhunderts zu Mehrfarbigkeit. Im 3. Jahrhundert ergänzten die Kunsthandwerker das Farbgestein mit Marmor-, Glas- und Ziegelwürfeln. Mosaiken wurden auf eine Vorzeichnung positiv in eine Mörtelschicht gesetzt. Bis ins 2. Jahrhundert herrschten geometrisch gemusterte Schwarzweissteppiche in schlichter Rahmung vor. Eine letzte Phase dieses Stils fällt mit der reichsten Ausgestaltung der städtischen domus und der Herrenhäuser in den Gutshöfen zusammen. Neu erschienen räumlich wirkende Mustermotive (z.B. Würfel) und Nachahmungen von Geweben. Zur Rahmung wurden Skulpturmotive übernommen (z.B. Eierstab), weshalb "Medaillonteppiche" gelegentlich wie Kassettendecken wirken können. In der Westschweiz (Orbe-Boscéaz, Vallon) entstanden jetzt grosse Mosaiken mit Szenen aus Landleben und Mythologie, in denen sich die – verglichen mit der schwächer besiedelten Ostschweiz – umfassendere kulturelle Durchdringung dieser früher romanisierten Region widerspiegelt. Beischriften benennen Meister, Stifter und Entstehungszeit. Werkstätten sind noch nicht bekannt. In der Westschweiz wurden die im benachbarten Rhoneraum gebräuchlichen Vorlagen benutzt. Im Osten wird in der Spätphase der Einfluss des moselländisch-rheinischen Raums sichtbar.
Noch weitgehend der römischen Tradition verpflichtet sind die wenigen Mosaiken, die bis heute in frühchristlichen Gebäuden entdeckt wurden. Neben den Resten des Bodenmosaiks von St. Stefan in Chur sind hier vor allem die mehrfarbigen Mosaiken aus einem Nebenraum der Genfer Kathedrale zu nennen, in denen geometrische mit christlichen Motiven verbunden wurden.
Die Renaissance des Mosaiks in der Neuzeit
Der Aufschwung des Kunsthandwerks und historistische Tendenzen führten im letzten Drittel des 19. Jahrhunderts zu einer ersten Renaissance des Mosaiks in der Schweiz. Im Verbund mit anderen Kunsthandwerken trug es dazu bei, die Gestaltung von Interieurs in öffentlichen Gebäuden moderner Industriestädte, von Einrichtungen des sich allmählich entwickelnden Tourismus und der städtischen, grossbürgerlichen Wohnhäuser zu veredeln. Dem Betrachter sollte die Idee vermittelt werden, dass hier ein antiker Archetypus weiterlebte. Bei den oft sehr weitläufigen Flächen wurden die Ränder und die zentralen Medaillons mit Mosaiken ausgelegt, während bei den übrigen Partien die Terrazzotechnik zur Anwendung kam, bei der ein flüssiger Belag mit zerstossenen Steinen (Marmor, Granit, Quartz, Glas) aufgebracht und nach dem Trocknen poliert wird.
Die moderne Avantgarde des 20. Jahrhunderts und besonders jene der Zwischenkriegszeit versuchte, die verschiedenen Formen architektonischen Schmucks zurückzudrängen. Da die Farbe der verwendeten Steine unverfälscht zu Tage tritt, fand das Mosaik auch in den Augen der Kritiker der Kunst am Bau und der dekorativen Ausgestaltung Gnade. Es wurde nun wie in byzantinischer Zeit nicht mehr bloss als Bodenschmuck verwendet, sondern auch für Wandbilder. Dank Aufträgen für grosse Wandkompositionen – meist von öffentlicher Hand – vermochten viele Künstler die Krise der 1930er Jahre zu überbrücken. Das Mosaik wurde zu einem eigentlichen Massenmedium, wobei in dieser Zeit vor allem realistische Darstellungen der Arbeitswelt und bürgerliche Tugenden bevorzugt wurden. Nach dem Zweiten Weltkrieg trug unter anderem die Wiederbelebung der Sakralkunst zur Erneuerung von Sujets und Anwendungsmöglichkeiten der sich zwischen Malerei und Architektur bewegenden Mosaikkunst bei. Zu den Künstlern, die im 20. Jahrhundert mit der Technik des Mosaiks besonders schöpferisch umgingen, gehören Edmond Bille, Walter Eglin, Hans Erni, Karl Hügin und Madeline Diener.
Quellen und Literatur
- V. von Gonzenbach, Die römischen Mosaiken der Schweiz, 1961 (mit Bibl.)
- Bull. de l'Association internationale pour l'étude de la mosaïque antique 18, 2001, 327-330; 19, 2003, 237 f.; 20, 2005, 219-221, (Verz. der Helvetica nach 1998)
- D. Schmid, Die röm. Mosaiken aus Augst und Kaiseraugst, 1993
- M. Fuchs, Vallon, musée et mosaïques romaines, 2000
- L. Flutsch et al., Die röm. "villa" von Orbe-Boscéaz und ihre Mosaiken, 2001 (franz. 1997)
- S. Delbarre-Bärtschi, Les mosaïques romaines en Suisse: synthèse et complément de l'inventaire de V. von Gonzenbach publié en 1961, Diss. Lausanne, 2007
- O. Birkner, Bauen und Wohnen in der Schweiz 1850-1920, 1975
- C. Bertelli, Les mosaïques, 1989 (ital. 1988)
- F. Pescatore, M. Winzeler, Die kath. Pfarrkirche Liebfrauen in Zürich, 1997
- F. Hoffmann et al., Escaliers, 2006