Bilder, die im klassisch grafischen Vervielfältigungsverfahren durch eine manuell bearbeitete Druckform hergestellt und auf einen zweidimensionalen Träger, meist Papier, gedruckt werden, fasst man unter dem Begriff Druckgrafik zusammen (Buchdruck). Als Reproduktionsgrafik erzeugte die Druckgrafik Abbildungen vorwiegend in belehrender oder kontemplativer Absicht, als Originalgrafik vor allem im 19. und 20. Jahrhundert künstlerische Figurationen. Oft sind entwerfende und ausführende Personen nicht identisch; als Künstler gilt indes der Urheber des Bildentwurfs.
Anfänglich sprach die schweizerische Druckgrafik mit dem Holzschnitt die Sprache der europäischen Kunst. Um 1450 trat sie in Basel, wo 1433 die erste Papiermühle entstanden war, mit der Fertigung von Spielkarten hervor (Kartenspiele). 1465/1466 produzierte Meister Firabet in Rapperswil (SG) das älteste erhaltene, signierte Einzelblatt; auch das gleichzeitig entstandene Blockbuch der Meinradslegende wird ihm zugeschrieben. Im 16. Jahrhundert blieb Basel, wo massgebende Zeichner wie Urs Graf der Ältere, Hans Holbein der Jüngere und Conrad Schnitt wirkten (Zeichnung), ein führendes Produktionszentrum. Monumentalholzschnitte wie Daniel Schweglers «Schlacht bei Dornach» (um 1500) und Johannes Basilius Herolds «Genealogie der Pfälzer» (1556) sind Basler Produkte. Beispiele hervorragender Zürcher Buchillustration sind Johannes Stumpfs «Chronik der Eidgenossenschaft» (1547/1548) und Konrad Gessners «Historia animalium» (1551-1558). Der herkömmliche Linienholzschnitt führte in der populären Druckgrafik ab dem 17. Jahrhundert ein Schattendasein, wies aber mit Johann Jost Hiltensperger in Zug für das 18. Jahrhundert und der Familie Loertscher in Vevey mit ihren Kalenderillustrationen für das 19. Jahrhundert bemerkenswerte Vertreter auf; den Abschluss dieser Entwicklung bildete im gleichen Jahrhundert die Spielkartenfabrikation in Schaffhausen. Ab den 1840er Jahren bis zur Jahrhundertwende deckten zahlreiche xylografische Ateliers den steigenden Bedarf an Reproduktionen im Hochdruck mit kunstfertigen Holzstichen. Im 20. Jahrhundert erlangte der moderne Flächenholzschnitt, der durch Cuno Amiet um 1906 in die schweizerische Druckgrafik eingeführt worden war, mit den expressionistischen Gestaltungen von Ignaz Epper und Albert Müller, den politischen und sozialkritischen von Emil Burki und Emil Zbinden, den virtuosen Blättern von Aldo Patocchi, den Farbillustrationen von Felix Hoffmann sowie den überdimensionalen Arbeiten von Josef Felix Müller und Franz Gertsch wieder das Niveau der Künstlergrafik.
In den Techniken des Tiefdrucks (Kupferstich, Radierung, Aquatinta, Kaltnadel) entwickelte sich die schweizerische Druckgrafik vom späten 16. Jahrhunderts an eigenständig, aber provinziell. Um 1570-1580 traten Jean Perrissin in Genf und Christoph Murer in Zürich als Reisser für den Holzschnitt und als Radierer hervor. Geschaffen wurden überwiegend Radierungen mit Kupferstich, sporadisch und mit Verzögerung ab 1730 das Mezzotinto, ab den 1790er Jahren die Aquatinta. Grafiker vom Format eines Jacques Callot, Rembrandt van Rijn, Giovanni Battista Piranesi oder Francisco Goya, welche in die Sphäre der Originalgrafik vorstiessen, fehlten hierzulande. Die schweizerische Druckgrafik der frühen Neuzeit lässt sich durch ihre handwerkliche Nüchternheit charakterisieren, die sich im besten Fall durch ihre Präzision auszeichnet. Eine inhaltliche Konstante bilden vaterländische Bildthemen, von Christoph Murers «Ursprung der Eidgenossenschaft» (1580) über die «Schlacht von Murten» von Martin Martini (1609) bis zum Schlachtenzyklus von Lorenz Ludwig Midart (1779-1788). Die Tell-Ikonografie wurde jahrhundertelang gepflegt. Ab 1740 gab der Radierer David Herrliberger topografische Werke heraus, die patriotisch ausgerichtet waren. Conrad Meyer, der originellste Grafiker des 17. Jahrhunderts, war Mitbegründer der moralisierenden Zürcher «Neujahrsblätter». Eine singuläre Erscheinung war Salomon Gessner, der als Dichter, Maler, tendenziell originalgrafischer Illustrator und Verleger massvolles Rokoko pflegte. Auf technisch hohem Niveau arbeitete der Kupferstecher Johann Heinrich Lips im klassizistischen Stil der Goethezeit.
Im Ancien Régime existierten für die Herstellung anspruchsvoller Druckgrafik keine Grossbetriebe. So wurden bis auf eine Ausnahme alle rund 60 bekannten barocken Thesenblätter der schweizerischen Klöster und Kollegien in Augsburg angefertigt (1661-1794). Kennzeichnend waren Meister-Schüler-Verhältnisse und familiäre Arbeitsgemeinschaften wie im 18. Jahrhundert Vater und Sohn Johann Ulrich und Johann Rudolf Schellenberg in Winterthur oder die Brüder Abraham, Alexandre, Abram-Louis und Charles Samuel Girardet in Le Locle, im 19. Jahrhundert Gabriel Lory Père und Fils in Bern Neuenburg. Drei Kunstverleger traten mit grösseren Unternehmen hervor: Christian von Mechel in Basel beschäftigte ab 1764 viele Radierer; für Johannes Walser produzierten in Herisau 1792-1809 zahlreiche, von Lory (Père) angeleitete Künstler russische Ansichten; Vater und Sohn Johann Heinrich und Johann Ludwig Bleuler unterhielten in Feuerthalen, Schaffhausen und Laufen ab den 1790er Jahren eine Malerschule, die bis 1873 existierte. Gegen Ende des 18. Jahrhunderts experimentierten Einzelgänger wegweisend mit Halbtontechniken, so Jean-Etienne Liotard um 1780 mit Mezzotinto sowie Henri Courvoisier und Ludwig Hess gegen 1790 bzw. 1800 mit Aquatinta. Diese wurde im 19. Jahrhundert fast ausschliesslich zur Produktion von Veduten eingesetzt; Franz Hegi und Johann Baptist Isenring waren darin hervorragend. In gleicher Funktion wurde ab den 1850er Jahren der Stahlstich verwendet.
In der Geschichte der schweizerischen Druckgrafik sind drei technische Neuerungen zu verzeichnen. Um 1520 erfand Urs Graf der Ältere den im effektvollen Stil der Helldunkel-Zeichnung gehaltenen Weisslinienholzschnitt; zudem erzeugte er auch erste Eisenradierungen. Doch beide Techniken wurden nicht weiterverfolgt. Um 1600 entdeckte Dietrich Meyer der Ältere einen weichen Ätzgrund, der von seinen Söhnen Rudolf und Conrad Meyer, von seinem Schüler Matthaeus Merian und um 1800 auch von Johann Heinrich Füssli in London angewendet, später von Félicien Rops und Pierre-Auguste Renoir als Vernis mou zu toniger Wirkung gebracht wurde. In den frühen 1760er Jahren entwickelte Johann Ludwig Aberli in Bern die arbeitsteilige Methode der handkolorierten Umrissradierung: Nach der Radierung der Umrisslinien wurden die Drucke in Serie von Hilfskräften koloriert. Durch das bildkonstituierende Kolorit wurde die Farbe damit erstmals unter kommerziell günstigen Bedingungen in die Druckgrafik eingeführt. Die vor allem für die Ansichtengrafik bis um 1830 ausgeübte Technik verhalf dem schweizerischen Kunstbetrieb zu einer beispiellosen wirtschaftlichen Blüte. Hauptmeister unter den sogenannten Radierermalern waren neben Aberli seine Mitarbeiter und Nachfolger Heinrich Rieter, Sigmund Freudenberger, Balthasar Anton Dunker und Johann Jakob Biedermann, dessen vier Schweizer Ansichten in Imperialfolio (um 1800) einen Höhepunkt darstellen (Kleinmeister).
Im 19. Jahrhundert übernahm die Lithografie die Reproduktionsaufgaben der Radierung. Aus der Menge der Lithografen ragt besonders der einflussreiche Landschaftsmaler Alexandre Calame hervor. Die zeitkritischen Historienbilder und Karikaturen des politischen Zeichners Martin Disteli wurden durch seinen «Schweizerischen Bilderkalender» (1839-1844) popularisiert. Der Literat Rodolphe Töpffer ersann denkwürdige Prototypen des Comics (1827-1845). Nach der Jahrhundertwende erlebte die Farblithografie durch die Pioniere der schweizerischen Plakatkunst (Plakat) – Henry-Claudius Forestier, Emil Cardinaux, Burkhard Mangold und Otto Baumberger – einen Aufschwung. Später hielten Künstler wie Augusto Giacometti, Otto Morach, Niklaus Stoecklin, Hans Erni und Hans Falk das Niveau.
Die Künstlergrafik des 20. Jahrhunderts bediente sich der alten Techniken, zumal des Tiefdrucks, welche sie auf überraschende Weise wiederbelebte und experimentell erweiterte. Herausragend waren Fritz Pauli mit seinen expressiven Radierungen, Hans Fischer mit skurrilen Steingravuren, Max Hunziker mit sakralisierenden Zink-Aquatintabildern, Bernhard Luginbühl mit eruptiven Kupferstichen, Johannes Gachnang mit formstrengen Radierungen, Albert-Edgar Yersin mit aparten Farbkupferstichen, Dieter Roth, André Thomkins, Markus Raetz und Martin Disler mit subtil vitalisierten Mischtechniken, und Camille Graeser mit konstruktivistischen Serigrafien.
Die schweizerische Druckgrafik hat im Bereich der kartografischen Abbildung Werke von europäischem Rang hervorgebracht: die monumentalen Planveduten von Zürich (1576), Freiburg (1606) und Luzern (1790-1791), die hoch differenzierten Vogelschaukarten des bernischen Staatsgebiets (1577-1578) und der Innerschweiz (1830-1835) sowie die Dufourkarte (1845-1864), welche den Weltruf der eidgenössischen Kartografie begründet hat. Eine weitere Spezialität ist das Gebirgspanorama (Panorama), das von Sigmund Gottlieb Studers «Chaîne des Alpes» (1788) initiiert wurde. Jean-Frédéric d'Ostervald und Samuel Weibel schufen die «Vue générale de la Chaîne des Alpes» (1806); der illusionistische Höhenrausch begann mit Heinrich Kellers «Panorama vom Rigi Berg» (1815) und kulminierte im unvollendeten Tödi-Panorama von Albert Bosshard (1912-1916).
Im Ausland wirkende schweizerische Künstler gaben der europäischen Druckgrafik starke Anstösse. Im 16. Jahrhundert waren der vielseitige Jost Amman in Nürnberg und der geistvolle Satiriker Tobias Stimmer in Strassburg tätig. Im 17. und 18. Jahrhundert arbeiteten Matthaeus Merian, der grösste Bildverleger des Barocks im deutschen Sprachgebiet, in Frankfurt am Main, die Radierer Johann Jakob Thurneysen in Lyon, Wien und Augsburg, Jakob Frey in Rom, Adrian Zingg in Dresden, Bénédict-Alphonse Nicollet und dessen Schüler Abraham Girardet in Paris und Louis Ducros in Rom. Johann Jakob Weber verlegte in Leipzig mit dem «Pfennig-Magazin» (ab 1833) und der «Illustrirten Zeitung» (ab 1843) die ersten und publikumswirksamsten unter den xylografisch illustrierten Wochenblättern der deutschen Presse. In den 1880er und 1890er Jahren traten in Paris Théophile Alexandre Steinlen als sozialkritischer Plakatkünstler und Félix Vallotton als bahnbrechender Schöpfer des modernen schwarzweissen Flächenholzschnitts auf den Plan. Hervorragende Radierer wie Otto Gampert, Carl Theodor Meyer und Albert Welti entfalteten sich in München, Karl Stauffer-Bern in Berlin, Alexis Forel in Paris. Im 20. Jahrhundert schufen Paul Klee mit seinen allegorischen Imaginationen der Innerlichkeit (Weimar 1921-1925) und Alberto Giacometti mit seinen filigranen Figurationen existentieller Erfahrung (Paris ab 1933) Lithografien und Radierungen, die zu den bedeutendsten Werken der Druckgrafik gehören.
Porträts sind ein Gradmesser für die Qualität von Handwerk und Ausdruckskraft der Druckgrafik. Wollte man sowohl typische als auch kostbare Zeugnisse benennen, wäre auf Porträts geistiger Grössen zu verweisen, die im Ernst der Dargestellten wie in der naturalistischen Sachlichkeit des Darstellens die schweizerische Druckgrafik angemessen und vielfältig charakterisieren: Erasmus von Rotterdam als Epitaph von Hans Holbein dem Jüngeren und Veit Speckle (1538-1539), der Naturforscher Konrad Gessner im Holzschnitt von Grosshans Thomann und Ludwig Fryg (1564-1565), der Altertumsforscher Johann Joachim Winckelmann radiert von Angelica Kauffmann (1764), der schwermütige Philanthrop Hans Caspar Hirzel radiert von Felix Maria Diogg (1794), Hans Conrad Escher von der Linth im Kupferstich von Hans Jakob Oeri und Hans Jakob Lips (1823) und Gottfried Keller von Karl Stauffer-Bern (1887).