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Fotografie

Bis zur Einführung der Digitalfotografie bestand das fotografische Verfahren in der Aufzeichnung der Bilder durch optische Systeme auf lichtempfindliche Schichten, die nachträglich durch chemische Veränderungen dauerhaft sichtbar gemacht wurden. Den Franzosen Joseph Nicéphore Niépce (1765-1833) und Louis Jacques Mandé Daguerre (1787-1851) gelang es, die mit der sogenannten Camera obscura auf einer spiegelglatt polierten Silberplatte erzeugten Bilder zu fixieren. Die Rechte an der sogenannten Daguerreotypie wurden 1839 auf Betreiben des Physikers François Jean Dominique Arago (1786-1853) vom französischen Staat aufgekauft. William Henry Fox Talbot (1800-1877) glückte 1840 in England die Belichtung eines negativen Abbildes auf Papier (Kalotypie). Diese neue Methode ermöglichte die Herstellung von Kopien und verdrängte ab Ende der 1840er Jahre auch in der Schweiz relativ rasch die Daguerreotypie, die nur Unikate hervorbrachte.

Anfänge der Fotografie in der Schweiz

Andreas-Friedrich Gerber, Professor für Medizin und Tierheilkunde in Bern, hatte bereits 1836 Bilder in der Camera obscura belichtet. Als erster Schweizer bestellte Johann Baptist Isenring in St. Gallen bei Daguerre eine Kamera, um Stadtansichten und Porträts herzustellen. 1840 präsentierte er in seinem Atelier die erste fotografische Ausstellung mit 38 Porträts. Isenring erfand auch eine Koloriertechnik, die er in Amerika patentieren liess. In Bern wirkte der ausgebildete Lithograf Carl Durheim, der schon 1835-1837 im Besitz eines Lithografieateliers gewesen war, ab 1846 als erster sesshafter Fotograf. Er unternahm Foto-Reisen in die Schweizer Alpen und machte Fahndungsaufnahmen für die Polizei. Basels bekanntester Dokumentarist und Porträtfotograf dieser Zeit war Jakob Höflinger, der ab 1857 ein eigenes Atelier hatte. Zwei Jahre später eröffnete der Lithograf und Verleger Johannes Ganz ein erstes Atelier in Zürich. Auf Jahrmärkten waren vermehrt Wanderfotografen anzutreffen.

Selbstporträt von Adrien Constant de Rebecque, um 1851. Stereoskopische, kolorierte Daguerreotypie (Musée historique de Lausanne).
Selbstporträt von Adrien Constant de Rebecque, um 1851. Stereoskopische, kolorierte Daguerreotypie (Musée historique de Lausanne). […]

Der Genfer Bankier und Diplomat Jean-Gabriel Eynard betätigte sich ab 1840 als Daguerreotypie-Amateur. Bekannt sind heute ca. 150 hervorragend komponierte Gruppenbilder seiner Familie sowie Ansichten seiner Wohnsitze. Beachtlich sind auch die Landschafts- und Stadtansichten des Genfers Auguste Garcin. In der Waadt entwickelte Adrien Constant de Rebecque ab den 1840er Jahren verschiedene technische Verfahren. Marc Secretan veröffentlichte 1842 das Standardwerk Traité de photographie.

Die wichtigsten Fotografen der italienischen Schweiz waren Antonio Rossi, der 1841 in Locarno ein sogenanntes fotografisches Kabinett für Daguerreotypien eröffnete, und Angelo Monotti, der im Tessin erste Panorama-Ansichten fotografierte. In Lugano führte Grato Brunel mit seinem Zwillingsbruder Ludovico Brunel als Erster einen 1862 eröffneten Salon für Fotografie.

Die Entwicklung des Berufs

1886 wurde in Bern die erste Berufsvereinigung, der Schweizerische Photographenverein (heute Schweizer Berufsfotografen), gegründet. Ihr Ziel war die Reglementierung der Lehrlingsausbildung, der Schutz des Reproduktions- und Eigentumsrechtes für das fotografische Bild und die Schaffung von Tarifrichtlinien. 1897-1903 existierte in Zürich eine Lehrlingsvorbildungsschule. Dem Schweizerischen Werkbund können Fotografen beitreten, die sich durch qualitative Leistungen auszeichnen.

André Schmid in seinem Lausanner Atelier. Kollodiumplatte, 1861 (Musée historique de Lausanne).
André Schmid in seinem Lausanner Atelier. Kollodiumplatte, 1861 (Musée historique de Lausanne). […]

Das 19. Jahrhundert: Porträt und Inszenierung

Landschaft und Porträt waren die zwei wichtigsten Sparten des neuen Mediums. An Stelle des gemalten Miniaturbildnisses trat das daguerreotypierte Porträt. In verzierten Lederetuis gefasst, waren die spiegelnden Unikate wertvolle Dokumente der Erinnerung. Die späteren Kalotypien auf Papier erlaubten die Anfertigung mehrerer Kopien, die teilweise koloriert wurden. 1854 erfand der Franzose André Disdéri die kleinformatigen Bilderporträts, die als Carte de visite bekannt wurden. Sie bestanden aus bis zu acht variierenden Aufnahmen (57 x 90 mm), die auf der gleichen Platte belichtet und damit preisgünstiger waren. Das Verfahren erlangte Bekanntheit, verbreitete sich weltweit massenhaft und wurde für jedermann erschwinglich. In jedem grösseren Ort der Schweiz etablierten sich innert weniger Jahre Ateliers, welche die Wanderfotografen verdrängten. 1889 gab es bereits mehr als 200 Ateliers mit rund 600 Angestellten. 1888 brachte der amerikanische Fotoindustrielle George Eastman die mit einem Rollfilm bestückte und von ihm entwickelte Kodak-Box-Kamera auf den Markt. Mit dieser gelang der Amateurfotografie als Massenmedium der entscheidende Durchbruch. Künstler begannen, nach fotografischen Vorlagen zu malen, und Fotografen versuchten ihrerseits, durch piktorialistische Effekte Malerei zu imitieren. Manipulationen mit Weichzeichner-Linsen und Edeldruckverfahren (z.B. Bromöldruck) erzeugten jene «künstlerische Unschärfe», die der impressionistischen Malweise nahe kam. Durch den Einbezug von Staffagen und das Posieren vor gemaltem Hintergrund entwickelte sich neben dem klassischen Porträt auch das raffiniert inszenierte, illusionistische Genrebild.

Das 20. Jahrhundert: Reportage, Essay, neue Fotografie

In der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts setzte sich die Auffassung durch, der Mensch sei am besten in seinem natürlichen Lebensraum festzuhalten. Es wurde versucht, Authentizität durch den Einbezug der persönlichen Umgebung zu erreichen. Vertreter dieser Richtung waren Hermann Stauder (Berner Bauer, 1913) und Paul Senn (Bauer und Arbeiter, 1943). Ernst Brunner dokumentierte in den 1940er Jahren den ländlichen Alltag. Die malerischen Bildvorstellungen der Jahrhundertwende wurden in den 1920er Jahren immer stärker von der engagierten Dokumentarfotografie verdrängt. Folgen von Einzelbildern etablierten sich als neue Form der Berichterstattung und ermöglichten eine breit abgestützte Information über aktuelle Ereignisse. Politische oder sozialkritische Artikel wurden mit Fotografien untermauert und fanden im wichtigsten neuen Medium, der illustrierten Zeitung (Illustrierte), ihren festen Platz. Waren es anfänglich Bild-Agenturen, die der Presse Fotografien vermittelten, wurden von einzelnen Zeitungen immer häufiger eigene Fotografen unter Vertrag genommen. Schweizer Reporter der Frühzeit waren oft Amateure oder volkskundlich interessierte Einzelgänger, die eine bestimmte Region dokumentierten (z.B. Hans Staub, Paul Senn, Theo Frey, Roberto Donetta, Albert Nyfeler). Geografische oder ethnografische Reiseberichte, bei denen sich Text und Fotografie sinnvoll ergänzten, fanden im Bildband rasche Verbreitung. Von besonderer Bedeutung sind die Werke von Walter Bosshard, Martin Hürlimann, Ella Maillart und Annemarie Schwarzenbach. Ab 1945 machten sich Emil Schulthess, René Gardi, Henriette Grindat und Fred Mayer in diesem Genre einen Namen.

Regen in New York, Central Park South. Fotografie von Robert Frank, 1948 (Fotostiftung Schweiz, Winterthur) © Pace/MacGill Gallery, New York.
Regen in New York, Central Park South. Fotografie von Robert Frank, 1948 (Fotostiftung Schweiz, Winterthur) © Pace/MacGill Gallery, New York.

Der fotografische Essay entstand aus einer umfassenden Auseinandersetzung mit einem meist selbst gewählten Thema. Ein zentrales Anliegen war oft die persönliche Interpretation. Der Essay fand seinen Ausdruck im Bildband, wie er etwa von Albert Steiner (Engadiner Landschaften, 1927), Gino Pedroli (Presento il mio Ticino, 1939) und Gotthard Schuh (Inseln der Götter, 1941) präsentiert wurde. Zahlreich waren solche Veröffentlichungen zur Zeit der Geistigen Landesverteidigung. Mitten im zerstörten Europa waren Heimat, Landschaft und Brauchtum die wichtigsten Themen. Entsprechende Arbeiten lieferten Walter Läubli (Urschweiz, 1941), Ernst A. Heiniger (Tessin, 1941), Hans Peter Klauser (Appenzellerland, 1945) und Leonard von Matt (Uri, 1946). Aussergewöhnlich ist das kompromisslose Werk Jakob Tuggeners, der sich zeitlebens als «fotografischer Dichter» verstand und 75 unpublizierte Bildbände sowie 24 Kurzfilme hinterliess. Nach 1945 verliessen einige Fotografen die beschauliche Schweiz der Nachkriegszeit und arbeiteten im Ausland. Wegweisend wurde das Schaffen von Werner Bischof, der seine Karriere mit den Bildern Europa nach dem Krieg eröffnete. René Gröbli publizierte 1949 die kraftvolle Serie Magie der Schiene. Der international berühmteste Auswanderer wurde sein Zeitgenosse Robert Frank, der mit seinem Werk Les Américains (1958) Initiant einer neuen fotografischen Auffassung wurde. René Burri (Die Deutschen, 1962), Jean Mohr (A fortunate Man, 1967) und Luc Chessex mit seinen zwischen 1962 und 1977 entstandenen Bildern aus Lateinamerika und Kuba stehen für die immer stärker auftretende sogenannte Autorenfotografie.

Umschlag der Zeitschrift Camera, Dezember 1929 (Schweizerische Nationalbibliothek, Bern).
Umschlag der Zeitschrift Camera, Dezember 1929 (Schweizerische Nationalbibliothek, Bern). […]

Eine andere fotografische Bewegung des 20. Jahrhunderts basierte auf dem 1929 in Deutschland erschienenen Buch mit dem programmatischen Titel Foto-Auge, das die «objektive Wahrheit» des Mediums auf dem Gebiet der Sach- und Dokumentarfotografie proklamierte. Am Bauhaus (Weimar, Dessau, Berlin) wurde diese «Neue Fotografie», die vor allem auf den Erkenntnissen des Konstruktivismus aufbaute, exemplarisch gelehrt. Unter dem Stilbegriff «Neue Sachlichkeit» begannen Fotografen, Typografen und Grafiker der Gegenstandstreue, Schärfe und dem Erfassen der Details mehr Wert beizumessen (fotografischer Naturalismus). 1932 wurde Hans Finsler von Halle an der Saale mit dem Auftrag nach Zürich berufen, an der Kunstgewerbeschule die erste Fachklasse für Fotografie aufzubauen. Objektfotografie auf Grundlage der Neuen Sachlichkeit stand im Zentrum seiner Lehre. Gleichzeitig setzte sich eine moderne Foto-Grafik durch, die vor allem von Zürich ausging. Objektivität und Klarheit der Information galten als zentrale Elemente der progressiven Gestaltung. Wichtige Vertreter dieser strengen, sachlich-informativen Werbe- und Foto-Grafik waren Max Bill, Herbert Matter, Hermann Eidenbenz, Hugo P. Herdeg, Michael Wolgensinger, Ernst A. Heiniger und Josef Müller-Brockmann.

Fotografie in der Mode und Kunst

Die Modefotografie ging vor allem von den grossen Modezentren (Paris, London, New York) aus. Ausnahme war der während der Belle Epoque in Genf arbeitende Edmond-Edouard Boissonnas, der mit feinem Spürsinn den Modestil der Zeit festhielt. Peter Knapp setzte sich in den 1960er Jahren in Paris als Art director und Modefotograf durch.

Titelseite der Zürcher Illustrierten, 20. Juli 1925 (Schweizerische Nationalbibliothek, Bern).
Titelseite der Zürcher Illustrierten, 20. Juli 1925 (Schweizerische Nationalbibliothek, Bern). […]

Von Anfang an bildete die Fotografie eine starke Herausforderung für die bildenden Künste. Dabei bewegte sie sich in einem Spannungsfeld zwischen Annäherung und Ablehnung. Während sich die sogenannten Kunstfotografen um die Jahrhundertwende malerischer Edeldrucke bedienten (Fred Boissonnas, Gaston de Jongh, Camille Ruf und die Gebrüder Linck), entstanden unter dem Begriff Experimentalfotografie eher abstrahierende Versuche wie das Fotogramm (ohne Kamera), die Fotomontage und die Fotocollage. Konkrete, nicht abbildende Fotografien zu gestalten, war das erklärte Programm. In den 1960er Jahren wurde versucht, mit Bildserien und Sequenzen Sachverhalte zu visualisieren. Bis in die Gegenwart gewann das künstlerische Anliegen an Bedeutung, Bildideen und Konzepte mit der Kamera zu verwirklichen (Manon, Rudolph Lichtsteiner, Christian Vogt, Balthasar Burkhard). Mitte der 1960er Jahre entstand der Fotorealismus als Strömung in der Malerei, die auf die präzise Übertragung einer fotografischen Vorlage abzielte (Franz Gertsch).

Fotografie und Presse

Einem breiten Publikum zugänglich wurden Fotografien durch Presseerzeugnisse. 1904 lag im Tages-Anzeiger erstmals die illustrierte Beilage Zeitbilder bei. Ab Dezember 1911 erschien bei Ringier wöchentlich die Schweizer Illustrierte, die Aktualitätsberichte mit Agenturbildern ausstattete. Als erste Wochenzeitung der französischen Schweiz war L'Illustré ab September 1921 erhältlich. Als erste Zeitschrift für künstlerische Fotografien in Europa erschien ab 1922 das Monatsheft Camera für Berufsfotografen und Amateure. 1929 übernahm Arnold Kübler die Chefredaktion der 1924 gegründeten Zürcher Illustrierten. Mit seinen Direktaufträgen an hauseigene Berufsfotografen entwickelte sich die Zeitschrift unter Kübler bald zum qualitativ führenden Wochenblatt mit überregionaler Leserschaft. Den anonymen Agenturbildern setzte er profilierten Fotojournalismus entgegen. Kübler wurde zum Inspirator und Förderer zahlreicher jüngerer Fotografen. 1941 erfolgte die Umgestaltung der Zürcher Illustrierten zum kulturellen Monatsheft Du. Martin Hürlimann gründete 1929 in Berlin das Monatsheft Atlantis mit den Schwerpunkten Länder, Völker und Reisen. Weitere Zeitschriften und Zeitungen, die sich regelmässig mit der Fotografie befassen, sind L'Illustrazione ticinese mit ihrem Chefredaktor Aldo Patocchi, die Neue Zürcher Zeitung, die Basler Zeitung, die Berner Zeitung sowie der Tages-Anzeiger, der seit 1970 wöchentlich das Magazin (in Farbe) herausgibt.

Ausstellung im Musée de l'Elysée in Lausanne, 2004 (Fotografie Yves André).
Ausstellung im Musée de l'Elysée in Lausanne, 2004 (Fotografie Yves André). […]

Die schweizerische Fotografie war an verschiedenen Landesausstellungen präsent, so stellte Fred Boissonnas seine Bilder 1896 in Genf in einem eigenen Pavillon aus. Fotografen beteiligten sich an Weltausstellungen, etwa 1889 und 1900 in Paris, 1906 in Mailand und 1908 in Dresden. An der Landesausstellung 1939 war der Fotografen-Verband mit einem eigenen Pavillon präsent. 1971 wurde in Zürich die Schweizerische Stiftung für die Photographie mit Sitz im Kunsthaus gegründet. Ihr Ziel ist, die Fotografien in der Schweiz zu sammeln, auszustellen, zu publizieren und fotografische Nachlässe zu verwalten. Auch das 1986 gegründete Musée de l'Elysée in Lausanne widmet sich ausschliesslich dem fotografischen Schaffen. In Winterthur entstand 2003 ein Zentrum für Fotografie, gebildet aus dem 1993 ins Leben gerufenen Fotomuseum Winterthur und der Schweizerischen Stiftung für die Photographie, die 2003 an den gleichen Ort übersiedelte und seither Fotostiftung Schweiz heisst.

Technikgeschichte

1840-1860 mussten die Fotografen ihre Papiere und Platten selbst präparieren. Sowohl ihre Ausrüstung als auch den grössten Teil des Fotobedarfs importierten sie; erst allmählich fanden sie die erforderlichen Substanzen und Produkte auf dem einheimischen Markt. Im Zuge des Aufschwungs, den die Fotografie nun erlebte, wurden die ersten Fabriken für Fotoapparate erstellt. Spezialisierte Kunstschreiner, etwa aus dem 1860 in Aarau gegründeten Haus Frey & Co., statteten die Apparate mit importierten optischen Geräten aus. Manche dieser Fachleute wurden später zu Händlern von Fotobedarfsartikeln. Einige Optiker stellten die Objektive selber her. Eine 1878 von Emil Suter gegründete Firma in Basel erreichte erstmals die Grösse eines industriellen Betriebs. Sie lieferte einen Grossteil der optischen Geräte für die von den Kunstschreinern hergestellten Apparate und vertrieb auch ausländische Fabrikate wie die Mackenstein aus Paris oder die Murer & Duroni aus Italien.

Ein beachtlicher Fortschritt wurde in den 1870er Jahren mit der Erfindung der Silberbromid-Gelatine-Trockenplatte erzielt, die industriell hergestellt werden konnte. 1878 wagte sich Alfred Engel-Feitknecht in Twann an die Produktion von Fotoapparaten. Ihm folgte 1889 der Engländer John Henry Smith, der in Zürich eine Manufaktur eröffnete, die mit einer viel beachteten Maschine zum Aufbringen der Emulsionen ausgestattet war. Das Aufkommen der Momentaufnahme führte zu einer vollständigen Veränderung des nun mechanisierten Fotoapparats, der vermehrt industriell hergestellt wurde. Die Kunstschreiner verschwanden allmählich oder verlegten sich auf den Import, wie die Firma Engel-Feitknecht, die 1902 nach Biel zog, dort 1915 zu Perrot & Cie. wurde und sich auf den Grosshandel spezialisierte.

Fotoapparat Compass, 1937 (Musée suisse de l'appareil photographique, Vevey).
Fotoapparat Compass, 1937 (Musée suisse de l'appareil photographique, Vevey). […]

1888 revolutionierte George Eastman in den Vereinigten Staaten die Fotografie vollständig: Mit seiner Kodak-Kamera, die als Erste einen Film auf einem biegsamen Träger – aufgewickelt auf eine Spule – enthielt, wurde das Fotografieren für jedermann möglich. Die Kamera war das Resultat einer Produktionsstrategie, die darauf abzielte, die grösstmögliche Zahl von Anwendern fest an sich zu binden. Die Fotografen erledigten von da an nur noch das Entwickeln und Abziehen der Amateuraufnahmen und verkauften Filme und Fotoapparate.

In der Produktion der Fotoapparate gewann die Mikromechanik an Bedeutung. Zahlreiche Kleinbetriebe hatten nur kurze Zeit Bestand. 1895 übernahm Gottlieb Zulauf in Zürich ein Atelier für mechanische und optische Geräte und brachte 1909 einen Qualitätsapparat heraus, den Polyskop, der sogleich die Aufmerksamkeit des deutschen Herstellers Zeiss auf sich zog. Er bot Zulauf eine Fusion mit der Internationalen Camera Actiengesellschaft (ICA) in Dresden an, worauf der Schweizer 1911 seine Produktion dorthin verlegte. 1922 stellte Simons & Co. in Bern eine 35-mm-Filmkamera her, drei Jahre vor der Kommerzialisierung der Leica von Ernst Leitz in Wetzlar (Hessen), welche die Reportage-Fotografie revolutionieren sollte.

In der Krise der 1930er Jahre begannen manche Unternehmen zu diversifizieren und sich für die Produktion von fotografischen Geräten zu interessieren. Die Firma Kern in Aarau stellte Apparate und Objektive her. Le Coultre im Vallée de Joux brachte um 1937 den Compass heraus, einen vom Engländer Noel Pemberton-Billing konzipierten Miniaturapparat. In dieser Zeit und während des Zweiten Weltkriegs profitierte die Schweiz von der Erfahrung ausländischer Erfinder: Jacques Boolsky, der Vater der Bolex-Kamera, entwarf auch die Alpa-Reflex, die von Pignons SA in Ballaigues produziert wurde. Mit dem neuen Design des Ingenieurs André Cornut war die Alpa in der 1960er Jahren eine der leistungsfähigsten 35-mm-Spiegelreflexkameras, bevor sie von der japanischen Konkurrenz verdrängt wurde. Der bekannte deutsche Optiker Ludwig Bertele trat in die Firma Wild in Heerbrugg ein und arbeitete an Objektiven. Der russische Ingenieur Dimitri Rebikoff stand am Anfang der schweizerischen Produktion von Elektronenblitzgeräten, die mit den Marken Broncolor in Allschwil und Elinchrom in Renens (VD) im Bereich der professionellen Studiofotografie weltweit führend ist. Die Deutschen Rudolf Steineck und Paul Nagel entwickelten 1956 die Tessina, eine von den Geheimdiensten geschätzte Miniaturkamera, die in Grenchen produziert wurde.

In den 1920er Jahren begann Ciba in Basel, lichtempfindliche Platten und fotochemische Produkte herzustellen, später richtete sie ihr Interesse auf das farbfotografische Verfahren. 1960 übernahm das Unternehmen die Firma Tellko (Freiburg, 1935), die ab 1950 unter der Marke Telcolor Filme, Fotopapiere und chemische Produkte produziert hatte. Das dabei angewandte Negativ-Positiv-Verfahren war dank der Mitarbeit von Wilhelm Schneider, einem ab 1945 in der Schweiz lebenden Erfinder von Agfacolor, verbessert worden. Aus der Fusion von Ciba mit Tellko, zu denen dann noch Ilford und Lumière stiessen, sollte später das Cibachrome-Verfahren hervorgehen (heute Ilfochrome).

In den 1960er Jahren löste Kodak mit der Lancierung der Instamatic erneut eine Revolution der Amateurfotografie aus. Das System des Kassettenfilms beseitigte das Risiko von Fehlmanipulationen und garantierte dem Anwender – wenn auch qualitativ mangelhafte – Abzüge all seiner Bilder. Der Apparat war die treibende Kraft für den massenhaften Verkauf von Farbfilmen und trug zum Verschwinden des Quartierfotografen bei. Andererseits expandierten die industriellen Labors und setzten Farbfotopapier in riesigen Mengen ab. Dieser blühende Markt weckte die Begehrlichkeiten der Supermarktketten, die sich einen Preiskrieg lieferten, dem nur die kompetentesten Fachgeschäfte standzuhalten vermochten.

1948 führten die Überlegungen des Schaffhauser Fotografen Carl Koch zur Entwicklung einer Grossformatkamera (Negative von 9 x 12 cm bis 20 x 25 cm) für Berufsfotografen, der verstellbaren Fachkamera auf optischer Bank (Sinar). Zu Beginn des 21. Jahrhunderts ist die Firma Sinar der weltweit wichtigste Produzent dieses Typs der fotografischen Ausrüstung. Das im Bereich der Digitalfotografie aktive Unternehmen war das Erste, das den von Kodak hergestellten digitalen Sensor mit 20 Mio. Pixel verwendete.

In der Schweiz wird zu Beginn des 21. Jahrhunderts nicht nur fotografiert, das Land beherbergt auch eine dynamische Fotoindustrie. Diese besteht aus hoch spezialisierten, kleinen und mittleren Unternehmen, die ihre geschätzten Produkte in spezialisierten Märkten absetzen. Die technische Entwicklung der Fotografie zeigt das 1971 in Vevey gegründete Musée suisse de l'appareil photographique.

Quellen und Literatur

  • Revue suisse de photographie, 1889-1906.
  • Schweizerische Photorundschau, 1936-1994.
  • Stenger, Erich: Die Photographie in Kultur und Technik. Ihre Geschichte während hundert Jahren, 1938.
  • Stiftung für Photographie (Hg.): Photographie in der Schweiz von 1840 bis heute, 1974 (französisch 1974).
  • Billeter, Erika: Malerei und Photographie im Dialog. Von 1840 bis heute. Ausstellung im Rahmen der Junifestwochen vom 13. Mai bis 24. Juli 1977, 1977.
  • Breguet, Elisabeth: 100 ans de photographie chez les Vaudois, 1839-1939, 1981.
  • Tillmanns, Urs: Photographische Enzyklopädie, 1982.
  • Tillmanns, Urs: «Retrouvé dans le noir», in: Fomak-Reflexe, 1986-1999 (jährliche Rubrik).
  • Nessi, Alberto et al.: Das Tessin und seine Photographen. Photographien von 1858 bis heute, 1987 (Ausstellungskatalog).
  • Auer, Michel: 150 ans d'appareils photographiques. A travers la collection Michel Auer, 1989.
  • Hugger, Paul: «Der schöne Augenblick». Schweizer Photographen des Alltags, 1989.
  • Thewes, Lothar: Alpa. 50 Jahre anders als andere, 1990.
  • Perret, René: Frappante Ähnlichkeit. Pioniere der Schweizer Photographie. Bilder der Anfänge, 1991.
  • Schweizerische Stiftung für Photographie (Hg.): Photographie in der Schweiz von 1840 bis heute, 1992 (französisch 1992).
  • Schweizerisches Landesmuseum (Hg.): Im Licht der Dunkelkammer. Die Schweiz in Photographien des 19. Jahrhunderts aus der Sammlung Herzog, 1994.
  • Visual. Die Zeitschrift für das Sehen und das Sichtbarmachen, 1994-1995.
  • Photo Suisse. Organ des Schweizerischen Verbandes für die Fotografie, 1997-2012.
  • History of Photography, 1998, Heft 22.
  • Bron, Pierre; Condax, Philip L.: The photographic flash. A concise illustrated history, 1998 (französisch 1999).
  • Meier, Marco: Fotografie. Der lange Weg zur Farbe, 2000.
  • Zannier, Italo: Storia e tecnica della fotografia. Con una antologia di testi, 20017.
  • Eggenberger, Christian et al. (Hg.): Photosuisse, 2004 (mit 2 DVDs).
Von der Redaktion ergänzt
  • Pfrunder, Peter (Hg.): Schweizer Fotobücher 1927 bis heute. Eine andere Geschichte der Fotografie, 2012.
  • Mauron, Christophe; Crispini, Nicolas; Dutoit, Christophe: Fous de couleur. Autochromes, les premières photographies couleur de Suisse (1907-1938), 2015.
Weblinks

Zitiervorschlag

HLS DHS DSS; Walter Binder; Pascale Bonnard Yersin; Jean-Marc Yersin: "Fotografie", in: Historisches Lexikon der Schweiz (HLS), Version vom 20.08.2020. Online: https://hls-dhs-dss.ch/de/articles/011171/2020-08-20/, konsultiert am 11.10.2024.