Die Gold- und Silberschmiedekunst umfasst die künstlerische Verarbeitung von Gold und Silber zu Gegenständen des kulturellen und täglichen Gebrauchs sowie zu Schmuck. Dabei werden als Techniken das Schmieden, Giessen, Ziselieren, Punzieren und Gravieren angewendet (Metallverarbeitende Handwerke).
Goldschmiedearbeiten sind im Gebiet der heutigen Schweiz von der frühen Bronzezeit (2200-1500 v.Chr.) an belegt. Neben wenigen Schmuckstücken ist der Goldbecher aus Eschenz (Frauenfeld, Historisches Museum) zu nennen. Zu Beginn der Eisenzeit (um 750 v.Chr.) dürfte die Goldschale von Altstetten entstanden sein (Zürich, Schweizerisches Landesmuseum). Der in nahezu ungebrauchtem Zustand bei Erstfeld gefundene Schatz besteht aus vier Halsringen und drei Armspangen (Zürich, Schweizerisches Landesmuseum). Mit weiteren Schmuckobjekten gehört der Schatz – Handelsgut oder Opfergabe – in den Kontext der keltischen Kultur. Die Verwendung der genannten Gegenstände bleibt ebenso ungeklärt wie die Frage, ob damals im Gebiet der Schweiz eine namhafte Goldschmiedeproduktion bestanden hat. Strabon erwähnte den Goldreichtum der Helvetier, des in der Schweiz ansässigen Keltenstamms. Man kann davon ausgehen, dass Gold lokal in den Flüssen gewonnen wurde. Silberminen von Bedeutung sind keine bekannt.
Als herausragende, ausserhalb der Schweiz hergestellte Beispiele von Gold- und Silberschmiedekunst aus der Römerzeit gelten neben Schmuckfunden die Goldbüste des Mark Aurel in Avenches (Lausanne, Musée cantonal d'archéologie et d'histoire) und der um 350/351 n.Chr. vergrabene Schatz von Kaiseraugst (Augst, Römermuseum), ein weitgehend komplettes Tafelservice von grosser Bedeutung für die spätrömische Kultur- und Kunstgeschichte. Die Inschrift eines Grabaltars, der in Amsoldingen gefunden wurde, nennt die Goldschmiede Camillius Polynices und dessen Sohn Camillius Paulus.
Aus dem Frühmittelalter sind Goldschmiedearbeiten hauptsächlich aus Grabfunden bekannt. Neben oftmals mit Glas oder Almandinen eingelegten Fibeln aus Gold, Silber oder Bronze traten reich ornamentierte Gürtelgarnituren und Schnallen aus Eisen mit Silbertauschierung zu Tage. Sie sind typisch für die von Burgundern und Alemannen besiedelten Gebiete, d.h. für die Westschweiz und das Mittelland.
Die frühmittelalterlichen Kirchen bildeten mit ihrer Architektur, Malerei und liturgischen Ausstattung ein künstlerisches Ganzes, das der Vermittlung der Predigt dienen sollte (Frühmittelalterliche Kunst). In diesem Kontext sind auch Goldschmiedearbeiten in berühmten christlichen Zentren zu interpretieren, etwa im Umfeld der Bischofssitze Basel, Chur und Sitten, des Klosters St. Gallen oder der Abteien Moutier-Grandval und Saint-Maurice. Beispiele sind die berühmte goldene Altartafel von Basel (Paris, Musée de Cluny) und der Sittener Reliquienschrein, die beide aus Kunstzentren ausserhalb der Schweiz stammen. Die Reliquienschreine und das Candidushaupt in Saint-Maurice wurden in der dortigen Klosterwerkstätte gearbeitet. Für den Bucheinband zum «Evangelium longum» in St. Gallen ist mit Mönch Tuotilo ein Goldschmied und Elfenbeinschnitzer namentlich überliefert.
Mit dem Erstarken der Städte und der beginnenden Organisation des Handwerks im 13. und 14. Jahrhundert nehmen die schriftlichen Quellen zu. Während für eine Gruppe bedeutender Goldschmiedearbeiten mit transluziden Emails um 1300-1350 aus dem Basler Münsterschatz (Basel, Historisches Museum) und aus dem Stiftsschatz in Beromünster der genaue Enstehungsort und die Werkstätte im Oberrhein-Bodenseegebiet unbekannt sind, lassen sich wenig später entstandene und erhalten gebliebene Werke einzelnen Meistern zuordnen; so Stücke aus dem Basler Münsterschatz Heinrich Schwitzer (um 1430-1350) und Georg Schongauer aus Basel – wobei Letzterer 1487-1488 auch die Monstranz und das Vortragekreuz der Pfarrkirche Pruntrut gefertigt hat –, die Monstranz der Kirche St. Martin in Altdorf (UR) dem Zürcher Niklaus Müller (1511), die gleichzeitig entstandene Reliquienbüste der Sainte-Victoire Peter Reynhart aus Freiburg (Freiburg, Musée d'art et d'histoire) und das Georgsreliquiar in der Pfarrkirche von Estavayer-le-Lac Antoine Bovard aus Lausanne (1520-1521). Vom verschollenen Bernhardsreliquiar des Klosters St. Urban, geschaffen von Urs Graf dem Älteren, sind gravierte Silberplatten erhalten geblieben (Zürich, Schweizerisches Landesmuseum; London, British Museum).
Profane Goldschmiedewerke aus dem Mittelalter sind weitgehend verloren. Das bedeutende Ensemble von drei Trinkschalen und einem Doppelkopf (zwei aufeinandergesteckte Pokale) aus dem Kloster St. Andreas in Sarnen (Zürich, Schweizerisches Landesmuseum) ist erhalten geblieben, weil es früh in Klosterbesitz kam. Verschiedene Schalen, die teilweise wohl aus der Burgunderbeute stammen, werden in Liestal (Rathaus), Solothurn (St.-Ursen-Kathedrale), Le Landeron (Musée de l'hôtel de ville), Bern (Historisches Museum), Arth (Pfarrkirche) und Schwyz (Staatsarchiv) aufbewahrt.
Vom 16. Jahrhundert an wurden die Goldschmiedearbeiten mit Orts- und Meistermarken versehen. Zentren von überregionaler Ausstrahlung waren Basel und Zürich, in geringerem Masse auch Bern. Bedingt durch die Reformation verlor die Westschweiz mit den ehemaligen Bischofsstädten Genf und Lausanne an Bedeutung, was für die reformierten Städte Basel, Bern und Zürich nicht gilt. Die Produktion für die Kirche kam dort zwar weitgehend zum Erliegen, der wirtschaftliche Aufschwung ermöglichte aber dem daran beteiligten Bürgertum, Goldschmiedewerke für den persönlichen Gebrauch oder für die kollektive Selbstdarstellung der Zünfte und Korporationen zu erwerben. Die Produktion in der Schweiz beschränkte sich aber nicht auf die genannten Städte, sondern ist auch in kleinen Orten nachzuweisen. Ausnahmen bilden das Tessin und Graubünden, wo nur für Chur und Reichenau Goldschmiede überliefert sind. Während sich die Goldschmiede der deutschsprachigen Schweiz nach den Zentren Nürnberg, Augsburg und nach Holland orientierten, standen die Goldschmiede der Westschweiz unter französischem Einfluss. In Genf entwickelte sich im 17. Jahrhundert eine Luxusproduktion im Bereich von Emailarbeiten, Uhrgehäusen (Uhrenindustrie) und Golddosen, begünstigt durch den Zustrom hugenottischer Goldschmiede, die 1685 aus Frankreich vertrieben worden waren. Durch diese kam es in der Westschweiz allgemein zu einem Aufschwung des Goldschmiedehandwerks, Genf und Lausanne entwickelten sich zu Basel und Zürich ebenbürtigen Zentren. Anstelle der silbervergoldeten barocken Trinkgefässe, wie wir sie bis heute auf den Zunfttafeln und in Bürgerschätzen der verschiedensten Schweizer Städte und in den jeweiligen Museen antreffen, trat silbernes Tafelgeschirr und Besteck nach französischem Vorbild.
Das Arbeiten mit halbindustriell gefertigten Bestandteilen und frühe Serienproduktion führte im 19. Jahrhundert unter anderem Georg Adam Rehfues ein, der ab 1808 in Bern eine Werkstatt mit bis zu 50 Mitarbeitern betrieb. Die einzige, bis heute bestehende Silberwarenfabrik der Schweiz entwickelte sich ab 1822 mit der Firma Jezler & Cie. in Schaffhausen, wo schon für das 18. Jahrhundert eine bedeutende Goldschmiedeproduktion dokumentiert ist. Hervorragende Werkstätten der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts und des frühen 20. Jahrhunderts sind die Ateliers Bossard in Luzern und Sauter in Basel. Bedeutende Goldschmiedearbeiten des Historismus stammen aus diesen beiden Werkstätten (u.a. Basel, Historisches Museum; Zürich, Schweizerisches Landesmuseum).
Im 20. Jahrhundert nahm die Produktion von kirchlichen Goldschmiedearbeiten nochmals einen Aufschwung, besonders im Atelier Burch (1925-1967) in Luzern und ab 1932 in Zürich. Hier prägte der Silber- und Goldschmied Max Fröhlich bis in die 1970er Jahre die Absolventen der Metallklasse der damaligen Kunstgewerbeschule und schaffte selbst funktional wie künstlerisch vollendete Arbeiten für den kirchlichen und privaten Gebrauch. Ebenfalls im 20. Jahrhundert setzte sich die Arbeitsteilung zwischen dem Silber- und dem Goldschmied durch, ebenso die begriffliche Differenzierung. War das Schmuckschaffen (Bijouterie) in der Schweiz, abgesehen von Genf, vorher unbedeutend und nicht aus dem Kontext der allgemeinen Goldschmiedewerkstatt zu lösen, begann es sich als eigener Bereich im Verlauf der 1920er Jahre zu profilieren. Ende des 20. Jahrhunderts waren Goldschmiede fast ausschliesslich in der Schmuckgestaltung tätig.