Der Begriff der zeitgenössischen Kunst (bzw. der aktuellen oder Gegenwartskunst) hat grundlegende Veränderungen erfahren. Umfasste er bis Mitte des 20. Jahrhunderts jeweils nur wenige Jahre und war in der Regel mit einer bestimmten Stilrichtung verbunden, wird er heute für die gesamte Zeitspanne von 1960 bis zur Gegenwart angewendet und beinhaltet eine grundsätzliche Abgrenzung gegenüber der Kunst der Moderne. Gleichzeitig hat sich der Kreis der Rezipienten von einem kleinen, elitären Kreis zu einem Massenpublikum hin erweitert. Mit der sogenannten Postmoderne, die um 1980 einsetzte, hat das Fortschrittsdenken ― auch in der Kunst ― sein Ende gefunden: Unterschiedlichste Stile, Inhalte, Medien und Techniken existieren seither hierarchielos nebeneinander, gleichzeitig sind die Grenzen des Kunstfelds durchlässiger geworden, sei es hin zum Film, zum Design, zur Mode, zum Theater oder zur Alltagswelt ganz allgemein.
Auch die Schweizer Kunstlandschaft hat sich in den letzten Jahrzehnten gewandelt. War das Kulturleben bis in die 1970er Jahre von Traditionalismus geprägt, ist der Anteil des zeitgenössisch orientierten Kulturschaffens seither stark gewachsen und hat gesellschaftlich an Akzeptanz gewonnen. Neben den Zentren sind an peripheren Orten Ausstellungsräume für aktuelle Kunst entstanden; an den kunsthistorischen Instituten der Universitäten hat die Lehre über zeitgenössische Kunst inzwischen markant an Bedeutung gewonnen; an den Hochschulen der Künste werden jährlich hunderte junger Kunstschaffender ausgebildet. Auch in den Ausstellungsprogrammen etablierter Museen der Schweiz ist die Kunst der Gegenwart inzwischen stark vertreten.
Die Kulturpolitik der Gemeinden und Kantone sowie des Bundes folgte dieser beschleunigten Entwicklung. Die meisten Akteure haben ihre Kulturbudgets erhöht und neue Förderinstrumente für das zeitgenössische Kunstschaffen entwickelt. Auf Bundesebene wurde auf der Basis des Kulturartikels in der Bundesverfassung von 1999 (Artikel 69) 2009 ein Kulturförderungsgesetz verabschiedet, das noch 1994 vom Stimmvolk abgelehnt worden war. Die föderalistische und subsidiär organisierte Struktur der Kulturförderung blieb jedoch erhalten. Eine zunehmende internationale Vernetzung, etwa durch Atelierstipendien, sowie der hohe Informationsaustausch durch traditionelle und neue Medien gewährleisten eine internationale Anbindung der Schweizer Kunst.
Die gesellschaftlichen Umwälzungen der späten 1960er und frühen 1970er Jahre hinterliessen auch im Schweizer Kunstschaffen ihre Spuren. Waren die Nachkriegsjahre noch durch die international dominanten Stilrichtungen des Tachismus und des abstrakten Expressionismus geprägt (Malerei), begann nun eine jüngere Künstlergeneration unter dem Einfluss von Nouveau Réalisme, Zero und Fluxus gegen den etablierten Modernismus aufzubegehren. Ausdruck dieser Revolte waren etwa Jean Tinguelys «Méta-matics», Maschinen, die per Münzeinwurf tachistische Gemälde anfertigten. Tinguely feierte auch als einer der ersten Schweizer Künstler Erfolge in der amerikanischen Kunstszene. Ungleich konventioneller zeigte sich das Werk von Bernhard Luginbühl, neben Tinguely der wichtigste Eisenplastiker der Schweiz (Bildhauerei).
Die amerikanisch geprägte Pop Art fand in der Schweiz nur vereinzelt Nachfolger, unter ihnen etwa Franz Gertsch und Peter Stämpfli. Stärker war die Auseinandersetzung mit der internationalen Konzeptkunst, vermittelt durch die beiden Ausstellungen «When attitudes become form» (1969, Kunsthalle Bern), kuratiert von Harald Szeemann, und « Visualisierte Denkprozesse» (1970, Kunstmuseum Luzern), von Jean-Christophe Ammann. Konzeptuelle Ansätze sind zum Beispiel in der analytischen Malerei von Rémy Zaugg und Aldo Walker auszumachen. Auf Prozesse der Wahrnehmung, wenn auch in spielerischer Ausprägung, konzentrieren sich Künstler wie Markus Raetz oder Hugo Suter. Kunstimmanente Fragen beschäftigen ebenfalls Niele Toroni und Olivier Mosset, die 1967 zusammen mit den Franzosen Daniel Buren und Michel Parmentier die Künstlergruppe BMPT (die Initialen ihrer Namen) gründeten. Einen Anti-Kunst-Gestus hingegen kennzeichnet das Werk von Ben Vautier, der von 1962 bis 1970 zu den führenden Vertretern der Fluxus-Bewegung zählte.
Für den postmodernen Typus des Künstlers stehen John Armleder und Urs Lüthi, deren Werk durch Spiel, Ironie sowie ein stetig wechselndes Formenrepertoire gekennzeichnet ist. Die von Armleder gegründete und von 1973 bis 1980 bestehende Galerie Ecart in Genf nahm als einer der ersten unabhängigen Ausstellungsräume (Off-Spaces) eine Pionierfunktion ein. Weitere Paradigmen der Kunst der 1980er Jahre bildeten die sogenannte wilde Malerei, etwa von Martin Disler und Miriam Cahn, sowie die Objektkunst von unter anderem Ian Anüll, Carmen Perrin und Beat Zoderer. Mit der Konzentration auf das Medium Zeichnung führt Silvia Bächli eine wichtige Linie der Schweizer Kunst fort, die unter anderem von Markus Raetz und André Thomkins geprägt worden ist.
Zur selben Zeit bildete sich vorab in der Westschweiz ― angeregt durch das Ausbildungsangebot der dortigen Kunsthochschule ― eine lebhafte Videokunstszene (Video), zu der etwa Gérald Minkoff, Muriel Olesen, Chérif und Silvie Defraoui oder René Bauermeister gehörten. Ein weiteres Zentrum der Videokunst entstand in Basel, dem neben Muda Mathis auch Pipilotti Rist angehört. Rist, die zu den international erfolgreichsten Kunstschaffenden der Gegenwart zählt, steht mit ihren Videos und Rauminszenierungen beispielhaft für die Haltung einer Generation, die Leichtigkeit mit Hintersinn zu vereinen versteht.
Als Antipode zur elektronischen Kunst erlebte die Performance Art mit ihrem Insistieren auf Authentizität und Einmaligkeit in den 1980er Jahren einen Aufschwung. Als Katalysatoren wirkten dabei die Performanceklassen von Gerhard Lischka an der F+F Schule für Kunst und Mediendesign in Zürich sowie von Norbert Klassen an der Hochschule für Musik und Theater in Bern. Performative Ansätze zeichnen sich durch hohe Durchlässigkeit zu den Nachbardisziplinen Musik, Tanz und Theater aus; zudem sind Produktionsgemeinschaften auffallend häufig (Monika Günther / Ruedi Schill, Muda Mathis & Sus Zwick, Jörg Köppl / Peter Začek) aus. Als starke Einzelperformer treten Yan Duyvendak, Heinrich Lüber und Chantal Michel in Erscheinung.
Singuläre Positionen besetzen Dieter Roth und Roman Signer. Während Roth mit seiner ausufernden, unterschiedlichste Medien umfassenden Produktion für eine ungebärdige Experimentierfreude steht, lenken Signers Aktionen das Augenmerk auf den Ablauf eines Ereignisses, auf die Prozesshaftigkeit der Skulptur. Signer galt lange Zeit als ein Künstler für Künstler («artists' artist») und hat erst spät internationale Anerkennung gefunden. Ganz anders hingegen das Künstlerduo Fischli/Weiss, das in den 1980er Jahren das Kunstparkett betrat, schnell international Karriere machte und mit seiner kollaborativen Arbeitsweise beispielhaft für verschiedene Schweizer Produktionsgemeinschaften wie chiarenza & hauser & co, Gerda Steiner / Jörg Lenzlinger und Lutz & Guggisberg wirkte.
Fotografie und Video dominieren seit der Jahrtausendwende das aktuelle Kunstschaffen. Während bei Teresa Hubbard und Alexander Birchler das Moment der Inszenierung im Vordergrund steht, konzentriert sich Beat Streuli auf Figurengruppen im Stadtraum, die er mittels Teleobjektiv aufnimmt. Den innovativen Spielraum sowie die technische Manipulierbarkeit der digitalen Medien nutzen Kunstschaffende wie Annelies Strba, Yves Netzhammer oder Monica Studer / Christoph van den Berg. Grundsätzlich beschränken sich Kunstschaffende heute nicht auf ein bestimmtes Medium, sondern nutzen die Verfahrensweisen und Techniken ihren künstlerischen Zielsetzungen entsprechend. Gleichzeitig lässt sich auch eine verstärkte Hinwendung der Kunst zu gesellschaftlichen Themen feststellen.
Urs Fischer, Ugo Rondinone, Christoph Büchel und Thomas Hirschhorn gehören einer global vernetzen Kunstwelt an, deren Werke auf Kunstbiennalen und in Museen auf der ganzen Welt zirkulieren. In ihren oftmals mit grosser Geste entworfenen Installationen klingen immer wieder Verweise auf kunsthistorische Vorbilder an. Während Fischer und Rondinone eher individuelle Befindlichkeiten thematisieren, sind Büchel und Hirschhorns Arbeiten deutlich politischer gefärbt. Vor allem Hirschhorns Arbeiten lösen immer wieder Kontroversen aus, so seine kritische Ausstellung Swiss-Swiss-Democracy im Centre Culturel Suisse in Paris im Jahr 2004, in deren Folge das eidgenössische Parlament der Kulturstiftung Pro Helvetia das Jahresbudget um eine Million Franken kürzte. Wesentlich leiser tritt Ursula Biemann mit ihren essayistisch gefärbten Videos auf, in denen die Mobilität in der globalisierten Welt eine zentrale Rolle spielt.