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Freimaurerei

Rituelle Schürze von Eric-Magnus, Baron de Staël-Holstein, um 1790 (Château de Coppet; Fotografie Bibliothèque de Genève, Archives Nicolas Bouvier).
Rituelle Schürze von Eric-Magnus, Baron de Staël-Holstein, um 1790 (Château de Coppet; Fotografie Bibliothèque de Genève, Archives Nicolas Bouvier). […]

Bruderschaft, deren Ziel die moralische Veredelung ihrer Mitglieder und die Anwendung humanitärer Prinzipien ist. Die moderne, spekulative Freimaurerei entstand 1717 in England mit der Gründung der ersten Grossloge in London. Die Freimaurer sehen sich als Nachfahren der freien Maurer und Baumeister (Werkmaurerei) des Mittelalters. Ihren Kern bildet die Loge (oder Bauhütte), die aus mindestens sieben Mitgliedern besteht. Nach der Aufnahme durch die rituelle Initiation durchlaufen die Eingeweihten drei symbolische Grade: Lehrling, Geselle und Meister. Ab dem Ende des 18. Jahrhunderts erweiterten viele Logen die Anzahl Grade (Ritter- oder Hochgrade).

18. Jahrhundert

Die erste Freimaurerloge der Schweiz, die Société des maçons libres du parfait contentement, wurde 1736 von Lord George Hamilton in Genf als Tochterloge der Grossloge von London gegründet. Trotz Verbot der Regierung gab es 1744 in Genf bereits sechs Logen, darunter auch eine gemischte für Männer und Frauen. Doch der Staat witterte Gefahr in einer Institution, die keiner obrigkeitlichen Kontrolle unterlag und Beziehungen zum Ausland unterhielt. 1768 entstand ebenfalls in Genf die Union des Cœurs, die älteste noch aktive Loge der Schweiz. Die Gründung der Grande Loge nationale de Genève, die 1769 von neun Genfer Logen ins Leben gerufen wurde, leitete die Loslösung vom englischen Einfluss und die Annäherung an Frankreich ein. Nach der Niederschlagung der Genfer Revolution von 1782 bestand sie im Geheimen unter dem Namen Grand Orient national de Genève weiter. Während der Herrschaft Frankreichs über Genf gründete die französische Grossloge, der Grand Orient de France, mehrere Logen, unter anderem die Fraternité (1799) und die Etoile du Léman (1807), die noch immer existieren. 1801 zählte Genf bei einer Gesamtbevölkerung von 25'000 Einwohnern rund 200 Freimaurer, die sich auf 18 Logen verteilten.

Die Freimaurer. Radierung von David Herrliberger aus seinem 1748 in Zürich erschienenen Werk Heilige Ceremonien Gottes- und Götzen-Dienste aller Völker der Welt (Bernisches Historisches Museum; Fotografie Stefan Rebsamen).
Die Freimaurer. Radierung von David Herrliberger aus seinem 1748 in Zürich erschienenen Werk Heilige Ceremonien Gottes- und Götzen-Dienste aller Völker der Welt (Bernisches Historisches Museum; Fotografie Stefan Rebsamen). […]

In der Waadt gründeten Ausländer 1739-1740 die erste Loge in Lausanne. Auch der Berner Rat untersagte die Logen in seinem Untertanengebiet (1745), hatte aber nicht mehr Erfolg als Genf: Logen gab es 1760 in Bex, 1783 in Montreux, 1786 in Morges, 1790 in Vevey und 1798 in Aubonne. Im Fürstentum Neuenburg war die Lage einfacher, weil der Souverän selbst Freimaurer war. Eine Loge entstand 1743 in Neuenburg, löste sich aber Ende der 1750er Jahre auf, eine weitere wurde 1774 in Le Locle gegründet, eine dritte 1791 wiederum in Neuenburg. Zwei Logen sind in Freiburg belegt; die eine um 1758-1759, die andere um 1762-1763.

In der Deutschschweiz scheiterte der erste Gründungsversuch 1740 in Bern am Widerstand der Obrigkeit. Die erste Basler Loge stammt aus dem Jahr 1744; in Zürich entstand 1771 die französischsprachige Loge La Discrétion, die 1772 zum Deutschen wechselte und den Namen Modestia cum Libertate annahm. Berner Offiziere in französischen Diensten gründeten in ihrer Stadt 1798 die drei ersten Logen; die erste offizielle Loge, Zur Hoffnung, wurde 1803 eröffnet.

Grosse Bedeutung hatten die militärischen Logen in Frankreich, von denen es am Vorabend der Revolution 68 gab. Viele Schweizer Offiziere traten diesen bei. Charakteristisch für die Schweizer Freimaurerei waren die zahlreichen Verbindungen zu ausländischen Logen, je nach politischen und kulturellen Präferenzen, zu englischen, französischen oder preussischen. Diese unterschiedliche Ausrichtung erschwerte den Zusammenschluss der Logen innerhalb der Eidgenossenschaft. Ein Annäherungsversuch führte 1779 zur Schaffung des Directoire helvétique romand (Logen des französischen Ritus) und des Directoire helvétique allemand (rektifizierter schottischer Ritus). In der Schweiz wie anderswo im aufgeklärten Europa des 18. Jahrhunderts war die Freimaurerei ein gesellschaftliches Forum, das den Zeitgeist traf, dies trotz der Verurteilungen Roms (durch die Päpste Clemens XII. 1738 und Benedikt XIV. 1751). Adlige, Patrizier, wohlhabende und gebildete Bürger, Pfarrer und Priester liessen sich zu Freimaurern weihen. In den Logen wurden neue Ideen und Strömungen diskutiert. Frédéric-César de La Harpe, Peter Ochs, Pierre-Maurice Glayre, Gabriel-Antoine Miéville und Heinrich Zschokke waren Freimaurer. Die Jahre 1789-1798 waren schwierig für die Freimaurerei, weil die Regierungen in den Brüdern Partisanen der Revolution sahen. In der Helvetischen Republik und der Mediation erhielt die Bewegung neuen Zustrom.

19. Jahrhundert

Während der Restauration (1815-1830) und der Regeneration (1830-1848) traten vornehmlich Angehörige des liberalen Bürgertums der Freimaurerei bei. Der nationale Einigungsprozess, der 1848 zum Bundesstaat führte, prägte auch die Geschichte der Freimaurerei. 1810-1840 scheiterten mehrere Versuche zur Errichtung sprachregionaler oder nationaler Grosslogen, so war dem 1810 von Waadtländern gegründeten Grand Orient national helvétique romand ebensowenig Erfolg beschieden wie der 1822 ins Leben gerufenen Grande Loge nationale suisse. Im Juni 1844 wurde durch 15 Logen die Grossloge Alpina als schweizerische Dachorganisation gegründet, die noch heute besteht. Der Zürcher Historiker Johann Jakob Hottinger wurde ihr erster Grossmeister und Jonas Furrer, der Bundespräsident von 1848, der Grossredner.

Die Logen in Basel und Zürich folgten dem rektifizierten schottischen Ritus, der sich an einem reformierten Christentum mit starken pietistischen und mystischen Elementen orientierte. Zwei typische Vertreter dieser Strömung waren der Zürcher Arzt Diethelm Lavater und der Zürcher Regierungsrat Johann Caspar Bluntschli, ein Schüler des deutschen pantheistischen Mystikers Friedrich Rohmer. In der Westschweiz, die unter dem Einfluss des nahen Frankreichs stand, blieb dieser konservative Flügel, dessen einzige wichtige Loge die Union des Cœurs in Genf war, in der Minderheit. Unter der Leitung des Historikers Jean-Barthélemy-Gaïfre Galiffe zählte sie zahlreiche Pastoren, die in der Erweckungsbewegung tätig waren.

Die Verurteilung der Freimaurerei durch die katholische Kirche unter Pius VII. 1821 und Leo XIII. 1884 (Enzyklika «Humanum genus») stärkte in den Logen antiklerikales und agnostizistisches Gedankengut, das seine Parallelen auch in der laizistischen Ideologie der freisinnigen Partei hatte. 1871 gründete Louis Ruchonnet die waadtländische Loge Liberté. In Genf war die Fidélité et Prudence 1880-1902 die freisinnige Loge schlechthin; Georges Favon und Adrien Lachenal zählten zu ihren Brüdern. Die Genfer Logen waren politisch sehr engagiert und debattierten über Arbeitsrecht, Versicherungszwang, Erziehungswesen, Reform der öffentlichen Fürsorge, Gesetzgebung für verlassene und verwahrloste Kinder und über die Trennung von Kirche und Staat, die 1907 in einer Volksabstimmung angenommen wurde. Aufgrund ihrer Statuten entfalteten die Freimaurer eine rege gemeinnützige Tätigkeit. Im Kanton Waadt zum Beispiel unterstützten sie Spitäler, Altersheime, Krippen und Schulkantinen, in St. Gallen Kindergärten.

In den katholischen Kantonen reagierte die Kirche mit heftiger Opposition. Nach erbittertem Widerstand durch den Klerus sah sich die Freiburger Loge La Régénérée (gegründet 1851) gezwungen, ihren Tempel 1885 an eine Ordensgemeinschaft zu verkaufen; 1902 löste sie sich auf. Im Tessin war der Widerstand von Kirche und konservativer Partei so stark, dass die erste Loge, Il Dovere, erst 1877 in Lugano gegründet werden konnte. Der Initiant war der italienische Konsul; die Loge war deshalb auch Tochter des Grossorients von Italien und trat erst 1884 der Alpina bei. Im protestantischen Genf gelang es der katholishen Kirche, durch einen Strohmann das einzige Tempelgebäude aufzukaufen und in die Kirche Sacré-Cœur umzuwandeln.

20. Jahrhundert

In 20. Jahrhundert prägten drei wichtige Ereignisse die Geschichte der schweizerischen Freimaurerei: die Fonjallaz-Initiative, die Entwicklung der internationalen Beziehungen und die Entstehung einer «liberalen» Freimaurerei.

Plakat zur eidgenössischen Abstimmung vom 28. November 1937, gestaltet von Noël Fontanet (Museum für Gestaltung Zürich, Plakatsammlung, Zürcher Hochschule der Künste).
Plakat zur eidgenössischen Abstimmung vom 28. November 1937, gestaltet von Noël Fontanet (Museum für Gestaltung Zürich, Plakatsammlung, Zürcher Hochschule der Künste). […]
"Die Initiative der Nationalen Front: Nein". Plakat zur Abstimmung vom 28. November 1937, gestaltet von Hugo Laubi (Museum für Gestaltung Zürich, Plakatsammlung, Zürcher Hochschule der Künste).
"Die Initiative der Nationalen Front: Nein". Plakat zur Abstimmung vom 28. November 1937, gestaltet von Hugo Laubi (Museum für Gestaltung Zürich, Plakatsammlung, Zürcher Hochschule der Künste). […]

Für die nationalistischen und frontistischen Bewegungen der Zwischenkriegszeit, Gegner der liberalen Demokratie, war die Freimaurerei eine der «Internationale», die es auszuschalten galt. Im April 1934 lancierte der Waadtländer Arthur Fonjallaz, Oberst und Führer einer rechtsextremen Front, eine Initiative zur Abschaffung der Freimaurerei und ähnlicher Organisationen in der Schweiz. Er hinterlegte sie im Oktober desselben Jahres mit 56'238 Unterschriften. Der Bundesrat sprach sich gegen die Initiative aus, weil sie die Vereinsfreiheit verletzte. In der Volksabstimmung vom 28. November 1937 wurde sie mit 515'327 zu 234'980 Stimmen verworfen (Beteiligung von 64,5%). Einzig der Kanton Freiburg nahm sie an, jedoch bei grosser Stimmenthaltung (53% bei einer Beteiligung von 43%), was der Freiburger Historiker Georges Andrey durch den Einfluss des Korporativismus, die Präsenz der katholischen Universität und die traditionelle Anti-Freimaurer-Propaganda erklärt. Die anderen Westschweizer Kantone wiesen einen relativ grossen Anteil an Befürwortern auf (zum Teil über ein Drittel), während die Deutschschweiz die Initiative deutlich verwarf. Trotz dieses Sieges litt die Freimaurerei nach dem Zweiten Weltkrieg an starkem Mitgliederschwund; die Zahl der Brüder halbierte sich 1935-1945 von rund 5000 auf etwa 2500. Viele traten aus den Logen aus, und nur wenige liessen sich zu Freimaurern weihen. Erst in den 1970er Jahren wurde die Freimaurerei wieder attraktiv, in den 1990er Jahre verzeichnete sie gar einen starken Zustrom.

Die erste Freimaurerei, die in der Aufklärung entstanden war, zeigte sich in Religionsfragen tolerant. Aber die Mutterloge von England (1813) versuchte, der sogenannten regulären Freimaurerei weltweit die Verpflichtung zum Glauben an Gott aufzuerlegen. Gefolgt von den meisten romanischen Ländern, verzichtete der Grand Orient de France 1877 auf den Glaubenszwang. 1889 schlug er die Gründung einer Fédération maçonnique internationale vor, die 1902 am internationalen Freimaurer-Kongress in Genf verwirklicht wurde. 1903 wurde in Neuenburg ein Bureau international des relations maçonniques unter der Leitung des ehemaligen Regierungsrates Edouard Quartier-la-Tente eröffnet, der 1900-1905 Grossmeister der Alpina war. Der Erste Weltkrieg unterbrach die Tätigkeit des Büros, doch wurde es 1921 unter dem Namen Association maçonnique internationale (AMI) neu geschaffen. Die AMI vereinigte 1923 500'000 Mitglieder aus 38 nationalen Tochterlogen. Weil sie in der Gefolgschaft des Grand Orient de France die romanische agnostizistische Strömung vertrat, wurde sie von der angelsächsischen Freimaurerei bekämpft.

Die Gegensätze verschärften sich nach dem Zweiten Weltkrieg. In der Schweiz versuchte man 1949 mit den «Fünf Punkten von Winterthur» einen Mittelweg zwischen den zwei Strömungen zu beschreiten, aber das Unternehmen scheiterte auf Druck der Mutterloge von England. Der Grossmeister der Alpina, Albert Natural, musste die AMI 1950 auflösen und alle Beziehungen zum Grand Orient de France abbrechen. Besonders in der welschen Schweiz wurde dieser Bruch sehr schlecht aufgenommen. Einige Brüder verliessen die Alpina und gründeten in Lausanne und Zürich Logen, die sich 1959 zum Grand Orient de Suisse zusammenschlossen. 1966 brach die Alpina auf Druck Englands alle Beziehungen zur Grande Loge de France ab, was zu erneuten Austritten und 1967 zur Schaffung der Grossloge der Schweiz führte, die seit 1996 wieder den Titel Grossorient der Schweiz trägt. Diese sogenannte liberale Freimaurerei zählte 1999 etwas weniger als 400 Mitglieder, die in 14 Logen aufgeteilt waren (2003 in 20 Logen), davon drei (später vier) in der Deutschschweiz. Die Alpina zählte gleichzeitig rund 4000 Mitglieder, verteilt auf 79 Logen, davon zwei in Graubünden, fünf im Tessin, 28 in der Deutschschweiz und 44 in der Romandie. Die schweizerische Freimaurerei steht heute beiden Geschlechtern offen: 1999 gab es sieben Logen der Gemischten Grossloge der Schweiz (etwa 100 Mitglieder) und drei der Grande Loge Suisse du Rite Ancien et Primitif de Memphis-Misraïm (1962). Eine ausschliesslich weibliche Freimaurerei entstand 1976 (Schweizerische Frauen-Grossloge, ca. 350 Mitglieder 1999, 16 Logen 2003).

Da die Freimaurerei auf der Verschwiegenheit gegenüber Uneingeweihten (den sogenannten Profanen) beruht, zirkulierten bald Anfeindungen und Gerüchte aller Art, besonders über schwarze Rituale. Seit etwa drei Jahrzehnten sind die Logen bereit, verschiedene Aspekte ihrer Tätigkeiten und Geschichte zu enthüllen. Zum Anlass ihres 150-jährigen Bestehens veranstaltete die Loge La Régénéréé eine Ausstellung in Freiburg. Die Schweizerische Grossloge Alpina, der Grossorient der Schweiz sowie zahlreiche Tochterlogen besitzen nun ihre Web-Site. Die Vorurteile sind aber zählebig; so forderte noch 2003 ein SVP-Grossrat des Kantons Wallis, die der Freimaurerei angehörigen Magistraten sollten sich zu erkennen geben.

Quellen und Literatur

  • Alpina: Organ der Schweiz. Grossloge Alpina, 1875-
  • Guide du franc-maçon, 1998 (mit Beil.)
  • F. Ruchon, Histoire de la Franc-maçonnerie à Genève de 1736 à 1900, 1935, (Neudr. 2004)
  • B. Schneider, «Die Fonjallaz-Initiative», in SZG 24, 1974, 666-710
  • Dictionnaire universel de la maçonnerie, unter der Leitung von D. Ligou, 31991
  • M. Cugnet, Deux siècles et demi de franc-maçonnerie en Suisse et dans le Pays de Neuchâtel, 1991
  • Schweiz. Grossloge Alpina: Buch der 150 Jahre 1844-1994, 1993
  • A. Bernheim, Les débuts de la franc-maçonnerie à Genève et en Suisse, 1994
  • La franc-maçonnerie à Fribourg et en Suisse du XVIIIe au XXe siècle, hg. von Y. Lehnherr, J. Guiot, 2001
  • P. Walliser, Die Freimaurerei im Kt. Solothurn während des 19. Jh., 2001
Weblinks

Zitiervorschlag

HLS DHS DSS: "Freimaurerei", in: Historisches Lexikon der Schweiz (HLS), Version vom 15.05.2007, übersetzt aus dem Französischen. Online: https://hls-dhs-dss.ch/de/articles/011395/2007-05-15/, konsultiert am 19.03.2024.