Der Ausdruck Thomismus bezeichnet eine philosophische oder theologische Lehre innerhalb der Scholastik, die sich ausdrücklich auf Thomas von Aquin beruft und dessen Doktrin als Massstab der Wahrheit anerkennt. Philosophisch gesehen lässt sich der Thomismus schematisch im Bereich der Ontologie durch die Lehre von Akt und Potenz, die Unterscheidung von Wesen und Dasein sowie der Analogie des Seins charakterisieren, während sich die praktische Philosophie des Thomismus durch die Verteidigung des Naturrechts auszeichnet. Bereits um die Wende vom 13. zum 14. Jahrhundert hat sich namentlich im Dominikanerorden eine thomistische Schule herausgebildet, die sich vor allem in der Universalienfrage vom Scotismus und vom Nominalismus abgrenzte. Für die Durchsetzung des Thomismus als massgebende Doktrin für die katholische Theologie waren zunächst das Konzil von Trient (1545-1563), später die Enzyklika "Aeterni Patris" (1879) von Papst Leo XIII. ausschlaggebend. Besondere Bedeutung erlangte der Thomismus in der Schweiz durch die Gründung der Universität Freiburg (1889), da durch eine bis 1985 gültige Konvention die Lehrstühle der Theologie und der Philosophie dem Dominikanerorden anvertraut wurden. Auf dieser Grundlage entwickelte sich in Freiburg, vor allem im Bereich der Philosophie, eine eigene Richtung des Thomismus, die bis zum Zweiten Vatikanischen Konzil (1962-1965) den Schweizer Katholizismus massgeblich prägte. Im Bereich der Metaphysik ragte Gallus Maria Manser hervor, durch Arthur Fridolin Utz stieg Freiburg zu einem Zentrum der christlichen Gesellschafts- und Soziallehre auf, wo eine naturrechtlich begründete Moral und Politik gelehrt werden. Joseph M. Bochenski suchte nicht nur das Gespräch des Thomismus mit der zeitgenössischen Philosophie, sondern führte auch die wissenschaftliche Auseinandersetzung mit dem Kommunismus.
Quellen und Literatur
- G.M. Manser, Das Wesen des Thomismus, 31949
- Christl. Philosophie im kath. Denken des 19. und 20. Jh., hg. von E. Coreth et al., 3 Bde., 1987-90
- Gesch der Univ. Freiburg Schweiz, 1889-1989, Bd. 2, 1991
- R. Imbach, «Thomist. Philosophie in Freiburg: Gallus M. Manser», in Menschen und Werke, 1991, 85-113
- E. Habsburg-Lothringen, Das Ende des Neuthomismus, 2007
- H. Gianini, Renaissance thomiste et conversions au catholicisme en Suisse romande durant l'entre-deux-guerres, Liz. Freiburg, 2009
Weblinks