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Christkatholische Kirche

Altkatholische Kirche

Die christkatholische, auch altkatholische Kirche genannt, konstituierte sich in der Schweiz zwischen 1871 und 1876 unter den Begleitumständen des Kulturkampfes. Den unmittelbaren Anstoss bildeten die beiden auf dem Ersten Vatikanischen Konzil 1870 definierten Dogmen vom Universalprimat und der Lehrunfehlbarkeit des Papstes (Katholische Kirche). Dagegen formierte sich ein breit gefächerter Widerstand liberal gesinnter Katholiken, die sowohl staatsbürgerlich-politische wie kirchlich-religiöse Argumente ins Feld führten. Die Bildung einer nationalen bischöflich-synodalen katholischen Kirche ausserhalb der päpstlichen Jurisdiktion trieb zuerst der 1871 gegründete und in Ortsvereinen gegliederte «Schweizerische Verein freisinniger Katholiken» voran. 1875 konstituierte sich in Olten die Synode der christkatholischen Kirchen, die als Bistum organisiert war, und setzte eine neue Kirchenverfassung in Kraft, die 1989 total revidiert wurde. Dem Bistum schlossen sich die 1873 vom Staat im Kanton Genf errichtete «Eglise catholique nationale» an, die nach 1909 noch zwei Gemeinden zählte, und die 1874 ebenfalls vom Staat ins Leben gerufene «Katholische Synode» im Kanton Bern, die ab 1885 noch vier Gemeinden aufwies. 1876 wählte die Synode Eduard Herzog zum Bischof, der in Rheinfelden durch den deutschen altkatholischen Bischof konsekriert wurde. Damit kam die äussere Organisation als sogenanntes Nationalbistum, das im selben Jahr die bundesrätliche Genehmigung erhielt, zum Abschluss.

Die Organisation der christkatholischen Kirchen war vornehmlich das Werk radikaler katholischer Politiker, die vor allem bei städtischen Schichten Unterstützung fanden. Die theologisch-kirchliche Profilierung verdankt sich dagegen unter anderem Eduard Herzog und Eugène Michaud, die beide an der 1874 errichteten christkatholisch-theologischen Fakultät der Universität Bern (seit 2001 Christkatholische und Evangelische Theologische Fakultät) lehrten. Diese Profilierung war gekennzeichnet einerseits durch eine Anknüpfung an den älteren schweizerischen katholischen Liberalismus und andererseits durch die Übernahme der deutschen altkatholischen Programmatik, wie sie unter der Führung von Ignaz von Döllinger im Münchner Programm von 1871 formuliert worden war. Inhaltlich zentral sind dort erstens der Protest gegen die zentralistische Kirchenverfassung und Frömmigkeit, die mit Hilfe der Papstdogmen erfolgreich durchgesetzt wurden, zweitens die Reform von Verfassung (Stärkung des Laienelements), Liturgie und Disziplin (z.B. Aufhebung des Zwangszölibats für Priester), drittens die Herstellung einer kirchlichen Gemeinschaft und Einheit auf altkirchlicher, d.h. nicht kurial-zentralistischer Grundlage. Diese doppelte Zielsetzung, die in einer Grundsatzerklärung der Synode von 1876 festgehalten ist, hat die nach chaotischen Anfängen einsetzende innere Konsolidierung der christkatholischen Kirchen bestimmt. Zu den neueren Entwicklungen gehört die Ordination von Frauen zum Priestertum (1999).

Die christkatholischen Bischöfe der Schweiz

Amtsdaten 
1876-1924Eduard Herzog
1924-1955Adolf Küry
1955-1972Urs Küry
1972-1986Léon Gauthier
1986-2001Hans Gerny
2001-2009Fritz René Müller
2009-Harald Rein
Die christkatholischen Bischöfe der Schweiz -  Christkatholische Kirche der Schweiz

Das oberste Organ der christkatholischen Kirchen ist der Bischof mit Sitz in Bern und die jährlich zusammentretende Nationalsynode, die aus Geistlichen und Laiendelegierten besteht. Die in der Regel vom Staat anerkannten 33 Kirchgemeinden befanden sich im Jahr 2000 in den Kantonen Aargau, Solothurn, Bern, Zürich, den beiden Basel, Luzern, Genf, St. Gallen, Schaffhausen und Neuenburg. Die Mitgliederzahl nimmt seit der Gründung kontinuierlich ab: 1877 waren es 46'600, 1930 noch 27'900, 1990 14'400 und 2000 13'100. Die christkatholische Kirche ist über ihren Bischof, der Mitglied der 1889 gegründeten Utrechter Union der altkatholischen Bischöfe ist, mit den anderen altkatholischen Kirchen sowohl in Europa, nämlich mit denjenigen in den Niederlanden, Deutschland, Österreich, der Tschechischen Republik, Kroatien, Polen und der Slowakei, als auch in Nordamerika in Gemeinschaft verbunden. Die altkirchlich orientierte ökumenische Zielsetzung der christkatholischen Kirchen (Ökumene) führte zu besonders engen Beziehungen mit der anglikanischen und der orthodoxen Kirche. Das christkatholische Hilfswerk «Partner sein» unterstützt viele Projekte in Bistümern dieser beiden Kirchen.

Quellen und Literatur

  • V. Conzemius, Katholizismus ohne Rom, 1969
  • TRE 2, 337-344
  • U. Küry, Die Altkath. Kirche, 1966 (31982)
  • P. Stadler, Der Kulturkampf in der Schweiz, 1984 (21996)
  • Ökumen. Kirchengesch. der Schweiz, hg. von L. Vischer et al., 1994 (21998)
  • U. von Arx, «Vor 125 Jahren», in Christkath. Kirchenbl., 1996-2001
  • U. von Arx, H. Rein, Die christkath. Kirche der Schweiz, 2000
  • A. Gendre et al., Entre Rome et Genève: les 125 ans de l'Eglise catholique-chrétienne dans le canton de Neuchâtel, 2001
Von der Redaktion ergänzt
  • Scholl, Sarah: En quête d'une modernité religieuse. La création de l'église catholique chrétienne de Genève au cœur du Kulturkampf (1870-1907), 2014.
Weblinks

Zitiervorschlag

Urs von Arx: "Christkatholische Kirche", in: Historisches Lexikon der Schweiz (HLS), Version vom 04.03.2010. Online: https://hls-dhs-dss.ch/de/articles/011432/2010-03-04/, konsultiert am 28.03.2024.