Autorin/Autor:
Marita Haller-Dirr
Im christlichen Sinn gründet der Begriff Mission (von lateinisch missio, deutsch Auftrag, Sendung) auf dem Missionsauftrag Jesu Christi (Matthäus 28,18-20; Apostelgeschichte 1,8) und wurde ab dem 16. Jahrhundert meist für die Verkündigung des Evangeliums und die gezielte Ausbreitung des Christentums unter verschiedenen früher Heidenvölker genannten Volksgruppen verwendet. Die als Missionen bezeichneten missionarisch tätigen Gesellschaften waren in transnationale Netzwerke eingebunden und beschäftigten in manchen Fällen einen bedeutenden Anteil an ausländischem Personal. Die moralische und finanzielle Unterstützung der Missionen kam vom sogenannten Missionswesen in den Herkunftsländern. Die Einsätze der Missionare in Übersee schlossen nebst religiösen oft auch karitative, medizinische sowie entwicklungsbezogene Dienste ein und wurden als äussere Mission bezeichnet, im Gegensatz zur sogenannten inneren Mission (Volksmissionen). Des Weiteren soll Mission hier von Bekehrungsbemühungen bei Angehörigen anderer christlicher Konfessionen, Juden oder Moslems abgegrenzt werden. Mitunter wird auch die Seelsorge bei Einwanderern, beispielsweise in den Kolonien Nordamerikas, als Mission bezeichnet.
Den Missionen wird seit den 1960er Jahren ihr Mittragen des Kolonialismus, Kulturverachtung, Arroganz, Ethnozentrismus und Proselytenmacherei vorgeworfen. Neuere Forschung betont allerdings die Rolle einzelner Missionare als Anwälte der einheimischen Bevölkerung gegenüber der Kolonialverwaltung und Leistungen wie die Verschriftlichung einheimischer Sprachen oder naturwissenschaftlicher Inventarisierungen.
Geschichte der Mission
Autorin/Autor:
Marita Haller-Dirr
Die Missionsgeschichte lässt sich in vier Phasen unterteilen. In der ersten Phase vom 2. bis ins 15. Jahrhundert fand die sogenannte Erstmission als eigentliche Christianisierung statt. In der zweiten Phase vom 16. bis zum 18. Jahrhundert wurde das christliche Abendland mit der nichtchristlichen Neuen Welt konfrontiert. Die katholische Kirche unterstützte die kolonialen Herrschaftsansprüche der katholischen Mächte Spanien und Portugal und stattete diese mit einem nationalen Missionsmonopol aus. 1622 wurde die Mission durch die Gründung der Propaganda Fide von Rom aus straff organisiert. Die evangelische Mission gewann mit dem Aufstieg Englands und Hollands zu Kolonialmächten im 18. Jahrhundert an Bedeutung. In der dritten Phase vom 19. bis ins 20. Jahrhundert führten neue religiöse Impulse zu einem Erstarken der Philanthropie und somit auch der Missionen, die im Verbund mit dem Imperialismus eine Hochblüte erfuhren. Die Erlebnisse der Missionare bei den fremden Völkern wurden in Gottesdiensten und im Religionsunterricht aufgenommen. In der vierten Phase nach ca. 1960 brachten die Dekolonialisierung und auf der katholischen Seite auch das Zweite Vatikanum einen Paradigmenwechsel. In den vormaligen Kolonien entstanden eigenständige Ortskirchen und die Missionen positionierten sich neu als nichtstaatliche Organisationen im Bereich der Entwicklungszusammenarbeit, wobei vermehrt auch Laien eingesetzt wurden.
Die katholischen Missionen
Autorin/Autor:
Marita Haller-Dirr
In der frühen Neuzeit finden sich nur vereinzelte katholische Schweizer Missionare. Erster Schweizer Missionar war Pietro Berno, der 1579 in Goa (Indien) ankam. Das Hauptkontingent an Missionskräften stellten die Jesuiten. Etwa 45 Schweizer Jesuiten wirkten in der frühen Neuzeit in den verschiedensten Missionsfeldern. 1719-1759 missionierten Schweizer Kapuziner in Russland; dies war die erste Gebietsmission einer schweizerischen Gruppe.
Zu Anfang des 19. Jahrhunderts entstanden sogenannte Missionsvereine, die zur wichtigsten Finanzquelle der Missionen wurden und nach 1880 einen Gründungsboom erlebten. Der bedeutendste katholische Missionsorden der Schweiz waren die Kapuziner; als markante Persönlichkeit gilt der in Indien tätige Kapuzinerbischof Anastasius Hartmann. Er wurde von Schweizer Jesuiten unterstützt, die später auch sein Werk weiterführten. Erst 1920 wurde den Kapuzinern von der Propaganda Fide das ostafrikanische Vikariat Dar es Salaam (heute Tansania) zugewiesen, wohin die ersten Ordensbrüder 1921 reisten. 1922 übernahm die Provinz ein zweites Missionsgebiet, die Diözese Port Victoria auf den Seychellen.
Schweizer Benediktiner zogen von den beiden Klöstern Einsiedeln und Engelberg aus in die Mission. Einsiedeln gründete 1854 in den USA das Kloster St. Meinrad, das auch in der sogenannten Indianermission tätig war. Bedeutend war der sogenannte Apostel der Sioux, Bischof Martin Marty. 1948 zogen Einsiedler Mönche zudem nach Argentinien. Engelberger Benediktiner folgten den Einsiedlern 1873 in die Staaten und übernahmen 1932 eine Mission in Französisch-Kamerun, in der sich 30 Mönche engagierten. Die Missionskongregation der Benediktiner von St. Ottilien in Bayern, die auf den Luzerner Andreas Amrhein zurückgeht, betrieb während der deutschen Kolonialherrschaft das Missionsgebiet Dar es Salaam, das nach dem Ersten Weltkrieg von den Schweizer Kapuzinern übernommen wurde. Nachdem die Briten 1922 die Niederlassung der Missionsbenediktiner von St. Ottilien zivilrechtlich als eigene Missionsgesellschaft mit Sitz in Uznach anerkannt hatten, konnten die Benediktiner die apostolische Präfektur Lindi in Britisch-Ostafrika (heute Tansania) unter Bischof Gallus Steiger führen.
Die Bethlehem Mission Immensee (SMB) gilt seit 1921 als Missionsgesellschaft; 1924 reisten die ersten Missionare nach China aus. Als weitere Missionsgebiete folgten Japan, die USA, Taiwan, Kolumbien und das heutige Simbabwe. Ab 1933 hielten sich Augustiner Chorherren vom Grossen St. Bernhard in China und ab 1934 solche von Saint-Maurice in Indien und Peru auf. Zahlreiche Schweizer missionierten für ausländische Orden oder Kongregationen, so etwa für die Mariannhiller Missionare, Redemptoristen, Salettiner, Salvatorianer, Spiritaner, Steyler Missionare oder die Weissen Väter (heute Missionaries of Africa). Gesamthaft waren um die 1000 katholische Schweizer Männer im 19. und 20. Jahrhundert in einem Missionseinsatz.
Engelberger Benediktiner mit einem Lehrling in der Schuhmacherei und Sattlerei der Missionsstation Otélé in Kamerun. Fotografie, 1961 (Stiftsarchiv Engelberg).
[…]
Neben den Ordensmännern standen in diesem Zeitraum ebenfalls gegen 1000 Schwestern im Missionsdienst. Zuerst reisten 1874 fünf Benediktinerinnen von Maria-Rickenbach und 1882 zwei von Sarnen in die USA und engagierten sich in der Indianermission. 1883 übernahmen die Schwestern von Menzingen ein Missionsmandat in Südafrika, es folgten weitere Einsätze in Afrika als auch in Asien und Südamerika. 1888 zogen sechs Schwestern des Kapuzinerinnenklosters Maria Hilf in Altstätten nach Ecuador und Kolumbien sowie Benediktinerinnen aus dem Melchtal in die USA. Ab 1894 reisten Schwestern von Ingenbohl nach Indien, in die USA, nach Litauen und in die Mandschurei. Dominikanerinnen aus dem Kloster Illanz waren ab 1920 in China, später noch in Brasilien und auf den Philippinen tätig. Schwestern von Baldegg begleiteten 1921 die Kapuziner nach Britisch-Ostafrika und engagierten sich später in Papua-Neuguinea und Äthiopien. Die St.-Anna-Schwestern von Luzern sandten ab 1927 Missionarinnen aus, vor allem nach Indien. Schwestern von Heiligkreuz arbeiteten ab 1931 primär in der Mandschurei, Ursulinen von Brig ab 1934 in Südafrika und ab 1953 in Indien und die Sarner Benediktinerinnen ab 1938 zusätzlich in Französisch-Kamerun. Schweizerinnen in ausländischen Ordensgemeinschaften waren insbesondere für die Missionsbenediktinerinnen von Tutzing, die Weissen Schwestern und die St. Josefsschwestern von Cluny tätig. Organisationen wie etwa der 1926 gegründete Schweizerische katholische Verein missionsärztlicher Fürsorge (heute SolidarMed) und die 1932 ins Leben gerufene schweizerische Abteilung der Missionsverkehrsarbeitsgemeinschaft waren für das Missionswesen von grosser Bedeutung.
Autorin/Autor:
Marita Haller-Dirr
Bis 1800 beschäftigten sich die Reformationskirchen kaum mit einem nach aussen organisierten Sendungsauftrag. In der Schweiz war die Herrnhuter Brüdergemeine Bahnbrecher der evangelischen Mission. Vor 1750 zogen die ersten Schweizer für sie in den Missionsdienst auf die Antillen und nach Niederländisch-Guayana (heute Suriname).
Auf reformierter Seite entstand die Missionsbewegung aus dem Pietismus und den Erweckungsbewegungen. Aus der 1780 in Basel gegründeten Deutschen Christentumsgesellschaft ging 1815 die Basler Mission hervor. Diese missionierte ab 1821 in Westafrika, Indien, China und Südostasien und war die bedeutendste reformierte Missionsgesellschaft der Schweiz. Zudem führte sie 1859-1917 als einzige Schweizer Mission eine eigene Handelsgesellschaft (Basler Handelsgesellschaft). Nach ihrer Gründung 1840 sandte die Pilgermission St. Chrischona (Chrischona-Gemeinden) Missionare nach Palästina (1846) und Äthiopien (1856).
In den 1820er Jahren entstanden in der Waadt, in Genf und in Neuenburg Missionsgesellschaften, die sich vorerst nicht in der Staatskirche entfalten konnten. 1871 wurden zwei Missionare der waadtländischen Freikirche in die Lesotho Mission der Pariser Mission geschickt. 1874 beschloss die Synode der Freikirche der Waadt in Yverdon diesen Auftrag selbst zu übernehmen und rief die Mission vaudoise ins Leben. Diese dehnte ihr Missionswerk nach Portugiesisch-Ostafrika (heute Mosambik) aus und bekam Unterstützung durch die Freikirchen von Genf und Neuenburg. Ab 1895 nannte sich die von den drei westschweizerischen Freikirchen getragene Gesellschaft Mission Romande, später Südafrika-Mission. 1897 gründete Héli Chatelain die Philafrikanische Mission in Portugiesisch-Westafrika (heute Angola). 1945 verselbstständigte sich die vormals von einem deutschen Mutterverein abhängige Schweizerische Ostasien-Mission. Ein wichtiger Schritt zur Koordination des bis anhin verzettelten reformierten Missionswerks war 1944 die Gründung des Schweizerischen Evangelischen Missionsrates (SEMR).
Die Mission nach 1960
Autorin/Autor:
Marita Haller-Dirr
Das Ende des kolonialen Zeitalters zwang die Missionen, sich sowohl administrativ als auch in Bezug auf ihre Motive neu zu orientieren. Die jungen Ortskirchen, die aus der missionarischen Arbeit des Westens hervorgegangen waren, verselbstständigten sich. Der bisherige regionalisierte Dienst, d.h. die Verwaltung von Missionsgebieten durch Orden oder Institutionen, wich der Kooperation mit den Lokalkirchen und entwicklungspolitische Fragen traten vermehrt ins Zentrum der Missionsarbeit. In der Schweiz begann eine engere Zusammenarbeit der in der Mission engagierten Kirchen und Institutionen. So wurde 1963 der Schweizerische Katholische Missionsrat (SKM) als Koordinationsorgan konstituiert und die Zusammenarbeit mit dem SEMR und mit der 1964 gebildeten Kooperation Evangelischer Kirchen und Missionen (KEM) gesucht. In der Westschweiz war ein Jahr zuvor das Département missionnaire des églises protestantes de la Suisse romande entstanden. Ab 1971 publizierten SKM und KEM gemeinsam ein Missionsjahrbuch. 2001 bildeten die Basler Mission, die Südafrika-Mission, die Schweizerische Ostasien-Mission, die Herrnhuter Mission und die Evangelische Mission in Kwango den Trägerverein Mission 21.
Interreligiöser und interkultureller Dialog mit der Dritten Welt, Ökumene, Partnerschaft, Projektarbeit und ein offener Austausch in einer internationalen Lerngemeinschaft wurden zu neuen Leitmotiven der Missionen. Zur Förderung von Mission und Entwicklung entstanden zu Beginn der 1960er Jahre Hilfswerke wie das Fastenopfer der Schweizer Katholiken und auf reformierter Seite Brot für Brüder (später Brot für alle). Beide Hilfswerke gehörten zu den Gründern der Max-Havelaar-Stiftung, die einen fairen Handel mit Produkten aus Ländern des Südens fördern soll.