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Katechismus

Der Begriff Katechismus meint seit dem Frühchristentum die christliche Glaubensunterweisung insbesondere zur Vorbereitung auf die Taufe. Seit der Erfindung des Buchdrucks und im Anschluss an die Reformation werden auch eigentliche Lehrbücher des christlichen Glaubens als Katechismen bezeichnet, die üblicherweise in einer Frage-Antwort-Struktur gehalten sind (Religionsunterricht).

Evangelisch-reformierte Tradition

Titelblatt der Summa doctrinae christianae von Petrus Canisius, veröffentlicht 1574 in Antwerpen (Kantons- und Universitätsbibliothek Freiburg, Sammlung Alte Drucke, GQ 2697).
Titelblatt der Summa doctrinae christianae von Petrus Canisius, veröffentlicht 1574 in Antwerpen (Kantons- und Universitätsbibliothek Freiburg, Sammlung Alte Drucke, GQ 2697). […]

Nach der Reformation erlangten Martin Luthers Kleiner und Grosser Katechismus (1529) vor allem in den evangelischen Kirchen grosse Bedeutung. Aus Predigten entstanden, verstanden sie sich als Laienbibel und vermittelten das reformatorische Gedankengut mit den Schwerpunkten Schrift, Rechtfertigung und persönlicher Glauben. In fünf Kapitel gegliedert (Zehn Gebote, Glaubensbekenntnis, Vaterunser, Taufe und Abendmahl, zeitweise auch Beichte), waren sie auch in der reformierten Schweiz verbreitet und blieben bis ins 20. Jahrhundert wichtige Bezugspunkte bei der Abfassung von Katechismen. Weitere Katechismen entstanden in Strassburg (Martin Bucer), Zürich (Heinrich Bullinger, 1504-1575; Leo Jud: Einführung der reformierten Zählweise bei den Zehn Geboten) und Genf. Dort verfasste Johannes Calvin die beiden Katechismen "Instruction et Confession de foy" (1537) und "Le Catéchisme de l'Eglise de Genève" (1545). Der Letztere, in Dialogform gehalten, stellt den Glauben vor die Gebote und gelangte insbesondere in der französischsprachigen Schweiz zu hohem Ansehen. In der Schweiz war der auch ins Französische übersetzte Heidelberger Katechismus (1563) weit verbreitet (St. Gallen, Bern, Waadt, Aargau und Schaffhausen), der gleichsam die Ergebnisse der Einheitsbestrebungen des pfälzischen Kurfürsten Friedrichs III. zwischen Lutheranern und Reformierten festhielt. Zur Zeit des Pietismus und der Aufklärung kam es zu einer Neubelebung des Katechismus im Sinne von Bekenntnisschriften. In Dutzenden von Auflagen fand zum Beispiel der Katechismus von Jean-Frédéric d'Ostervald (1702) Verbreitung. In neuester Zeit existieren ähnliche Katechismen in verschiedenen reformierten Kantonalkirchen.

Katholische Tradition

Petrus Canisius konzipierte den Katechismus als "Summa doctrinae christianae" in drei Ausgaben für Erwachsene (1555), Kinder (1556) und Jugendliche (1558). Der erste Teil "Weisheit" behandelt die theologischen Tugenden Glaube (Credo), Hoffnung (Dekalog) und Liebe (Vaterunser, Ave), der zweite Teil "Gerechtigkeit" verschiedene Sünden im Anschluss an die neutestamentlichen Sünden- und Lasterkataloge. Im Unterschied dazu richtete sich der "Römische Katechismus" (1566) vor allem an Pfarrer und achtete auf Korrektheit und vollständige Wiedergabe des Depositum fidei. Seine Einteilung in vier Hauptkapitel (Glaubensbekenntnis, Sakramente, Zehn Gebote und Vaterunser) erwies sich als wegleitend und wurde 1993 im "Katechismus der Katholischen Kirche" aufgegriffen. Der erste Basler Diözesan-Katechismus (1778) fusste indessen auf dem von der Aufklärung geprägten Katechismus des Augustinerabts Johann Ignaz von Felbiger. Heilsgeschichtlich ausgerichtete Katechismen (z.B. von Johann Baptist von Hirscher, 1842) und Religionsbücher (z.B. von Franz Xaver Dominik Brandenberg 1824, von Anton Tanner 1841, von Joseph Leu 1855) konnten sich in der Schweiz nur während kurzer Zeit behaupten. Bereits 1847 erschien der "Katholische Katechismus oder Lehrbegriff" des nach Luzern berufenen Jesuiten Joseph Deharbe, der in der Katechese die neuscholastische Wende einläutete und der Moral des Alfons von Liguori zum Siegeszug verhalf. Der katechetische Kongress in Luzern (1907) mit der Demonstration der Münchener Formalstufenmethode (Heinrich Stieglitz) zeigte wenig Wirkung. Erst der sogenannte grüne "Katholische Katechismus der Bistümer Deutschlands" (1955) inspirierte auch die Katechese in der Schweiz mit der Verkündigungstheologie.

Religionsunterricht in einer katholischen Kirche auf der Freiburger Landschaft. Fotografie von Simon Glasson, 1933 (Musée gruérien, Bulle).
Religionsunterricht in einer katholischen Kirche auf der Freiburger Landschaft. Fotografie von Simon Glasson, 1933 (Musée gruérien, Bulle).

Neueste, ökumenisch geprägte Entwicklung

In den 1960er Jahren ging das Zeitalter des Katechismus als Schulbuch für Kinder und Jugendliche zu Ende. Die Frage-Antwort-Struktur, die Memoriermethode und der kognitive Überhang stiessen auf zunehmenden Widerstand. Der "Grenchener Arbeitskreis zur Erneuerung des Religionsunterrichtes" (Karl Stieger, ab 1958) griff neuere psychologische, pädagogische und lerntheoretische Erkenntnisse auf und gewichtete Erfahrung und Erlebnis für kreatives Glauben-Lernen stärker. 1965-1975 büsste der Katechismus im Konfirmandenunterricht seine Monopolstellung auf ähnliche Weise ein. Die anthropologische und die empirische Wende im Religionsunterricht, die neuen Lernformen in Schule und Gemeinde wie auch der allgemeine Bedeutungsverlust der anerkannten Glaubensgemeinschaften und die zunehmende Betonung der persönlichen Auseinandersetzung mit Lebens- und Glaubensfragen brachten eine Relativierung des traditionellen Katechismus mit sich. Parallel dazu erlebte der Katechismus für Erwachsene einen Aufschwung, insbesondere der "Holländische Katechismus" (1968), der den Glauben in verständlicher Sprache darlegt. Es folgten der "Evangelische Erwachsenenkatechismus" (1975), das ökumenisch verfasste "Neue Glaubensbuch" (1973, ins Französische übersetzt) von Johannes Feiner und Lukas Vischer und schliesslich der "Katholische Erwachsenen-Katechismus" in zwei Bänden (1985, 1995). Diese umfangreichen theologischen Werke bieten Christen in pluralistischen Gesellschaften Orientierung an.

Quellen und Literatur

  • A. Berz, Gesch. des Katechismus im Bistum Basel, 1959
  • O. Fatio, Confessions et catéchismes de la foi réformée, 1986
  • TRE 7, 710-722
  • S. Leimgruber, Ethikunterricht an den kath. Gymnasien und Lehrerseminarien der Schweiz, 1989
  • LThK 5, 1311-1318
  • Religion in Gesch. und Gegenwart 4, 42001, 861-866
  • P. Canisius, Der grosse Katechismus = Summa doctrinae christianae: (1555), ins Deutsche übertragen und kommentiert von H. Filser, S. Leimgruber, 2003
Weblinks

Zitiervorschlag

Stephan Leimgruber: "Katechismus", in: Historisches Lexikon der Schweiz (HLS), Version vom 26.11.2014. Online: https://hls-dhs-dss.ch/de/articles/011509/2014-11-26/, konsultiert am 15.09.2024.