Die Beisetzung Verstorbener folgte Ritualen und Regeln, die von den jeweiligen Kulturkreisen und vor allem von deren Religionen abhängig waren. Wachsende Bedeutung kam neben den kulturell-religiösen Aspekten der Hygiene zu. An Formen der Bestattung standen im Gebiet der Schweiz zu allen Zeiten die Körper- und die Brandbestattung (Kremation) im Vordergrund.
Ur- und Frühgeschichte bis Römerzeit
Die einzige gesicherte Bestattung aus vorneolithischer Zeit ist ein mesolithisches Brandgrab aus einem Abri bei Vionnaz. Vom Neolithikum an gehören Gräber zu den wichtigsten Quellengattungen der Ur- und Frühgeschichtsforschung (Nekropolen, Friedhöfe). Sie können Auskünfte geben über die Gesellschaft der Bestattenden und in engen Grenzen auch über die Glaubensvorstellungen. In der Westschweiz dominieren im älteren und mittleren Neolithikum Steinkisten vom sogenannten Chamblandes-Typ (vier stehende Platten und eine Deckplatte) zunächst mit einzelnen, später mit mehreren Hockerbestattungen. Mit den für zahlreiche Bestattungen genutzten Dolmen, zum Beispiel in Sitten (Petit Chasseur) oder Laufen, trat im Spätneolithikum erstmals oberirdisch gestaltete Grabarchitektur auf. Die spätneolithische Schnurkeramik brachte neu die Brandbestattung unter Grabhügeln. Gräber aus der frühen Bronzezeit sind vor allem aus dem Wallis, dem bernisch-freiburgischen Alpenvorland und Graubünden bekannt; mit ihren Bestattungen in gestreckter Rückenlage unterscheiden sie sich von der in Mitteleuropa geübten Hockergrabsitte. Grabhügelnekropolen der mittleren Bronzezeit wie in Weiningen (ZH, mit Körper- und Brandgräbern) und Urnenfelder der späten Bronzezeit wie in Möhlin zeigen, dass das Gebiet der Schweiz an den in dieser Zeit für Mitteleuropa charakteristischen Bestattungssitten teilhatte. In der älteren Eisenzeit (Hallstattzeit) waren verhältnismässig hohe Grabhügel vorherrschend, zunächst mit Brandbestattung, später vermehrt auch mit Körperbestattung. Vornehmen Toten wurden ein vierrädriger Wagen und gelegentlich Importstücke aus dem Mittelmeergebiet beigegeben (Grächwil). In der frühen und mittleren Latènezeit waren Flachgräberfelder mit Körperbestattung in gestreckter Rückenlage üblich (z.B. Münsingen-Rain). Mit der römischen Okkupation setzte die Romanisierung der Bestattungssitten ein (u.a. Brandbestattung, Beigabe von Münzen und wohlriechenden Essenzen). Vom 3. Jahrhundert an begann sich die im Römischen Reich allgemein festzustellende Körperbestattung auch in der Schweiz erneut durchzusetzen.
Vom Mittelalter bis ins 20. Jahrhundert
Die christlichen Gräber des 5. Jahrhunderts waren beigabenarm oder beigabenlos. Bei fränkischen und alemannischen Bestattungen des 6. und 7. Jahrhunderts finden sich zum Teil reichhaltige Inventare (unter anderem Waffen und Schmuck). Die frühmittelalterlichen Gräber waren allgemein geostet (d.h. Kopf im Westen) und wurden selten von Sekundärbestattungen gestört. Im 8. Jahrhundert lief die Beigabensitte unter dem Einfluss des Christentums aus, ohne aber je völlig zu verschwinden. Sie erlebte im ländlichen katholischen Raum im 17. Jahrhundert eine Renaissance (archäologische Ausgrabung in Schwyz).
Frühe und wichtige schriftliche Quellen zur Bestattung sind das Rituale des Klosters Rheinau (12. Jh.) sowie der «Liber ordinarius» (1260) und das Statutenbuch des Zürcher Grossmünsters (1346, auch Laien betreffend). Nach diesen Quellen schloss sich dem Tod eine Kette von rituellen Handlungen an: unter anderem die Commendatio animae (Gebet für die Aufnahme der Seele im Himmelreich) während des Sterbens, die Verkündung des Todes mit einem Glockenzeichen, die Einkleidung des Toten, die Totenwache, bei Laien die Aussegnung im Sterbehaus, der Leichenzug zur Kirche mit Psalmengesang, die Aufbahrung im Kirchenschiff, mehrere Totenmessen mit Opfergängen, die Absolution, der Leichenzug zum Grab, die Grablegung und Bestattung, das Gebet auf dem Friedhof oder in der Kirche sowie das Totengedenken. Letzteres beinhaltete unter anderem eine Seelenmesse und eine Prozession zum Grab am dritten, siebten und dreissigsten Tag nach dem Begräbnis sowie am Jahrestag (Jahrzeitbücher). Die Bestattung von Angehörigen der Mittel- und Unterschichten geschah im Verband von Familie, Nachbarschaft, Zunft oder Bruderschaft. Zünfte und Bruderschaften unterhielten unter anderem Sterbekassen, sorgten für das Leichengeleit und das kollektive Totengedenken an den Stiftungstagen oder an Allerheiligen und Allerseelen. Sinn der meisten spätmittealterlichen Totenbräuche war, die Seelen der Verstorbenen vor dem Teufel zu schützen und ihnen den Aufenthalt im Fegefeuer zu verkürzen. Die Leichname wurden mit zum Gebet gefalteten Händen oder verschränkten Armen beigesetzt, als ob sie bis zur Auferstehung am Jüngsten Tag nur schlafen würden (sogenannter Zwischenzustand, auch refrigerium interim genannt). Auch das Totenkleid war eine Vorbereitung auf den Weltenrichter. Als Bescheidenheits- oder Demutsgesten zu deuten sind die Beisetzung im Leichentuch ohne Sarg, das Büsserhemd oder der Wunsch von Laien, im Mönchsgewand begraben zu werden. Auch gegenteilige Verhaltensweisen lassen sich feststellen: Kleriker und Adlige wurden im Ornat bzw. in ritterlicher Tracht beigesetzt, zuweilen gar mit höfischen Gesten wie gekreuzten Beinen, damit sie im jenseitigen Leben ihre Standeszugehörigkeit wahren konnten. In Städten wurde die Bestattung bereits im Spätmittelalter auf unterschiedliche Weise institutionalisiert: Kirchliche oder weltliche Obrigkeiten verliehen Einzelpersonen oder Gruppen, wie zum Beispiel den Bewohnern des Quartiers am Kohlenberg in Basel, das Recht, Tote gegen Bezahlung begraben zu dürfen. Andernorts wählte und besoldete der Rat die Totengräber. Schliesslich ist auf Totengräberpfründen hinzuweisen, die wie Priesterpfründen für das eigene Seelenheil gestiftet wurden, denn Tote zu begraben war eines der sieben Werke der Barmherzigkeit. Anders als im Frühmittelalter wurden die Gräber im Spämittelalter und in der frühen Neuzeit schon nach wenigen Jahren wieder belegt; die Schädel und Langknochen der älteren Bestattungen kamen ins Beinhaus. Totengräberordnungen legten die Bestattungstiefe auf mindestens eine Elle (ca. 60 cm) für den Sargdeckel bzw. sieben Schuh (ca. 1,4 m) für den Grabboden fest.
Die reformierte Eschatologie (u.a. Ablehnung des Fegefeuers, Verbot der Fürbitte für die Toten) liess vielen herkömmlichen Bestattungsbräuchen keinen Raum mehr. Weltliche Autoritätspersonen wie Zunftmeister hielten Grabreden. Einzige kirchliche Handlungen waren das Gebet nach der Bestattung und die Verkündigung der Verstorbenen nach der Sonntagspredigt. Weltliche Bestattungsbräuche wie das Leichengeleit, Leichenmähler und Totenwachen blieben, ausser im streng calvinistischen Genf, auch nach der Reformation erhalten. Zu Beginn des 17. Jahrhunderts erfolgte eine partielle Restauration, unter anderem wurde die Abdankung und die Leichenpredigt des Pfarrers zur Regel. Angehörige des Patriziats durften wieder auf Grabplatten und an Kirchen- oder Friedhofsmauern Grabinschriften anbringen lassen. Tiefgreifende Veränderungen erfuhr die Bestattung vom Ende des 18. Jahrhunderts an, unter anderem mit der Einführung der dreitägigen Frist zwischen Tod und Bestattung aus Angst vor dem Scheintod und mit dem Beginn der sanitätspolizeilichen Aufsicht über das Bestattungswesen zu Beginn des 19. Jahrhunderts. Mit dem Funktionsverlust von Zünften und Bruderschaften entstand ein Vakuum, das zum Teil Begräbnisvereine und seit dem Ende des 19. Jahrhunderts private Bestattungsunternehmen füllten.
Mit der Revision der Bundesverfassung (1874) ging das Bestattungswesen von den kirchlichen in die Kompetenz der zivilen Behörden über, eine Folge des Kulturkampfs und der Säkularisierung der Gesellschaft. Die gesetzliche Neuerung (Artikel 53 BV) verunmöglichte die diskriminierende Sonderbestattung von Angehörigen konfessioneller Minderheiten oder von Aussenseitern (u.a. bei Suizid oder Verarmung). Generell sind im 19. und 20. Jahrhundert ein Verlust sowie eine Individualisierung der Bestattungsrituale zu beobachten, zunächst im städtischen, seit den 1960er Jahren auch im ländlichen Umfeld. Ursachen dafür sind unter anderem die Verdrängung des Todes aus dem Alltag, die Mobilität und die nivellierenden Tendenzen der Verwaltung. Zu verweisen ist auch auf den langfristigen Prozess der Privatisierung der Gefühle, der schon mit dem Verbot der rituellen Totenklage im Spätmittelalter einsetzte und der sich im 19. Jahrhundert weiter verfolgen lässt. So kamen statt der lauten Verkündigung des Todesfalls durch die Leichenbitterin diskretere Formen wie das Leidzirkular auf. Aspekte der Modernisierung der Bestattung sind beispielhaft für den Kanton Basel-Landschaft sowie – mit einem kulturanthropologischen Ansatz – für die Walliser und Waadtländer Alpen aufgearbeitet worden.
Quellen und Literatur
- UFAS 1-6
- SPM 1-5
- Y. Preiswerk, Le repas de la mort, 1983
- P. Hugger, «Von Sterben und Tod», in Hb. der schweiz. Volkskultur 1, hg. von P. Hugger, 1992, 185-222
- M. Illi, Wohin die Toten gingen, 1992
- Himmel, Hölle, Fegefeuer, Ausstellungskat. Zürich, 1994
- A. Hauser, Von den letzten Dingen, 1994
- G. Descœudres et al., Sterben in Schwyz, 1995
- B. Hunger, Diesseits und Jenseits, 1995
- J. Ducor et al., Petit manuel des rites mortuaires, 1999
- J.-G. Gauthier, Des cadavres et des hommes ou l'art d'accommoder les restes, 2000
- P. Hugger, Meister Tod, 2002
- B. Dubosson, Pratiques funéraires de l'Antiquité tardive et du Haut Moyen Age en Valais, 2006
Kontext | Beerdigung |