Der Begriff Kongregationen bezeichnet kirchenrechtlich zum einen den Zusammenschluss mehrerer Klöster gleicher Observanz unter einen Oberen; zum anderen meint er jene neuzeitlichen religiösen Männer- und Frauengemeinschaften, die in gemilderter Form dieselben geistlichen Übungen wie das Mönchtum praktizierten, jedoch keine, private oder einfache Gelübde ablegten und meistens auf die Klausur verzichteten, um ihren apostolischen Dienst besser erfüllen zu können. Im Folgenden wird nur die Entwicklung dieser Gemeinschaften behandelt. Erst im 19. und 20. Jahrhundert erfolgte die Eingliederung der Kongregationen ins katholische Kirchenrecht mit der Konstitution «Conditae a Christo» (1900), den «Normae» (1901) sowie dem «Codex Iuris Canonici» (1917). Letzterer anerkannte die Mitglieder der Kongregationen als Ordensleute und unterschied zwischen den Instituten mit öffentlichen Gelübden, den Gemeinschaften ohne Gelübde und den – später definierten – Säkularinstituten. Nach beträchtlichen Änderungen durch das Zweite Vatikanische Konzil stellte der «Codex Iuris Canonici» von 1983 die Kongregationen rechtlich den Orden gleich und anerkannte gleichzeitig die besondere, aktive Zweckbestimmung der im 19. Jahrhundert entstandenen religiösen Frauen- und Männergemeinschaften.
Parallel zur Erneuerung des Ordenslebens entstand zur Zeit der Katholischen Reform im 16. und 17. Jahrhundert eine Vielzahl religiöser Bruderschaften und Gemeinschaften von Frauen und Männern, deren Sinn im aktiven Leben lag. Im Unterschied zu den bestehenden Institutionen verband sich in ihrem Denken das Ideal der Selbstheiligung eng mit dem Einsatz für die Glaubensverkündigung im umfassendsten Sinn. Mit ihrer Tätigkeit in Glaubensunterweisung, im Unterricht, in Spitälern oder in der Armenfürsorge antworteten diese neuen Gemeinschaften auf zeitgenössische gesellschaftliche Bedürfnisse, genügte doch die mittelalterliche Organisation der caritas für die Betreuung der damaligen Aussenseiter der Gesellschaft wie Arme, Kranke und Prostituierte nicht mehr. Die stärksten Impulse gingen anfangs von Spanien und Italien aus, nach 1600 erfasste die Bewegung Frankreich und die katholisch gebliebenen Gebiete nördlich der Alpen. Von den Jesuiten, deren Lebensform sie nachahmten, unterschieden sich die neuen Männergemeinschaften wie zum Beispiel das Oratorium des heiligen Philipp Neri, die Mailänder Oblaten und die Lazaristen einzig durch den Verzicht auf die feierlichen Gelübde. Derselbe Wunsch, sich der Glaubensverkündigung, dem Jugendunterricht oder karitativen Tätigkeiten zu widmen, führte zur Entstehung neuer weiblicher Gemeinschaften, unter anderem der Ursulinen, der Englischen Fräulein und der Filles de la Charité (Ordensfrauen). Im Gebiet der heutigen Schweiz wirkten seit Beginn des 17. Jahrhunderts die Oblaten des heiligen Ambrosius und des heiligen Karl Borromäus (mit Schulen in Ascona und Pollegio) sowie die Ursulinen. Die ersten Vertreterinnen der Compagnia delle vergini di Santa Orsola sind im Süden bezeugt: In enger Verbindung mit der Bischofsstadt Como entstanden Konvente in Poschiavo (1629-1684), Mendrisio (1637/1664) und Bellinzona (1730). Die Ursulinengemeinschaften in Pruntrut (1619), Freiburg (1634/1646), Delsberg (1698-1793), Luzern (1659-1847) und Brig (1661) hatten ihren gemeinsamen Bezugspunkt in der 1606 von Anna von Xainctonge gegründeten Compagnie de Sainte-Ursule de Dole. Die Ursulinen schufen in den katholischen Gebieten der Eidgenossenschaft die ersten unentgeltlichen Mädchenschulen mit Pensionaten. Karitative Fürsorge für Arme und Kranke praktizierten die religiösen Spitalschwestern, die aus der Freigrafschaft Burgund für die Übernahme der Krankenpflege in die neu organisierten Bürgerspitäler von Pruntrut (1765), Sitten (1773), Freiburg (1781) und Solothurn (1787/1788) berufen wurden.
Die Blütezeit der Kongregationen wie auch auf protestantischer Seite der Diakonissen setzte im 19. Jahrhundert ein. Ein bedeutender Bevölkerungsanstieg verbunden mit neuen schulischen, karitativen und seelsorgerischen Herausforderungen bildete das historische Umfeld, vor dem sich insbesondere den weiblichen religiösen Instituten verschiedene soziale Aufgaben eröffneten. Gleichzeitig stieg der Bedarf an als Seelsorger und Erzieher tätigen Ordensmännern. In Frankreich wurden 1800-1880 ca. 400 neue Kongregationen gegründet; 1880 waren 80% der weiblichen Religiosen Kongregationsschwestern. In der Schweiz etablierten sich 1800-1874 neu fünf Männer- und 27 Frauenkongregationen, zuerst in der Westschweiz, ab 1830 auch in Luzern, in der Innerschweiz sowie in den katholischen Pfarreien der Diasporastädte. Zu den wichtigsten Frauenkongregationen jener Zeit gehören die Schwestern von Baldegg (1830), Menzingen (1844), Ingenbohl (1856), die Olivetaner-Benediktinerinnen von Heiligkreuz (1862), die Dominikanerinnen von Ilanz und die Schwestern von Saint-Maurice (beide 1865) sowie das Pauluswerk in Freiburg (1874). Neben den Jesuiten und den Kapuzinern predigten die Redemptoristen als Volksmissionare im Wallis und im Kanton Freiburg, die Lazaristen im Kanton Genf. Die Marianisten führten beim Ausbruch des Sonderbundskriegs Primarschulen in Freiburg, Lausanne, Sitten, Altdorf (UR) und eine Sekundarschule in Tafers, ab 1855 wirkten sie in Basel, ab 1867 leiteten sie das Walliser Lehrerseminar. Schulbrüder des heiligen Johannes Baptist von La Salle führten Schulen in Châtel-Saint-Denis, Genf und Neuenburg. Zur Zeit des Sonderbunds und des Kulturkampfes entzündete sich an der Tätigkeit der Lehrschwestern und der Schulbrüder eine erbitterte Auseinandersetzung zwischen Liberalen und Katholisch-Konservativen, die erst mit der Ablehnung der sogenannen Schulvogt-Vorlage in der Volksabstimmung von 1882 ein Ende fand. Der sogenannte Klosterartikel der revidierten Bundesverfassung von 1874 (1973 aufgehoben), der die Errichtung neuer und die Wiederherstellung aufgehobener Klöster oder Orden verbot, behinderte auch die Gründung neuer Kongregationen. Die französische Schulpolitik der 1880er Jahre, der Kulturkampf in Deutschland und insbesondere die kongregationenfeindliche Gesetzgebung in Frankreich nach 1901 führten zu starken Einwanderungsschüben von Kongregationen in die Schweiz. Die Mitgliederzahlen der auch im Ausland verbreiteten Menzinger und Ingenbohler Schwestern stiegen in den 1890er und 1920er Jahren explosionsartig an. Gleichzeitig entstanden neue Institute mit spezifisch fürsorgerischem Zweck, so die St.-Anna-Schwestern in Luzern (1909), das Katharinawerk in Basel (1913) und die Schwesterngemeinschaft des Seraphischen Liebeswerkes in Solothurn (1924). Die Kongregationen widmeten sich der Seelsorge, dem Unterricht, der karitativen Fürsorge und der Presse; ein weiteres Tätigkeitsfeld waren die Missionen: Institute wie die Weissen Väter, die Steyler Missionare und die Mariannhiller Missionare gründeten Stützpunkte in der Schweiz. 1895 entstand die Apostolische Schule Bethlehem, der Kern der späteren Gesellschaft der Bethlehem Mission Immensee (1921). Neben den Männergemeinschaften sandten – und dies war ein Novum – auch die Frauenkongregationen beispielsweise von Menzingen, Ingenbohl, Baldegg und Heiligkreuz ihre Schwestern in alle Welt. Den Höchststand an Mitgliedern erreichten die schweizerischen Männer- und Frauenkongregationen kurz nach der Mitte des 20. Jahrhunderts. Laut einer 1950-1952 von der Schweizerischen Caritaszentrale durchgeführten Umfrage betreuten die katholischen religiösen Institute in der Schweiz rund 800 Anstalten, Heime und Schulen aller Art. Insgesamt sind im 19. und 20. Jahrhundert – die Orden mit feierlichen Gelübden nicht mitgezählt – 245 religiöse Institute (195 Frauen- und 50 Männerinstitute) mit Niederlassungen in der Schweiz fassbar. 42 Gemeinschaften haben ihr Mutterhaus in der Schweiz, die übrigen im Ausland, hauptsächlich in Frankreich (93), Italien (64) und Deutschland (18). Veränderte gesellschaftliche Bedingungen, neue Berufsmöglichkeiten sowie die weitgehende Übernahme der sozialen Aufgaben durch staatliche Einrichtungen lassen die Mitgliederzahlen sinken. Die grosse Zeit der Kongregationen scheint in Europa zu Beginn des 21. Jahrhunderts vorbei zu sein.