Ehemaliges Benediktinerkloster, auf der Rheininsel der gleichnamigen Gemeinde gelegen. Vor 858 gegründet, bis 1798 Zentrum einer kleinen Klosterherrschaft, 1862 aufgehoben, Patrone Maria und ab 1114 auch Fintan.
858 erhob König Ludwig der Deutsche auf Antrag des adligen Wolvene das von dessen Vorfahren gegründete monasterium Rinauva zum Reichskloster mit Königsschutz, Immunität und freier Abtwahl. Trotzdem litt das Kloster unter dem Investiturstreit und den Machtansprüchen seiner Vögte und der Konstanzer Bischöfe, was eventuell das Rheinauer Kartular und eine Urkundenfälschung hervorrief. Die Hirsauer Reform und die im 11. Jahrhundert einsetzende Verehrung Fintans führten zu einer vorübergehenden Blüte im 12. Jahrhundert. 885 hatte sich Rheinau, damals mit 44 mehrheitlich aus dem regionalen Adel stammenden Mönchen ein durchaus stattlicher Konvent, mit St. Gallen und Anfang des 12. Jahrhunderts mit Hirsau verbrüdert, worauf der "Liber Ordinarius Rhenoviensis" entstand. Reform und eigene Liturgie gipfelten im Graduale des frühen 13. Jahrhunderts (heute in der Zentralbibliothek Zürich). Die Existenz eines Skriptoriums geht allerdings aus dem mittelalterlichen Bibliotheksbestand, darunter prächtige liturgische Pergamente und der wohl älteste Codex der Schweiz aus dem 8. Jahrhundert, nicht eindeutig hervor. Vom 11. bis 13. Jahrhundert ist eine Schwesterngemeinschaft im Westen der Insel belegt. Nach 1200 werden Prior, Cellerar, Kämmerer und Kustos, 1288 ein Schulmeister fassbar. Die Benediktinerregel ist erst 1297 bezeugt. Zeitweise nur vier bis zehn Mönche aus den Ministerialengeschlechtern der Region aufweisend, suchte das im Spätmittelalter auch wirtschaftlich bedrängte Kloster mit der eidgenössischen Schirmvogtei 1455 unter anderem Schutz vor den Herrschaftsansprüchen der Grafen von Sulz.
Zwischen der Reformation und der Zuteilung zum Kanton Zürich 1803 erlebte Rheinau seine längste Blütezeit, aber auch schwere Angriffe: So wurde es unter Abt Bonaventura von Wellenberg verlassen (1529-1531), darauf geplündert, in den Villmergerkriegen 1656 und 1712 beschädigt, 1799 durch die Franzosen aufgehoben und geplündert und 1803 restituiert. Die katholische Reform, die Unterstützung der eidgenössischen katholischen Stände, die Mitgliedschaft Rheinaus in der Schweizerischen Benediktinerkongregation ab 1603 und der Widerstand der Rheinauer Bürger gegen das einen absoluten Regierungsstil pflegende Kloster prägten diese Zeit, aber auch die Bautätigkeit der Äbte Johann Theobald Werli, Gerold Zurlauben I. und Gerold Zurlauben II. (Ende 16.-18. Jh.). In der Aufklärungszeit erscheinen gelehrte Bibliothekare und Archivare wie Basilius Germann und Moritz Hohenbaum van der Meer, Verfasser der Geschichte Rheinaus von 1778. Der Zürcher Grosse Rat hob die Abtei, in der damals noch elf Mönche lebten, 1862 auf. Nach Umbauten dienten die Klostergebäude ab 1867 als psychiatrische Klinik. Die Gebäude auf der Halbinsel Rheinau sind seit 1998 der Stiftung Fintan verpachtet.
Die Siedlungsgeschichte der 870 bezeugten Insel ist unerforscht. Vor ca. 1580 befand sich der gesamte Klosterkomplex auf der von einem Turm (schon 1247 belegt?) abgeschlossenen Insel. Erst danach entstanden die Wirtschaftsbauten jenseits der Rheinbrücke (u.a. 1585-1588 der Weinkeller und 1740-1744 das Frauengasthaus). Zwei Kirchen, die 888 bezeugte, vorromanische Marienbasilika und das 1114 geweihte Gotteshaus, gingen der heutigen, 1705-1710 erstellten Barockkirche voraus. Letztere erbaute der Vorarlberger Baumeister Franz Beer von Blaichten, deren Orgel Johann Christoph Leu aus Augsburg, deren Fresken schuf Francesco Antonio Giorgioli. Das barocke Grabmal Fintans steht am Ort seiner Vorläufer in der ehemaligen romanischen Basilika, offenbar über der einst als Grab des angeblichen Reklusen verehrten Stelle (Reliquienhebung 1446).
Die klösterlichen Besitzungen erstreckten sich im Mittelalter links und rechts des Rheins vom Untersee über den Klett- und Alpgau bis in den östlichen Schwarzwald. Der Besitz stammte vor allem von der Stifterfamilie, wohl einem regional bedeutenden, einst mit dem karolingischen Reichsadel verwandten Adelsgeschlecht. Auf Arrondierungen im Hoch- folgten im Spätmittelalter Tausch, Kauf, Verkauf, Inkorporationen und Besitzzerstückelung. 1678 erhielt Rheinau die Herrschaft Ofteringen (heute Teil der Gemeinde Wutöschingen, Schwarzwald), 1687 kaufte es jene von Mammern und Neuburg (TG). Ausser im klosternahen Bereich von Marthalen, Truttikon, Benken (ZH) sowie in Balm und Altenburg war Rheinau selten alleiniger Besitzer. Dies gilt auch für die Rechtsverhältnisse im Klostergebiet. Der Besitz bestand aus Immobilien (u.a. Höfe, Hufen, Schupposen) und Rechten (u.a. Patronate, Fähr- und Tavernenrechte, Vogteien), die Zinsen und Zehnten abwarfen. Die Verwaltung lief im 13. Jahrhundert noch über Höfe, im 15. Jahrhundert eventuell über sogenannte Knechte, und wurde ab 1496 von einem hoheitlichen Pfleger kontrolliert. In den Herrschaften Ofteringen, Mammern und Neuburg walteten Statthalter. Weltliches Recht – ohne die Blutsgerichtsbarkeit, für die ab 1455 die Schirmorte beizuziehen waren – sprach das Kloster im Städtchen Rheinau und in Altenburg; die anderen Vogteien gab es eher als Lehen aus. Nach der Reformation beharrte es im rekatholisierten und von seinen Konventualen seelsorgerisch betreuten Städtchen Rheinau auf umfassenden Rechtsansprüchen, wogegen Rheinaus Bürger sogar prozessierten.
Mit der Säkularisation wurde der Rheinauer Weinkeller mit dem Spitalkeller zum Zürcher Staatskeller. Die klösterlichen Bibliotheksbestände befinden sich hauptsächlich in der Zentralbibliothek Zürich (u.a. 13'000 Drucke). Die Schätze des Rheinauer Kunstkabinetts, laut Inventar von 1818 gut 2300 Werke, wurden grösstenteils verkauft. Zur Zeit sind davon etwa 200 Stücke lokalisiert, so auch der Fintansbecher im Musée de Cluny in Paris und die romanische Reliquienbüste des heiligen Mauritius im Landesmuseum.