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SeedorfUR, Kloster

Reiterschild des Freiherrn Arnold von Brienz, spätes 12. Jahrhundert (Schweizerisches Nationalmuseum).
Reiterschild des Freiherrn Arnold von Brienz, spätes 12. Jahrhundert (Schweizerisches Nationalmuseum). […]

Benediktinerinnenkloster und ehemaliges Lazariterhaus in der Gemeinde Seedorf UR. Das Lazariterhaus wurde vom Freiherren Arnold von Brienz (1219 erwähnt) in der ersten Hälfte des 13. Jahrhunderts gegründet und mit Gütern in Uri und im Haslital ausgestattet. Die Gründung stand vermutlich in Zusammenhang mit der 1234 dem Lazariterorden von König Heinrich geschenkten Kirche Meiringen. Die in der Literatur geläufige Datierung der Gründung auf 1197 bzw. vor 1215 beruht auf einer Deutung des 19. Jahrhunderts, die in neuerer Zeit angezweifelt worden ist. 1272 kauften die Nachkommen des Stifters die Güter im Haslital zurück; gleichzeitig trat der Orden die ebenfalls in diesem Besitzkomplex gelegene Kirche Meiringen an die Propstei Interlaken ab. Ein Reiterschild mit dem Wappen der Freiherren von Brienz gilt als ältester seiner Art. Er hing bis ins 19. Jahrhundert in der Klosterkirche und befindet sich im Schweizerischen Landesmuseum.

Seedorf bildete zeitweise mit den Ordensniederlassungen in Gfenn und Schlatt (Breisgau) einen Provinzialverband, der unter der Leitung eines gemeinsamen Komturs stand. Der Provinzialkomtur Siegfried von Schlatt verfasste 1314 für Seedorf ein Statutenbuch, das wegen seiner Einzigartigkeit für die historische Überlieferung des gesamten Lazariterordens wichtig ist. Seedorf war von Anfang an ein unter der Leitung eines Meisters stehendes Doppelkloster für Brüder und Schwestern. Im 14. Jahrhundert schwand die Bedeutung des Brüderkonvents, das Haus wurde fortan von einer Meisterin geführt. Ab der ersten Hälfte des 15. Jahrhunderts lassen sich keine Brüder mehr nachweisen. Seedorf wandelte sich zu einem regulären Frauenkloster. Zwischen 1518 und 1526 starben die Lazariterinnen infolge der Pest aus.

Auf Wunsch führender Urner Familien übernahmen ab 1559 Benediktinerinnen aus dem Kloster Claro die zerfallenen Gebäude. Sie behielten als Hauptpatron St. Lazarus bei. Das Kloster wurde zur Versorgungsanstalt von Urner Patriziertöchtern. Die Visitation oblag anfänglich dem Bischof von Konstanz, der sie zwischenzeitlich an Einsiedeln übertrug, dann ab 1615 dem Abt von Muri und ab 1640 erneut dem Abt von Einsiedeln, der sie noch zu Beginn des 21. Jahrhunderts ausübt. Zunächst besuchten die Klosterfrauen den Gottesdienst in Seedorf und beichteten im Kapuzinerkloster Altdorf (UR). Ab 1627 übernahm ein hauseigener Kaplan die Seelsorge der Nonnen. Bis 1847 hatten Weltgeistliche diese Aufgabe inne, danach Einsiedler Mönche.

Unter mysteriösen Umständen, nämlich nach der Vision einer Nonne und angeblichen Geistererscheinungen, kamen 1606 die Archivalien des Lazariterklosters zum Vorschein. Der Luzerner Stadtschreiber Renward Cysat verfasste darüber 1608 einen ausführlichen Bericht, der über die Landesgrenzen hinaus Aufsehen erregte. Basierend auf den Fundstücken entstand um 1635 eine Legende, welche die Klostergründung in das Jahr 1097 versetzte und neben Arnold von Brienz den König Balduin IV. von Jerusalem als Stifter pries, der auf einer Reise nach Europa in Seedorf vom Aussatz geheilt worden sei.

Die noch bestehende Klosterkirche wurde 1695-1698 unter der Leitung von Johann Jakob Scolar erbaut. Den Westtrakt des Konventgebäudes errichtete 1721-1722 der Einsiedler Baumeister Caspar Moosbrugger. Kräftig gefördert wurde das Benediktinerinnenkloster von der 1710 gegründeten Herz-Jesu-Bruderschaft. Während der Helvetischen Republik 1799 war der französische Generalstab im Kloster einquartiert. 1853-1884 führten die Klosterfrauen eine Mädchenschule. Sie eröffneten 1947 eine Haushaltungsschule. 1637 lebten acht Konventfrauen und eine Laienschwester in Seedorf. Die Zahl der Ordensfrauen stieg im 19. Jahrhundert und noch bis in die 1960er Jahre kontinuierlich an. 1970 zählte Seedorf 40, 2010 noch 15 Nonnen.

Quellen und Literatur

  • HS III/1, 1957-1976; IV/7, 848-871, 913-942
  • Kdm UR 2, 1986, 168-252
  • R. Hugener, «Geister, Wunder, Alltag», in Gfr. 161, 2008, 97-187

Zitiervorschlag

Rainer Hugener: "Seedorf (UR, Kloster)", in: Historisches Lexikon der Schweiz (HLS), Version vom 17.11.2011. Online: https://hls-dhs-dss.ch/de/articles/011611/2011-11-17/, konsultiert am 28.03.2024.