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Humiliaten

Die Humiliaten sind in der Lombardei im Gefolge der breiten religiösen Strömung entstanden, die Ende des 12. Jahrhunderts von der Mailänder Reformbewegung Pataria ausgegangen ist. Während sie 1184 noch mit den Ketzern gleichgesetzt wurden, erhielten sie 1201 von Papst Innozenz III. die Approbation. Zum dreifach gegliederten Orden der Humiliaten gehörten im ersten Orden die geweihten Kleriker und Nonnen (Regel augustinischen Typs), im zweiten Laien beiderlei Geschlechts, die den Status von Ordensleuten hatten (Regel benediktinischen Typs) und schliesslich im dritten Orden Laien, die im Ehestand verblieben. Die Humiliaten verbreiteten sich vor allem in Norditalien. Sie lebten nach Geschlechtern getrennt in kleinen Doppelhäusern und widmeten sich der Predigt, der Busse und der Arbeit (Landwirtschaft, Wollhandel und -bearbeitung). Die Klosterbrüder wurden von den Gemeinden auch zur Führung der Finanzen und Spitäler herangezogen. Schon im 13. Jahrhundert führten Reformen des Papstes dazu, dass sich die Humiliaten allmählich zu einem traditionellen Orden entwickelten: Die Regeln des ersten und des zweiten Ordens wurden vereinheitlicht (Klerikalisierung), ein Generalmeister eingeführt, das Klosterleben betont und das Predigen sowie die Wollverarbeitung aufgegeben. Der im 15. Jahrhundert einsetzende Niedergang hatte politische, geistige und kirchliche Gründe. Nach vergeblichen Reformversuchen – den letzten lancierte Karl Borromäus, der 1560 Ordensprotektor geworden war – erfolgte 1571 die Auslösung des männlichen Zweigs, während der weibliche Zweig nach der benediktinischen Regel weitergeführt wurde.

Die Humiliaten, die im Tessin des Spätmittelalters die verbreitetste Form geweihten Lebens praktizierten, liessen sich ab dem 13. Jahrhundert an verschiedenen Orten im heutigen Kantonsgebiet nieder. Mit Gewissheit können ihnen folgende Häuser zugeschrieben werden: Im Gebiet von Locarno San Pancrazio auf der grossen Insel von Brissago (1214-1214. Jh., mit Gordola vereinigt), Santa Caterina in Gordola (Ende 13. Jh.-vor 1550, mit Locarno vereinigt), Santa Caterina in Locarno (vor 1291-1570/1571, aufgehoben), in Lugano Santa Maria (Spital, 13.-15. Jh., an die kommunale Verwaltung übergegangen), Santa Caterina (vor 1250-1848, aufgehoben) und Sant'Antonio (vor 1295-1570/1571, aufgehoben), in Astano Sant'Antonio (erstmals erwähnt 1272, im 14. Jh. mit Santa Caterina von Lugano vereinigt, erloschen), im Mendrisiotto Häuser in Riva San Vitale und Castel San Pietro (13. Jh., beide erloschen) und schliesslich in Mendrisio San Giovanni (Spital, vor 1287-1215. Jh., Abtretung an die Serviten) und Sant'Orsola (vor 1268-1555, vielleicht mit Sant'Orsola von Como vereinigt). Die Existenz anderer religiöser Gemeinschaften ist bekannt, aber der gegenwärtige Stand der Forschung erlaubt es nicht, sie dem Orden der Humiliaten zuzuschreiben, so etwa die Hospize in den ambrosianischen Tälern.

Quellen und Literatur

  • HS IX/1
  • Sulle tracce degli Umiliati, hg. von M.P. Alberzoni et al., 1997
  • A. Ambrosiani, «Umiliati», in Dizionario degli Istituti di perfezione, 1997
  • A. Gerhards, Dictionnaire historique des ordres religieux, 1998, 314 f.
Weblinks

Zitiervorschlag

Antonietta Moretti: "Humiliaten", in: Historisches Lexikon der Schweiz (HLS), Version vom 25.03.2014, übersetzt aus dem Italienischen. Online: https://hls-dhs-dss.ch/de/articles/011717/2014-03-25/, konsultiert am 29.03.2024.