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Jesuiten

Gesellschaft Jesu

Die Jesuiten bilden einen katholischen Regularklerikerorden; der lateinische Ordensname lautet Societas Jesu (SJ), der deutsche Gesellschaft Jesu. Der Orden nahm seinen Anfang im Zusammenschluss des baskischen Ritters Ignatius von Loyola (1491-1556) mit sechs seiner Studiengefährten, die 1534 in Paris ein Leben in Armut nach dem Vorbild Christi und Mission im Heiligen Land oder, sollte dies nicht möglich sein, direkte Unterstellung unter den Papst gelobten. Als die Palästinamission nicht zustande kam, stellte sich die Gruppe 1538 Papst Paul III. zur Verfügung. Dieser bestätigte 1540 die erste Regel («Formula Instituti») der Gesellschaft Jesu, die 1550 von Papst Julius III. in überarbeiteter Fassung gebilligt und 1558 durch die «Konstitutionen» ergänzt wurde.

Die Ziele der Jesuiten – die Verbreitung und (seit 1550) Verteidigung des Glaubens, die Hinführung der Menschen zu einem christlichen Leben durch Predigt, Exerzitien, Seelenführung, Katechese (Katechismus) und karitative Werke – verlangten nach Neuerungen im Ordensleben, unter anderem den Verzicht auf ein monastisches Leben in Klausur sowie auf Chorgebet und Ordenskleid. Stattdessen ist die Lebensweise der Jesuiten von Disponibilität und Mobilität geprägt. Der Orden ist monarchisch-zentralistisch verfasst. An der Spitze steht ein Generaloberer mit Sitz in Rom, der von der Generalkongregation auf Lebenszeit (seit 1965 mit Rücktrittsmöglichkeit) gewählt und von dieser in der Leitung des Ordens unterstützt wird. Der Generalkongregation gehören die Assistenten (Vorsteher mehrerer, 2007 zu insgesamt elf Assistenzen zusammengefasster Provinzen), die Provinziale und je zwei gewählte Vertreter der (2007 85) Provinzen an. Hinzu kommen 5 unabhängige Regionen. Innerhalb der Gemeinschaft gibt es vier verschiedene Stufen der Mitgliedschaft: Novizen, Scholastiker, Koadjutoren (unterschieden in Priester und Laien) und Professen. Die Professen legen neben den drei klösterlichen Gelübden Armut, Keuschheit und Gehorsam als viertes ein besonderes Gehorsamsgelübde gegenüber dem Papst ab.

Stiftungsbrief des Jesuitenkollegiums in Luzern von 1577 (Staatsarchiv Luzern, URK 456/8147 B).
Stiftungsbrief des Jesuitenkollegiums in Luzern von 1577 (Staatsarchiv Luzern, URK 456/8147 B).

Im 16. und 17. Jahrhundert breitete sich der Orden rasch aus. Die Jesuiten waren die wichtigsten Träger der katholischen Reform. Schwerpunkte ihrer Tätigkeit wurden das höhere Schulwesen und die Mission, die 1541 von Franz Xaver (1506-1552) in Indien und Japan begonnen wurden. Theologische Gründe (u.a. die Auseinandersetzung mit dem Jansenismus sowie die Gegenposition der jesuitisch-scholastischen Theologie zur Aufklärung) und politische Ursachen (der Einfluss der Jesuiten als Berater und Beichtväter an Fürstenhöfen, die Verhältnisse in Übersee, wo sich die Jesuiten gegen die europäischen Kolonialherren stellten) brachten die Jesuiten im 18. Jahrhundert zunehmend in Misskredit. Nachdem die katholischen Mächte Portugal, Frankreich, Spanien und Neapel Verbote ausgesprochen hatten, hob Clemens XIV. auf ihren Druck hin den Jesuitenorden 1773 auf. Die Wiederherstellung durch Pius VII. 1814 erfolgte im Zuge der kirchlichen Restauration, was die Geschichte des Ordens im 19. Jahrhundert stark prägte. Im 20. Jahrhundert nahmen Jesuiten an den geistigen und theologischen Auseinandersetzungen der Zeit führenden Anteil. Die 34. Generalkongregation der Gesellschaft Jesu 1995 benannte Dienst am Glauben, Einsatz für Gerechtigkeit, Inkulturation und interreligiösen Dialog als ihren Sendungsauftrag. 2000 zählte der Orden 21'354 Mitglieder.

In der alten Eidgenossenschaft kam es 1574 auf Initiative des Kardinals Karl Borromäus und des Schultheissen Ludwig Pfyffer zu einer ersten Ordensniederlassung in Luzern, aus der 1577 ein Kollegium (Gymnasium) entstand. 1578 wurde als Wohnsitz das heutige Regierungsgebäude zur Verfügung gestellt, an welches 1677 die Jesuitenkirche angebaut wurde. Auf Ersuchen des Nuntius Giovanni Francesco Bonomi und der Freiburger Regierung erfolgte durch Petrus Canisius die Gründung des Kollegiums St. Michael in Freiburg, das 1582 eröffnet wurde. Weitere Niederlassungen, allesamt Kollegien, entstanden in Pruntrut (1591), Solothurn (1646), Brig (1662) und Sitten (1734). Bedeutung für die katholischen Gebiete der Ostschweiz erlangte die Niederlassung in Konstanz (1592) und das von den Churer Bischöfen mitbegründete und im Wesentlichen von ihnen dotierte Kollegium in Feldkirch (1649). Versuche, in Roveredo (GR) und Chur Kollegien zu gründen, scheiterten am Widerstand der beiden reformierten Bünde. Eine 1646 in Bellinzona gegründete Niederlassung musste 1675 wieder aufgegeben werden. Im eidgenössischen Herrschaftsbereich lagen des Weiteren die Gründungen in Ponte (1621) und Bormio (1632) im Veltlin.

"40'000 Bajonette". Ausschnitt aus einer Karikatur zum Freischarenzug nach Luzern. Lithografie von Johann Jakob Ulrich in der Wochen Zeitung vom 18. Februar 1845 (ETH-Bibliothek Zürich, Graphische Sammlung).
"40'000 Bajonette". Ausschnitt aus einer Karikatur zum Freischarenzug nach Luzern. Lithografie von Johann Jakob Ulrich in der Wochen Zeitung vom 18. Februar 1845 (ETH-Bibliothek Zürich, Graphische Sammlung). […]

Im Ancien Régime stand die Tätigkeit der Jesuiten zunächst ganz im Dienste der tridentinischen Kirchenreform. Der Gegenreformation diente die Rekatholisierung des fürstbischöflich-baslerischen Laufentals durch Jesuiten aus dem Luzerner Kolleg. Einfluss und Bedeutung erlangten die Jesuiten vor allem durch ihre schulische Tätigkeit. In den katholischen Orten haben sie fast das gesamte mittlere und höhere Bildungswesen aufgebaut und geprägt, sodass bis 1773 von einem eigentlichen jesuitischen Schulmonopol gesprochen werden kann; eine Ausnahme bildeten die Benediktinerabteien Einsiedeln und St. Gallen. Als ein Mittel zur Bildung erwies sich auch das jesuitische Schultheater (Barock, Geistliche Spiele). In der Seelsorge wirkten die Jesuiten durch Predigt, Katechese, Exerzitien und Marianische Kongregationen. In der zweiten Hälfte des 17. und in der ersten Hälfte des 18. Jahrhunderts gewannen Volksmissionen an Bedeutung. Bis 1773 traten rund 1200 Schweizer dem Jesuitenorden bei, darunter herausragende Persönlichkeiten wie die Mathematiker und Astronomen Paul Guldin und Johann Baptist Cysat. Zahlreiche Jesuiten haben als Missionare in Übersee (v.a. in Mittel- und Südamerika, Indien und China) gewirkt, unter ihnen Pietro Berno in Indien, Johann Anton Balthasar, Philipp Anton Segesser von Brunegg und Kaspar Stiger in Mexiko, Jean Magnin in Ecuador und Peru, wo er auch wissenschaftlich tätig war und diese Länder kartografisch beschrieb, Martin Schmid, der Organisator der Chiquitos-Reduktion (Siedlung der Chiquitos-Indianer) im heutigen Bolivien sowie der Uhrmacher Franz Ludwig Stadlin am Kaiserhof in Peking. Nach der Aufhebung des Ordens 1773 führten die Schweizer Jesuiten als Ex-Jesuiten ihre Kollegien weiter, bis sie nach und nach ausstarben und durch andere Kräfte ersetzt werden mussten.

Nach der Wiederherstellung der Gesellschaft Jesu konnten die Jesuiten bis 1847 ihre alten Niederlassungen in Brig (1814), Sitten (1814) und Freiburg (1818) wieder übernehmen. Freiburg wurde in diesem Zeitraum zu einem weit ausstrahlenden Zentrum katholisch-jesuitischer Restauration. 1827 und 1836 folgten Neugründungen in Estavayer-le-Lac und Schwyz. 1845 kehrten die Jesuiten auf Betreiben der Luzerner Regierung nach Luzern zurück. Nachdem einzelne Stände schon auf der Tagsatzung des Jahres 1844 die Vertreibung der Jesuiten gefordert hatten, weil ihnen die Schuld an den Walliser Maiwirren angelastet worden war, gab die umstrittene Jesuitenberufung nach Luzern Anlass zu heftigen Reaktionen und führte unter anderem zu den Freischarenzügen und dem Sonderbund. Der Ausgang des Sonderbundskriegs 1847 führte zur Ausweisung der Jesuiten aus der Schweiz und zur Aufnahme des Jesuitenverbots in die Bundesverfassung von 1848 (Artikel 58). Die Bundesverfassung von 1874 erweiterte das Verbot des Jesuitenordens auf jede Tätigkeit in Kirche und Schule (Artikel 51). Dieser konfessionelle Ausnahmeartikel wurde 1973 durch Volksabstimmung aufgehoben.

Nach 1848 lebten nur vereinzelt Jesuiten in der Schweiz. In ihrer Tätigkeit blieben sie auf Jahrzehnte hinaus auf ein Minimum beschränkt. 1947 erfolgte die Errichtung einer unabhängigen Schweizer Vizeprovinz mit Sitz des Schweizer Vizeprovinzials in Zürich. 1983 folgte die Gründung einer eigenen Schweizer Provinz. Heute sind die Jesuiten in der Schweiz vor allem in der Wissenschaft, der religiösen Erwachsenenbildung (Bildungs- und Exerzitienhäuser in Bad Schönbrunn in der Gemeinde Menzingen und in Villars-sur-Glâne), der Studenten- und Akademikerseelsorge in Basel, Zürich und Bern, der Spital- und Gastarbeiterseelsorge, der Mission und der Publizistik tätig. Eigene Zeitschriften sind die «Orientierung» und die «Choisir». 2000 zählten die Jesuiten in der Schweiz 76 Mitglieder.

Quellen und Literatur

  • HS VII
  • Männerorden in der Schweiz, hg. von W. Ludin, 1982, 139-149
  • F. Strobel, Schweizer Jesuitenlex., Ms., 1986
  • H. Fellay, B. Truffer, «Les jésuites valaisans», in Vallesia, 1996, 1-89
Von der Redaktion ergänzt
  • Schatz, Klaus: Geschichte der deutschen Jesuiten (1814-1983), 5 Bde., 2013.
  • Schatz, Klaus: Geschichte der Schweizer Jesuiten (1947-1983), 2017.
  • Aeby, David: La Compagnie de Jésus de part et d’autre de son temps de suppression. Les jésuites à Fribourg en Suisse aux XVIIIe et XIXe siècles, 2020.
Weblinks
Kurzinformationen
Kontext Societas Jesu (SJ)

Zitiervorschlag

Franz Xaver Bischof: "Jesuiten", in: Historisches Lexikon der Schweiz (HLS), Version vom 13.01.2011. Online: https://hls-dhs-dss.ch/de/articles/011718/2011-01-13/, konsultiert am 10.11.2024.