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Amphitheater

Von den sieben bis heute in der Schweiz bekannten Amphitheatern sind sechs volle Erdanlagen; die Mauerstrukturen dienten nur zur Abstützung des Erdreichs unter den aufsteigenden Zuschauerrängen und zur Anlegung der Zugänge. Die Bauweise des Amphitheaters aus dem 4. Jahrhundert n.Chr., das 2021 in der Nähe des Kastells von Augusta Raurica entdeckt wurde, muss erst noch erforscht werden. Zu Beginn des 1. Jahrhunderts n.Chr. wurde das Amphitheater des Legionslagers Vindonissa zunächst aus Holz errichtet, später aus Stein neu aufgebaut. Seine Arena (64 x 51 m) ist von einem Dienstgang umschlossen und über zwei mächtige Portale zugänglich. Die Zuschauer gelangten von aussen über zwölf Treppenhäuser zu ihren Plätzen. Im Norden führte ein dritter Eingang zur Ehrentribüne und hinunter zu den Sitzreihen. Das von den Legionären erbaute Amphitheater fasste rund 10'000 Zuschauer. Es lag ausserhalb des Lagers, südlich des einheimischen Marktfleckens, dessen Bewohner wohl ebenfalls Zutritt hatten und es nach dem Abzug der 21. Legion bis ins 4. Jahrhundert weiter besuchten. Das Interesse an den im Amphitheater dargebotenen Spielen (Gladiatorenkämpfe, Tierhetzen) war in der romanisierten Bevölkerung tief verwurzelt.

In Augusta Raurica, im Castrum Rauracense, in Aventicum, im Forum Claudii Vallensium (Octodurus) und in der Colonia Iulia Equestris veranlassten zivile Behörden den Bau von Amphitheatern. Diese, etwas später errichtet, lagen innerhalb des Stadtgebiets, aber ausserhalb der Wohnquartiere, und standen oft in Verbindung zu einem nahe gelegenen Heiligtum. In Augusta Raurica umschlossen ab Mitte des 1. Jahrhunderts n.Chr. Bühne und Orchestra des gegenüber dem Schönbühltempel erbauten Theaters eine Arena, die von einer Podiumsmauer begrenzt und mit Tierkäfigen ausgestattet war. In der zweiten Hälfte des 2. Jahrhunderts entstand neben dem Tempel auf Sichelen II ein richtiges Amphitheater. Nach der Aufgabe dieser Unterhaltungsstätten in der Zivilstadt wurde Mitte des 4. Jahrhunderts nahe des Castrum Rauracense am Rhein ein neues Amphitheater errichtet, das zu den jüngsten bekannten Anlagen dieses Typs im Römischen Reich zählt. In Aventicum war das Amphitheater Teil des Bauprogramms der vespasianischen Kolonie. Das in der Nachbarschaft der Tempel Grange-des-Dîmes und Cigognier (Fanum) gelegene Theater bot nach seiner Vergrösserung im 2. Jahrhundert etwa 16'000 Zuschauern Platz. Im Forum Claudii Vallensium (Anfang 2.-4. Jh.) wurde es nur durch die Strasse zum Grossen St. Bernhard vom Tempelbezirk der einheimischen Götter getrennt. Diese Verbindung von Amphitheater und Heiligtum, die vom städtischen Umfeld völlig losgelöst waren, war typisch für die gallischen Provinzen und findet sich auch bei den kleinen (kultischen?) Amphitheatern auf der Berner Engehalbinsel und von Ursins (noch freizulegen). Vielleicht handelt es sich dabei ebenfalls um ein Arena-Theater oder aber um ein Kulttheater wie in Riehen (Pfaffenloh).

Quellen und Literatur

  • Golvin, Jean-Claude: L'amphithéâtre romain. Essai sur la théorisation de sa forme et de ses fonctions, 1988.
  • Fellmann, Rudolf: La Suisse gallo-romaine. Cinq siècles d'histoire, 1992, S. 124-128.
Von der Redaktion ergänzt

 

Weblinks

Zitiervorschlag

Philippe Bridel: "Amphitheater", in: Historisches Lexikon der Schweiz (HLS), Version vom 09.01.2023, übersetzt aus dem Französischen. Online: https://hls-dhs-dss.ch/de/articles/011872/2023-01-09/, konsultiert am 28.03.2024.