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Ittingen

Die Klosteranlage vom Warther Rebhang aus, mit Blick gegen Westen ins Thurtal. Fotografie vor der Restaurierung, 1976 (Amt für Denkmalpflege des Kantons Thurgau, Frauenfeld).
Die Klosteranlage vom Warther Rebhang aus, mit Blick gegen Westen ins Thurtal. Fotografie vor der Restaurierung, 1976 (Amt für Denkmalpflege des Kantons Thurgau, Frauenfeld). […]

Ehemalige Kartause, politische Gemeinde Warth-Weiningen TG. Vor 1079 bis um 1150 Burg, um 1150-1461 Augustinerchorherrenstift, 1461-1848 Kartause, 1856-1977 Privatbesitz, seither Stiftung. Diözese Konstanz bis 1814, dann apostolische Administration, seit 1828 Diözese Basel. Patrozinium: Laurentius.

Die Burg der Truchsessen von Ittingen, Ministerialen der Welfen, wurde 1079 zerstört (Hittingin). Kurz vor 1152 gründeten drei Herren von Ittingen in ihrer Burg ein Chorherrenstift, in das sie selbst eintraten. An der Gründung waren der Bischof von Konstanz und die Welfen beteiligt, als Vogt wählten die Chorherren den Grafen von Kyburg. 1162 dem Kloster St. Gallen unterstellt, wurde das Stift später wegen der welfischen Herkunft von den Habsburgern beansprucht. Es betreute die Kirche Uesslingen, ab 1162 auch die Kapellen Nussbaumen und Schlatt, die aber bald von Stammheim abhängig wurden. 1289 bestand der Konvent aus dem Propst, dem ehemaligen Propst, fünf Chorherren und zwei Brüdern. Das Stift erlangte nie grosse Bedeutung. Es litt als eigentliche Fehlgründung an der über Jahrhunderte strittigen Vogtfrage sowie am Interessenkonflikt zwischen dem Bischof von Konstanz und dem Abt von St. Gallen. Der letzte Propst Wilhelm Neidhart verkaufte das allmählich völlig verarmte Stift 1461 dem Kartäuserorden.

Dieser restaurierte Ittingen unter grossen personellen und finanziellen Schwierigkeiten und erweiterte es um die nötigen Eremitenklausen. Der Regel gemäss war Ittingen mit 14 Zellen ein Konvent normaler Grösse. Viele Kartäuser stammten aus den katholischen Orten, dem benachbarten Ausland oder wurden aus anderen Kartausen hierher versetzt. Die nach 1461 arrondierte niedere Gerichtsherrschaft bestand bis 1798 und umfasste Uesslingen, Warth, Buch bei Frauenfeld und das thurgauische Weiningen, ab 1466 auch Hüttwilen; Niederneunforn und Herdern nur 1471-1498 bzw. 1471-1501. Die Pfarreien Uesslingen und Hüttwilen gingen 1461 bzw. 1466 an die Kartäuser über. Sie wurden durch Vikare, in wenigen Fällen durch Konventualen betreut. 1471 protestierten die Frauen von Warth gegen die regelkonforme Schliessung der Klosterkirche für Frauen; Ittingen errichtete in der Folge die Kapelle Warth. 1524 wurde die Kartause im Zuge der Reformation zerstört (Ittingersturm). Fast alle Mönche flohen, wenige traten aus; der damalige Schaffner Jodocus Hesch neigte vorübergehend der Reformation zu. Die betreuten Pfarreien wechselten den Glauben. Die nach 1531 von den katholischen Orten unterstützte Restauration des Klosters kam nur langsam voran. 1549 setzte Ittingen in Uesslingen, 1551 in Hüttwilen die Wiedereinführung der Messe durch. Danach wurden beide Kirchen simultan benutzt; den reformierten Pfarrer musste Ittingen besolden. Die Kapellen Buch bei Frauenfeld und Warth blieben katholisch. Erst nach 1600 waren die Schulden für den Wiederaufbau getilgt. Nun begann eine geistige Blüte; Heinrich Murer schrieb die «Helvetia Sancta». Während des Dreissigjährigen Krieges war Ittingen Refugium deutscher Kartäuser. Die wirtschaftlichen Grundlagen zu einer weiteren Blütezeit im 18. Jahrhundert legte Prokurator Josephus Wech mit einer Verwaltungsreform (Urbare). Die Bauten erhielten in verschiedenen Barockisierungsphasen, vor allem um 1763 unter Prior Antonius von Seilern, ihr bis heute weitgehend bewahrtes Aussehen.

1848 wurde das Kloster aufgehoben, 1856 durch den Kanton verkauft. Ab 1867 führte Viktor Fehr das Gut als landwirtschaftlicher Musterbetrieb. Ittingen blieb bis zum Verkauf an die Stiftung Kartause Ittingen 1977 im Besitz der Familie Fehr. Die Stiftung betreibt heute ein Kultur- und Bildungszentrum und ein Behindertenwohnheim. Die Gebäude beherbergen das Tecum (Evangelisches Begegnungs- und Bildungszentrum) und zwei kantonale Museen: das Kunstmuseum des Kantons Thurgau und das Ittinger Museum (Klostermuseum).

Quellen und Literatur

  • StATG, fremde ältere Archive
  • B. Meyer, «Das Augustinerchorherrenstift Ittingen 1151-1461», in SVGB 104, 1986, 1-41
  • M. Früh, Führer durch das Ittinger Museum in der Kartause Ittingen, 1992, (21996)
  • HS III/4, 101-139; IV/2, 229-241
Von der Redaktion ergänzt
Weblinks
Normdateien
GND

Zitiervorschlag

Margrit Früh: "Ittingen", in: Historisches Lexikon der Schweiz (HLS), Version vom 25.07.2013. Online: https://hls-dhs-dss.ch/de/articles/011997/2013-07-25/, konsultiert am 28.03.2024.