Ehemalige Abtei und Kollegiatstift sowie Herrschaft des Fürstbistums Basel. Deutsch früher Münster-Granfelden. Rudolf III. von Burgund schenkte 999 das um 640 gegründete Kloster dem Basler Bischof. Das Stift, das infolge der Reformation 1534 nach Delsberg verlegt worden war, wurde 1801 aufgehoben. Die Herrschaft wurde Propstei Moutier-Grandval genannt; diese Bezeichnung bezog sich auf den Propst des Kapitels, der im Mittelalter unter der Oberlehensherrschaft des Bischofs die Herrschaftsrechte wahrnahm. Nachdem diese Rechte Ende des 16. Jahrhunderts auf den Bischof übergegangen waren, wurde die sogenannte Propstei in eine bischöfliche Vogtei umgewandelt, die bis zum Ende des Ancien Régime bestand. Nach der Franzosenzeit gelangte das Gebiet wie der grösste Teil des Fürstbistums Basel 1815 an den Kanton Bern.
Kloster
Um die Mitte des 7. Jahrhunderts reichte das elsässische Herzogtum im Süden bis zur Pierre Pertuis. In der Absicht, diesen schon in römischer Zeit frequentierten Jurapass wieder zugänglich zu machen, bot Herzog Gundoin um 640 Walbert, dem Abt des kolumbanischen Klosters Luxeuil, den hintersten Teil des Birstals (in der Folge Grandisvallis genannt) zur Besiedlung an, worauf dieser dort ein Kloster gründen liess und Germanus zu dessen ersten Abt bestimmte. Das Maria und später auch Germanus geweihte Kloster, das sich, wie die 2008 gefundenen Überreste belegen, in der heutigen Rue Centrale in Moutier befand, dürfte ab ca. 740 der Diözese Basel unterstanden haben. Nach dem Erlöschen des elsässischen Herzogtums wurde die Abtei in der zweiten Hälfte des 8. Jahrhunderts zunächst Königskloster und gelangte um die Mitte des 9. Jahrhunderts als Geschenk Kaiser Ludwigs des Frommen oder seines Sohnes Lothar I. in die Hände des elsässischen Grafen Liutfrid. In dieser Zeit, in welcher auch der St. Galler Mönch Iso als Lehrer in Moutier-Grandval wirkte, erlebte die Abtei eine kulturelle Blüte, von welcher noch heute die in der British Library aufbewahrte Bibel von Moutier-Grandval zeugt. Als das Kloster unter Liutfrid III. in Laienhand zu fallen drohte, brachte der burgundische König Konrad es 967 durch einen Hofgerichtsspruch Kaiser Ottos I. an sich; sein Nachfolger Rudolf III. schenkte es 999 dem Bischof von Basel. Diese Schenkung bildete den Grundstock des späteren Bischofsstaats. In der Folge wurde die Abtei in ein Kanonikerstift umgewandelt, 1120 erscheint als erster Propst Siginandus, der Gründer des Prämonstratenserklosters Bellelay (um 1140). Ende des 11., Anfang des 12. Jahrhunderts wurde – vielleicht aus Anlass der Umwandlung – die Stiftskirche von Grund auf neu am heutigen Standort in Moutier errichtet (zusätzlicher Patron Randoald, heutiges Gebäude Neukonstruktion 1858-1863, leicht verschoben über den hochmittelalterlichen Fundamenten). Das Stift Moutier-Grandval blieb zwar Besitz der Bischöfe von Basel, wehrte sich aber im 12. Jahrhundert, wie die Bestätigung seiner Güter und Rechte durch den Papst 1179 belegt, erfolgreich gegen eine völlige Vereinnahmung und vor allem gegen die Verfügung über die Stiftspfründen durch den Bischof. Im Spätmittelalter wurden die personellen Verflechtungen mit dem Domstift Basel immer enger; Berthold von Pfirt, Heinrich von Neuenburg und Lüthold von Rötteln waren Pröpste von Moutier-Grandval, bevor sie die Bischofswürde erlangten. 1404 schloss das Stift einen Burgrechtsvertrag mit Solothurn, 1407 einen weiteren mit Basel. 1486 nahm Bern den sogenannten Propstwahlstreit – damals bewarben sich fünf Kandidaten, teilweise mit päpstlichen Provisionen versehen, um dieses Amt – zum Anlass, das Münstertal zu besetzen. Unter dem Druck der Tagsatzung gab Bern zwar noch im gleichen Jahr dem Bischof von Basel die Landeshoheit zurück und der von Bern gestützte Bewerber Johannes Meyer aus Büren hielt sich nur bis 1492 in Moutier-Grandval im Amt, aber das mit diesem abgeschlossene Burgrecht hatte zur Folge, dass in der Reformation vier Fünftel der Bevölkerung des Münstertals sich dem von Bern propagierten neuen Glauben anschlossen. 1531 wurde die Stiftskirche zerstört, 1534 übersiedelte das Kapitel nach Delsberg, wo es sich 1571 endgültig niederliess. Die französische Besetzung der südlichen Teile des Fürstbistums im Dezember 1797 bedeutete die faktische, das napoleonische Konkordat mit Papst Pius VII. von 1801 die juristische Aufhebung des Stifts.
Das Stift zählte nie mehr als zwölf Chorherren. Nachzuweisen sind das Amt des Sakristans ab 1160, des Scholasters ab 1176, des Thesaurars oder Kustos ab 1296, des Erzdiakons ab 1346 und des Kantors ab 1436; zudem ist ein Hospitalarius 1322 bezeugt. Das Kapitel unterhielt vermutlich ab 1160 ein Spital und ab 1178 eine Schule. Die ersten bekannten Statuten stammen von 1555. Der grösste Teil der Güter und Rechte lag schon im 12. Jahrhundert im Gebiet der sogenannten Propstei; daneben hatte das Stift bedeutenden Streubesitz im St. Immertal, in der Ajoie, im Salsgau und im Elsass. Nach seiner Übersiedlung nach Delsberg trat das Kapitel seine Herrschaftsrechte über das Münstertal 1588/1591 an den Fürstbischof von Basel ab.
Propstei

Das Gebiet der Propstei entsprach dem heutigen Amtsbezirk Moutier und dem Propstei sous les Roches genannten Teil des Bezirks Delsberg, der auch nach der Reformation katholisch blieb. Er umfasste Courrendlin und die Dörfer des Scheultentals (heute Pfarreien Courrendlin, Corban und Courchapoix). Der Fürstbischof von Basel unterstützte dieses Herrschaftsgebilde, das eine Verbindung zwischen seinen südlichen und seinen nördlichen Besitzungen darstellte. Die Rechte und Gewohnheiten wie auch Bestimmungen bezüglich der Gerichtsordnung sind in den Landrechten (rôles) von 1461 und 1652 verzeichnet. Bis zum Ende des 16. Jahrhunderts besass das Stift Herrschaftsrechte in der Propstei, dann wurden deren Einwohner direkte Untertanen des Fürstbischofs. Das Stift bezog trotzdem Abgaben und behielt auch einige formale Rechte bis 1797. Die Propstei genoss eine relative Unabhängigkeit, weil sie über Freibriefe verfügte und keinem eigentlichen Kastvogt unterstellt war. Der Kastlan von Delsberg verwaltete die Vogtei im Namen des Fürstbischofs. Dabei stand ihm der Statthalter der Propstei zur Seite, der als Kenner der lokalen Verhältnisse eine wichtige Funktion in der Verwaltung einnahm. Die Propstei- oder Landschaftsversammlung, die sich gewöhnlich aus Gemeindevertretern bildete, wurde in Moutier abgehalten. Der von den Gemeindeabgeordneten gewählte Bannerherr leitete in Anwesenheit eines Vertreters des Fürstbischofs die Versammlung. Die Vogtei war in fünf grosse Meierämter eingeteilt, von denen drei (Orval, Moutier und Courrendlin bzw. sous les Roches) auch für politische Fragen zuständig waren.
1706 wurde in Nidau und 1711 in Aarberg eine Konferenz abgehalten, um Streitigkeiten zwischen Bern und dem Fürstbischof zu regeln. Der Vertrag von Aarberg trennte die Propstei in zwei Konfessionsgebiete: Katholiken durften fortan nur noch im Nordteil der Propstei (sous les Roches), Reformierte nur mehr im Südteil (sur les Roches) wohnen. Die fürstbischöfliche Volkszählung von 1770 ergab 5915 Einwohner. Dank seiner Burgrechtsverträge wurde Moutier-Grandval 1792 von den Franzosen als zur Eidgenossenschaft gehörig betrachtet und von den Truppen des revolutionären Frankreichs nicht besetzt. Unter dem Schutz Berns und mit dem Einverständnis des Fürstbischofs erklärte Moutier-Grandval sich im Januar 1793 für unabhängig und ernannte eine Regierung, den provisorischen Verwaltungsrat. An einer Landschaftsversammlung im neu gewählten Hauptort Moutier wurde eine Verfassung verabschiedet. Die französische Invasion im Dezember 1797 setzte dieser Regierung ein Ende. Die Propstei wurde 1797 dem Departement Mont-Terrible und 1800 dem Departement Haut-Rhin zugeteilt, danach ging sie an den Kanton Bern über, in dem sie ab 1816 das Oberamt und ab 1831 den Amtsbezirk Moutier bildete.
Quellen und Literatur
- HS II/2, 362-391; III/1, 283-288
- Jadis dans la Prévôté de Moutier-Grandval: 1486-1986, 1986
- «Le traité de combourgeoisie de 1486 entre Berne et la prévôté de Moutier-Grandval», in Actes SJE, 1986, 25-98
- T.R. Frêne, Journal de ma vie 5, hg. von A. Bandelier et al., 1993, 21-29, 37 f.
- J.-R. Carnal et al., Histoire du Jura bernois et de Bienne, 1995
- La donation de 999 et l'histoire médiévale de l'ancien Evêché de Bâle, hg. von J.-C. Rebetez, 2002