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WettingenKloster

Zisterzienserkloster Maris Stella, Gemeinde Wettingen AG. Diözese Konstanz. Mutterabtei: Salem. Linie: Morimond. 1227 als domus et cenobium Wettingin gegründet, 1841 aufgehoben. Marienpatrozinium.

Heinrich II. von Rapperswil kaufte nach 1220 von Hartmann II. von Dillingen Güter in Wettingen sowie das Patronatsrecht über die Kirche Wettingen und schenkte sie dem Kloster Salem zugunsten einer Ordensniederlassung. Name, Wappen und Wahlspruch (non mergor) nehmen Bezug auf die legendenhafte Errettung Heinrichs aus Seenot auf seiner Fahrt ins Heilige Land. 1227 schickte Salem mit Erlaubnis des Generalkapitels den Prior und zwölf Mönche nach Wettingen, welche Gebäude und Kirche aufzubauen begannen. 1231 erteilte ihnen Papst Gregor IX. das grosse Privileg, das die Immunität, die geistliche Freiheit und die Exemtion bestätigte. 1352 wurde Wettingen abbatia nullius (papstunmittelbare Abtei). Der Konvent konnte von Anfang an den Besitz vermehren, so in Uri (bis 1359), in Zürich, wo der Abt das Bürgerrecht erhielt, in Riehen bei Basel (bis 1548) und vor allem in der Umgebung Wettingens und im Limmattal; das meiste war Streubesitz. Dazu hatten die Äbte Twing und Bann, Jagdrechte, Fischenzen und Zehnten sowie bis 1798 die niedere Gerichtsbarkeit im Limmattal inne. Das zunächst von Konversen (Laienbrüdern) bewirtschaftete Land wurde im 14. Jahrhundert bis auf zwei Höfe verliehen und von der Klosterkanzlei verwaltet. Die Äbte verstanden es, sich in den päpstlichen und adligen Parteikämpfen nach allen Seiten geschickt abzusichern und Privilegien zu sammeln. Bis 1415 war Habsburg Schirmherr, dann die eidgenössischen Orte. Am Ende des 15. und zu Beginn des 16. Jahrhunderts mussten diese wegen finanzieller und disziplinarischer Schwierigkeiten in Wettingen eingreifen und den Vaterabt in Salem zu Interventionen auffordern. Die Schwäche der Äbte führte dazu, dass 1529 ein Grossteil der Mönche zum reformierten Glauben übertrat. 1507 brannte das Kloster.

Nach dem Zweiten Kappelerkrieg (1531) verfügten die katholischen Orte die Rekatholisierung Wettingens und ernannten bis 1564 die Äbte selbst, unter anderen den Benediktiner Peter Eichhorn (1550-1563). Unter Abt Christoph Silberysen (1564-1594) entstanden reich illustrierte Chroniken; die Abtei erhielt Glasgemälde und Standesscheiben. Unter Abt Peter Schmid (1594-1633), wegen seines Reformeifers der zweite Gründer Wettingens genannt, wurden die Klostergebäude, Kirche und Kreuzgang restauriert und erweitert und das Chorgestühl errichtet. 1604 eröffnete er eine Philosophie- und Theologieschule. Mit den Schirmorten stritt er um die Rechnungsablage, die Gerichtsbarkeit und die Patronats- und Kollaturrechte. Statt der 1618 errichteten oberdeutschen Zisterzienserkongregation hätte er lieber eine schweizerische gesehen, wie sie 1806 nach der Aufhebung Salems entstand. 1671 erhielt Wettingen eine bedeutende Druckerei, in der Pater Joseph Meglinger unter anderem 1694 das "Archiv des hochlöblichen Gottshauses Wettingen" (Nachdruck 1992) druckte. Bei den Abtwahlen des 17. und 18. Jahrhunderts musste sich der Konvent ständig gegen die Einmischung des Nuntius und für die Wahrung der Konsistorial- und Exemtionsrechte wehren. In den Ordensstreitigkeiten des 18. Jahrhunderts stand Wettingen, zusammen mit Salem, treu auf der Seite des rechtmässig gewählten Generalabts und der Observantia communis. Während das Kloster vom Bauern- (1653) und vom Ersten Villmergerkrieg (1656) verschont blieb, musste der Konvent zur Zeit des Zweiten Villmergerkriegs (1712) für einige Zeit in die Innerschweiz flüchten. Feudalbarocke Neubaupläne der Äbte Peter Kälin (1745-1762) und Sebastian Steinegger (1768-1807) lehnte der Konvent ab. Steinegger verstand es, die auch in den Konvent eindringenden Ideen der Aufklärung mit bewährter Zisterziensertradition zu verbinden und so Zwistigkeiten zu verhindern. In der Revolutionszeit war Wettingen bis 1798 Durchgangsstation von ca. 1500 geistlichen und adligen Flüchtlingen aus Frankreich. Während der Helvetik erlitt Wettingen die Unbilden der Revolution, zumal das Kloster im Kampf- und Besatzungsgebiet der Franzosen, Österreicher und Russen lag. Gemäss den Klosterakten empfanden die Mönche im Konvent für die beiden Letzteren recht viel Sympathie. 1803 kam Wettingen wie die ganze Grafschaft Baden an den neuen Kanton Aargau, dessen Regierung den Weiterbestand der Klöster und das Recht auf Novizenaufnahme zusicherte; das Kloster hatte dafür eine Schule zu führen. Bis 1830 erlebten Abt und Konvent eine relativ ruhige Zeit. Von da an stellte die aargauische Regierung ständig höhere Geldforderungen an das Kloster. Ab 1834 folgten die Inventarisation des Vermögens, staatliche Verwaltung, ein Novizenverbot und die Schliessung der Klosterschule. 1841 beschloss der Grosse Rat die Aufhebung aller aargauischen Klöster. Obwohl Wettingen an den Unruhen im Freiamt keinen Anteil gehabt hatte, musste Abt Leopold Höchle (1840-1864) mit seinem Konvent das Kloster verlassen. Die Gebäude wurden 1843 dem aargauischen Lehrerseminar zur Verfügung gestellt.

Nach mehreren kurzfristigen Aufenthalten, unter anderem im Kloster Werthenstein, fand der Konvent 1854 im ehemaligen Benediktinerkloster Mehrerau bei Bregenz im Vorarlberg eine neue Heimat. Seither besteht dort der Konvent Wettingen-Mehrerau, dessen Vorsteher sich Abt von Wettingen und Prior von Mehrerau nennt. Die Abtei hatte Kollaturrechte in Wettingen, Baden, Würenlos, Dietikon, Kloten, Thalwil und Höngg, in den drei letztgenannten Orten auch noch, nachdem diese reformiert geworden waren. Pater immediatus war bzw. ist der Abt von Wettingen für die Frauenklöster Selnau (bis 1525), Tänikon (nach 1550-1848), Feldbach und Kalchrain (1603-1848), Gnadental (bis 1876), Frauenthal (seit 1573), Wurmsbach (seit ca. 1290), Magdenau (seit 1250/1275) und Eschenbach (seit 1870).

Quellen und Literatur

  • HS III/3, 425-501
  • B. Anderes, P. Hoegger, Die Glasgemälde im Kloster Wettingen, 1988
  • A. Kottmann, M. Hämmerle, Die Zisterzienserabtei Wettingen, 1996
  • Kdm AG 8, 1998
Weblinks
Normdateien
GND

Zitiervorschlag

Anton Kottmann: "Wettingen (Kloster)", in: Historisches Lexikon der Schweiz (HLS), Version vom 27.01.2022. Online: https://hls-dhs-dss.ch/de/articles/012147/2022-01-27/, konsultiert am 29.03.2024.