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Notker der Deutsche

um 950, 28.6.1022 im Kloster St. Gallen. Neffe von Ekkehard I. Vermutlich stammte Notker der Deutsche, auch Notker III. und Notker Labeo genannt, aus der Gegend um Wil (SG) oder Jonschwil. Sein Leben und seine Persönlichkeit sind durch Zeugnisse seines Schülers Ekkehard IV. in dessen «Liber benedictionum» und durch einen Brief von Notker an Bischof Hugo von Sitten (Kopie vor 1017) erschliessbar. Als zutiefst religiöse, hochgelehrte Persönlichkeit und Rektor der St. Galler Klosterschule übersetzte er lateinische Schulbücher ins Deutsche und kommentierte diese. Für einen weiteren Kreis dürften seine althochdeutschen Bearbeitungen der 150 Psalmen und Papst Gregors des Grossen «Moralia in Iob» bestimmt gewesen sein. Seine lateinischen und althochdeutschen Werke, nur etwa zur Hälfte erhalten, betreffen die Sieben Freien Künste. Für jene der Rhetorik liegen eine lateinische «Ars poetica» und eine kleine althochdeutsche Rhetorik vor, für die Dialektik und Philosophie etwa die Boethius-Übersetzung «De consolatione philosophiae», die althochdeutschen «Categoriae» des Aristoteles/Boethius sowie ein lateinisch-althochdeutscher Doppeltext «De syllogismis», für die Arithmetik des Boethius «De institutione arithmeticae», für die Musik der einzige völlig althochdeutsche Text «De musica», für die Astronomie ein lateinischer «Novus computus» und als Zusammenfassung der Sieben Freien Künste die althochdeutsche Übersetzung «De nuptiis Philologiae et Mercurii» des Martianus Capella. Verloren sind seine Übersetzungen der «Bucolica» Vergils, der Sprüche Catos, des Lustspiels «Andria» des Terenz, vermutlich des Boethius' «De sancta trinitate» sowie mehrere religiöse Werke desselben Autors. Notkers Werke wurden vor allem durch das St. Galler Scriptorium überliefert. Bezeugt von den Viten des 16.-18. Jahrhunderts, wurde Notker im Kloster St. Gallen als bedeutender Magister und Heiliger verehrt. Wie er im Brief an Bischof Hugo betonte, sah er sich vor einem Neubeginn stehen: Notker der Deutsche war denn auch der erste mittelalterliche Kommentator von Aristoteles, und seine Übersetzungen antiker lateinischer Schriften waren für die Klosterschulen, die Bildung, die Literatur (insbesondere die Sprachgeschichte) und Philosophie von grosser Bedeutung.

Quellen und Literatur

  • Die Werke Notkers des Deutschen, begonnen von E.H. Sehrt, T. Starck, fortgesetzt von J.C. King, P.W. Tax, 1972-
  • S. Sonderegger, «Notker der Deutsche als Meister einer volkssprachl. Stilistik», in Althochdeutsch, hg. von R. Bergmann et al., Bd. 1, 1987, 839-871
  • VL 6, 1212-1236
  • Die Notkere im Kloster St. Gallen, Ausstellungskat. St. Gallen, 1992
  • S. Sonderegger, «Althochdeutsch in St. Gallen», in Das Kloster St. Gallen im MA, hg. von P. Ochsenbein, 1999, 205-222, 264-271
  • R. Gaberell, Der Psalter Notkers III. von St. Gallen und seine Textualität, 2000
  • S. Glauch, Die Martianus-Capella-Bearbeitung Notkers des Deutschen, 2 Bde., 2000
  • M. Stolz, Artes-liberales-Zyklen, 2004
Von der Redaktion ergänzt
  • Nievergelt, Andreas (Hg.): Zeitenwende – Notker der Deutsche († 1022), 2022 (Ausstellungskatalog).
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Zitiervorschlag

Peter Ochsenbein: "Notker der Deutsche", in: Historisches Lexikon der Schweiz (HLS), Version vom 03.11.2011. Online: https://hls-dhs-dss.ch/de/articles/012187/2011-11-03/, konsultiert am 13.10.2024.