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St. Leodegar

Benediktinerkloster (ab Mitte des 8. Jh.), Benediktinerpropstei (ab 12. Jh.), Kollegiatstift (ab 1456) in der Stadt Luzern. Auch St. Leodegar im Hof genannt. Das um die Mitte des 8. Jahrhunderts gegründete Kloster wurde 840 erstmals urkundlich erwähnt. 1456 erfolgte die Umwandlung in ein Kollegiatstift. Patrone waren Leodegar und Mauritius.

Das Benediktinerkloster

Die Abtei, der König Pippin um 760 Dienstleistungen von fünf Freien aus Emmen geschenkt hatte, ging in der ersten Hälfte des 9. Jahrhunderts ein und wurde um die Mitte des 9. Jahrhunderts von dem aus hohem alemannischem Adel stammenden Abt Wichard neu errichtet. Im 11. Jahrhundert erscheint das Kloster zur Zeit der gregorianischen Reform als freie Kirche, war also keine Eigenkirche; deren Gotteshausleute besassen 1082 ein eigenes Hofrecht. Wohl im Zuge dieser Reform wurde die kleine Abtei als Propstei der Reichsabtei Murbach einverleibt, ein Vorgang, der erst 1135 fassbar ist. Von nun an wurden die Mönche dem Konvent in Murbach entnommen. Sie entstammten im hohen Mittelalter dem Adel aus dem Südwesten des Reichs, im 15. Jahrhundert dann auch aus eidgenössischen Orten.

1178 übertrug Murbach bzw. St. Leodegar im Einvernehmen mit dem lokalen Adel die Seelsorge der Pfarrei Luzern einem weltlichen Leutpriester, was unter anderem auf Bevölkerungswachstum hinweist und andeutet, dass der bis anhin gemeinsame Besitz zur Dotation der Klosterämter und der Pfründen für die einzelnen Mönche aufgeteilt wurde. Die vom Scolasticus, später vom Hofschulmeister geführte Stiftsschule ist 1229 nachzuweisen.

Das Eigentum über die Herrschaft lag zwar beim Kloster im Hof, doch wurden die Rechte von Abt und Kloster Murbach als Pfleger wahrgenommen. Der herrschaftliche Besitz des Klosters war in Höfe eingeteilt (um 1300 noch 16). Deren geschlossener Kern gruppierte sich um den Oberhof Luzern (Malters, Kriens, Horw, Littau, Emmen, Buchrain, Adligenswil); die übrigen Höfe lagen in Ob- und Nidwalden (Stans, Sarnen, Alpnach, Giswil bis 1457), in Küssnacht (bis 1473), im Aargau und an der Bözbergroute (Elfingen, Holderbank und Lunkhofen im Mittelalter) sowie im Breisgau (Bellingen bis 1547). 1291 erwarb König Rudolf I. von Habsburg die weltlichen Rechte des Klosters Murbach. Die Kastvogtei und die Rechte Österreichs gingen indessen zwischen 1386 und 1415 an Luzern über.

Obervögte waren die Grafen von Habsburg als Vögte von Murbach, während die Reichsvogtei über das Kloster Luzern den Freiherren von Rothenburg und von Wolhusen sowie den Herren von Küssnacht verliehen war. In unmittelbarer Nähe des Klosters entwickelte sich am Ausfluss der Reuss aus dem See die Siedlung Luzern, die im 12. Jahrhundert noch ein Markt gewesen war, zur Stadt. Diese schränkte im 13. Jahrhundert den Spielraum der geistlichen Herrschaft wie der Vögte zusehends ein.

Der Brand der Hofkirche vom 27. März 1633. Aquarell eines unbekannten Künstlers (Zentral- und Hochschulbibliothek Luzern, Sondersammlung).
Der Brand der Hofkirche vom 27. März 1633. Aquarell eines unbekannten Künstlers (Zentral- und Hochschulbibliothek Luzern, Sondersammlung). […]

Zwar blieb die geistliche Bindung des Klosters im Hof an die Abtei Murbach bestehen, doch entfremdete es sich allmählich von ihr. Es strebte gar – besonders vehement in der Amtszeit des Propstes Niklaus Bruder (1406/1410-1413) – die ursprüngliche Unabhängigkeit von Murbach an; auch wollte es den Verkauf von 1291 aufheben und die an die Stadt Luzern verlorenen Rechte zurückgewinnen. Diese Bemühungen scheiterten an der aufstrebenden Stadt Luzern und schwächten die klösterliche Position. 1442 verweigerte der Konvent die Aufnahme von Elsässern, die der Murbacher Abt entsandt hatte.

Das Chorherrenstift

1455 bat der Konvent den Papst, das Kloster in ein weltliches Chorherrenstift umzuwandeln. Propst und Kapitel lösten am 25. Juni 1456 die Rechte Murbachs ab, worauf dieses am 9. Juli 1456 auf seine letzten Rechte am Luzerner Kloster verzichtete. Am 14. Juli 1456 vollzog der Bischof von Konstanz die Umwandlung.

Sofort schaltete sich auch der Luzerner Rat ein und sicherte sich im sogenannten Propst Schweigerschen Brief vom 13. September 1456 einen bestimmenden Einfluss auf die Wahl des Propstes, der acht Chorherren und der dreizehn Kapläne. Er reservierte zudem die Verleihung der vier obersten Ämter (Kustos, Kammerer, Bauherr, Almosner) für sich. Die bis dahin gültige Organisation wurde beibehalten, die Chorherren und Kapläne rekrutierten sich nunmehr weitgehend aus dem Patriziat und den Bürgern von Stadt und Kanton Luzern. Bald nach 1456 entstanden die ersten bekannten Statuten, die 1608 den Erfordernissen des Tridentinums angepasst wurden. 1480-1792 verlieh Rom dem Propst die Würde eines römischen Prälaten, einzelne Pontifikalien, die Inful und die Abtweihe. Nach dem Zweiten Vatikanum (1962-1965) verzichtete das Kapitel auf diese Würden.

Mit dem Generalauskauf von 1479 löste die Stadt für 2500 Gulden die letzten herrschaftlichen Rechte ausserhalb des Stiftsbezirks im Hof, der von einer eigenen Ringmauer eingefasst war, ab. Die Stiftskirche war zugleich Pfarrkirche des Stadtkirchgangs.

Das Stift lehnte die Reformation mehrheitlich ab. Zwei Chorherren, die Humanisten Johannes Xylotectus und Jodocus Kilchmeyer, und der Stiftsschulmeister Oswald Myconius mussten deshalb zwischen 1522 und 1524 Luzern verlassen. Rat und Nuntius vermochten die tridentinische Reform und insbesondere das Konkubinatsverbot im Stift nur mit grosser Mühe durchzusetzen. Junge, vor allem in Mailand ausgebildete reformorientierte Pröpste kamen zum Einsatz. 1651-1709 erhöhte sich die Zahl der Chorherren durch die Stiftung von drei patrizischen Familienkanonikaten auf elf.

Der Rat und später die Kantonsregierung drangen immer wieder auf eine gute Bildung der Chorherren. Im 18. Jahrhundert blühte eine bemerkenswerte Musikkultur. Eine grundlegende Neuorientierung bewirkte das Wessenbergische Konkordat von 1806. Sieben Pfründen wurden für die Lehrer an der Höhern Lehranstalt reserviert. Noch 1926 bestätigte der Papst der Kantonsregierung die alten, an sie übergegangenen Wahlprivilegien. Anfang des 21. Jahrhunderts bestanden zwölf Chorherrenstellen, die mit Luzerner Geistlichen im Pensionsalter besetzt werden. Kapläne gab es keine mehr.

Quellen und Literatur

  • StALU, StiftsA
  • QW I/1-3; II/1-4
  • SSRQ LU I/1-
  • HS II/2, 342-361; III/1, 832-855, 898 f.
  • F. Glauser, «Luzern 1291», in JHGL 9, 1991, 1-40
Weblinks
Normdateien
GND

Zitiervorschlag

Fritz Glauser: "St. Leodegar", in: Historisches Lexikon der Schweiz (HLS), Version vom 22.02.2011. Online: https://hls-dhs-dss.ch/de/articles/012236/2011-02-22/, konsultiert am 16.09.2024.