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MurtenVogtei

Topografische Karte des Bezirks Murten, gezeichnet von Eduard Kinkelin, 1830 (Stadtarchiv Murten; Fotografie Gerhard Howald, Kirchlindach).
Topografische Karte des Bezirks Murten, gezeichnet von Eduard Kinkelin, 1830 (Stadtarchiv Murten; Fotografie Gerhard Howald, Kirchlindach). […]

Savoyische Herrschaft vom 13. Jahrhundert bis 1476, anschliessend gemeine Herrschaft (Vogtei) der Städte Bern und Freiburg bis 1798. Sie umfasste das Gebiet an beiden Ufern des unteren Murtensees, nördlich unter Einschluss des Mont Vully bis an den Unterlauf der Broye, südlich bis auf das Plateau von Salvenach und östlich bis ins Grosse Moos. Ihr Territorium bildet den Kern des heutigen Seebezirks im Kantons Freiburg.

Zur savoyischen Herrschaft Murten gehörten – soweit in den Quellen ab dem 14. Jahrhundert fassbar – mehrere mittelalterliche Pfarreien des Bistums Lausanne ganz oder teilweise: nämlich Murten (Murten, Galmiz, Altavilla, Lurtigen, Salvenach, Jeuss), Merlach (Merlach, Greng, Gurwolf, Courlevon), Ferenbalm (Ulmiz, Gempenach, Büchslen, Agriswil) und Kerzers (Kerzers, Fräschels) am Südostufer des Murtensees und an dessen Nordufer Mont Vully (Gemeinde Bas-Vully oder La Rivière mit Praz, Nant, Sugiez, Chaumont). In diesem Gebiet übte der Schultheiss von Murten als Amtmann Savoyens die hohe Gerichtsbarkeit aus. Er residierte in der 1255-1300 erbauten Stadtburg. Das Cluniazenserpriorat Münchenwiler mit Clavaleyres (beide zur Pfarrei Murten gehörig) unterstand zusätzlich seinem Schutz als Kastvogt. Der Verwaltung des Schultheissen übergab Herzog Amadeus IX. von Savoyen 1469 auch die Herrschaft Lugnorre (Lugnorre, Môtier, Joressant, Mur).

Herrschaft und Stadt Murten kamen ab 1471 in die Verwaltung des Grafen Jakob von Romont, eines Parteigängers des burgundischen Herzogs Karl des Kühnen. Daher besetzten Bern und Freiburg die Stadt in den Burgunderkriegen (14. Oktober 1475), liessen die Murtner schwören und bestätigten das savoyische Stadtrecht. Nach der gewonnenen Schlacht bei Murten gegen Herzog Karl am 22. Juni 1476 annektierten Bern und Freiburg Stadt und Herrschaft Murten sowie die Herrschaft Lugnorre und unterstellten sie ihrer gemeinsamen Verwaltung. Die Rechtmässigkeit dieser Übernahme wurde von den Eidgenossen bestritten, die für ihre militärische Unterstützung gleichen Anteil an den neuen Vogteien verlangten. 1484 wurde Bern und Freiburg das alleinige Recht an diesen gegen Entschädigungszahlungen an die Eidgenossen schiedsgerichtlich zugestanden.

Die gemeinsame Vogteiverwaltung entsprach dem Muster damaliger Landesverwaltung: Anstelle des savoyischen Amtmanns residierten ab 1476 bernische und freiburgische Schultheissen abwechslungsweise jeweils für fünf Jahre auf der befestigten Stadtburg Murten, die von den beiden Landesherren 1539-1541 und Mitte des 18. Jahrhunderts zum Schloss ausgebaut wurde. Der Schultheiss sass dem Rat bzw. Gericht von Murten vor und richtete nach Stadtrecht (Murten-Satzung, kodifiziert 1715); Appellationsinstanz war die im Amt stillstehende Obrigkeit. In der Herrschaft Murten galt ein spezielles Landrecht. Jährlich im Herbst trafen sich der amtierende und der stillstehende Schultheiss in Freiburg zur Beratung und Rechnungsablage (Murten-Abschiede). Die Stadt Murten behielt vorerst den militärischen Auszug unter eigenen Offizieren und eigenem Fähnlein, ab 1560 wurde dieser Freiburg unterstellt, ab 1744 im Murtner Regiment unter freiburgischen Offizieren.

Berns Übergewicht zeigte sich von Anfang an: 1484 liess es das Priorat Münchenwiler durch päpstlichen Erlass dem Vinzenzstift in Bern inkorporieren, trennte dessen Herrschaft von der Vogtei Murten ab und unterstellte sie ganz der bernischen Verwaltung. Das Wirken des Prädikanten Guillaume Farel und der Druck Berns verhalfen in Herrschaft und Stadt Murten 1530 der Reformation zum Durchbruch. Kirche und Schule – unter deutschsprachigen Prädikanten und Schulmeistern – wurden von Bern abhängig. Deutsch verdrängte zunehmend das Französische, zuerst in der Stadt, dann auch in der Herrschaft (deutsche Schulen in Salvenach 1683, Galmiz 1713/1725, Münchenwiler 1738, Courlevon 1797).

Nach dem Einmarsch der Franzosen 1798 wurde die gemeine Vogtei Murten aufgelöst und im Bezirk Murten dem helvetischen Kanton Saane und Broye unterstellt, 1803 erfolgte die Zuteilung zum Kanton Freiburg, obwohl die Stadt Murten den Anschluss an den Kanton Bern gewünscht hatte.

Quellen und Literatur

  • SSRQ FR IX/1
  • E. Flückiger, Die Reformation in der gemeinen Herrschaft Murten und die Gesch. der ref. Kirche im Murtenbiet und im Kt. Freiburg, 1930
  • Kdm FR 5, 2000, 1-11
  • M.F. Rubli, Murten, 2002
Weblinks
Normdateien
GND

Zitiervorschlag

Anne-Marie Dubler: "Murten (Vogtei)", in: Historisches Lexikon der Schweiz (HLS), Version vom 11.11.2016. Online: https://hls-dhs-dss.ch/de/articles/013097/2016-11-11/, konsultiert am 04.12.2024.