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Militärgeschichte

Die geringe Bedeutung der Militärgeschichte an den schweizerischen Universitäten gegenüber anderen historischen Teildisziplinen (Wirtschaftsgeschichte, Sozialgeschichte, Geschlechtergeschichte) kontrastiert mit der anhaltenden Nachfrage nach militärgeschichtlichen Darstellungen im Zusammenhang mit der Problematik der Milizarmee und der Militärdiensterfahrung.

Holzschnitt aus der militärgeschichtlichen Abhandlung De re militari des römischen Kriegsschriftstellers Vegetius (Flavius Vegetius Renatus), veröffentlicht von Christian Wechel in Paris, 1535 (Bibliothèque de Genève, Archives Nicolas Bouvier).
Holzschnitt aus der militärgeschichtlichen Abhandlung De re militari des römischen Kriegsschriftstellers Vegetius (Flavius Vegetius Renatus), veröffentlicht von Christian Wechel in Paris, 1535 (Bibliothèque de Genève, Archives Nicolas Bouvier). […]

Militär- und kriegsgeschichtliche Aspekte nahmen im Rahmen der allgemeinen Darstellung der Eidgenossenschaft ab dem späten Mittelalter einen hohen Stellenwert ein. Die allein auf das Militär konzentrierte Geschichtsschreibung wurzelt indes wesentlich in den Darstellungen ehemaliger Solddienst- und Milizoffiziere des Ancien Régime und des frühen 19. Jahrhunderts. Zu nennen sind hier Beat Fidel Zurlauben, Beat Emanuel May, Viktor Emanuel Thellung de Courtelary, Bernhard Emanuel von Rodt, Johannes Wieland und Karl von Elgger. Ihre Werke sind – entsprechend den Gepflogenheiten der Zeit – auf die höheren Offiziere, die Kriegführung und die Schlachten fokussiert und beinhalten eine Analyse der Strategien und Taktiken. Im 20. Jahrhundert fand diese Forschungstradition mit einem ständigen Lehrauftrag für Militärgeschichte an der Universität Bern ihre Fortsetzung. Hauptsächlich wurde die Militärgeschichte jedoch von engagierten Armeeangehörigen und Liebhabern betrieben, die sich zum Teil zu Vereinen zusammenschlossen, darunter insbesondere die Schweizerische Vereinigung für Militärgeschichte und Militärwissenschaften, die Gesellschaft für militärhistorische Studienreisen sowie das Centre d'histoire et de prospective militaires in Pully. Auch Flieger- und Festungsmuseen sind Zentren der Militärgeschichte.

Buchumschlag des ersten Bands der Reihe über den schweizerischen Generalstab, herausgegeben vom Centre d'histoire et de prospective militaires, 1983.
Buchumschlag des ersten Bands der Reihe über den schweizerischen Generalstab, herausgegeben vom Centre d'histoire et de prospective militaires, 1983.

Während des Ersten Weltkriegs wurde im Auftrag des Chefs des Generalstabs erstmals eine umfassende «Schweizer Kriegsgeschichte» (1915-1933, 12 Hefte) verfasst, welche einen Meilenstein der Militärgeschichtsschreibung im Schnittpunkt von Militärdepartement, Milizarmee und Universität bildete. Nach dem Zweiten Weltkrieg verfassten Angehörige der Schweizer Armee eine Vielzahl von Truppengeschichten. Dieses Genre erlebte 1994-2003 im Zusammenhang mit der Auflösung von Truppenverbänden im Rahmen der beiden Armeereformen (Armee 95, Armee XXI) einen weiteren Höhepunkt. Als Gesamtdarstellung mit wissenschaftlichem Anspruch erscheint seit 1983 die vom EMD bzw. VBS unterstützte Reihe «Der Schweizerische Generalstab», welche die Geschichte der Schweizer Armee und der schweizerischen Landesverteidigung behandelt. Obwohl eine Vielzahl von Einzelstudien vorliegt, fehlt eine Gesamtdarstellung der Geschichte schweizerischer Soldtruppen in fremden Diensten zwischen 1515 und 1859. Militärgeschichtliche Aspekte mit regionalem und lokalem Bezug werden in zahlreichen kleineren Publikationen sowie in vielen Kantonsgeschichten behandelt.

Militärgeschichte wird seit 1968 an der Universität Zürich bzw. seit 1981 an der Militärwissenschaftlichen Abteilung (Militärakademie) der ETH Zürich gelehrt. Die Lehr- und Forschungsschwerpunkte verlagerten sich dabei von der volkskundlichen Betrachtung des Kriegs und der Institutionengeschichte des Militärs zur Sozial- und Kulturgeschichte des Militärs und des Kriegs.

Quellen und Literatur

  • Generalstab, 1983-
  • W. Schaufelberger, «Von der Kriegsgeschichte zur Militärgeschichte», in Geschichtsforschung in der Schweiz, 1992, 339-377
Weblinks

Zitiervorschlag

Rudolf Jaun: "Militärgeschichte", in: Historisches Lexikon der Schweiz (HLS), Version vom 23.02.2015. Online: https://hls-dhs-dss.ch/de/articles/013103/2015-02-23/, konsultiert am 19.03.2024.