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Renten

Als Renten werden unterschiedliche Arten eines regelmässig anfallenden Einkommens bezeichnet, welches nicht auf einer Arbeitsleistung, sondern auf Grund eines Rechtsanspruchs auf einem Vermögensertrag beruht. Renten finden sich in allen Wirtschaftsbereichen, anfangs in der Agrarwirtschaft, dann zunehmend in der Finanzwirtschaft und in neuerer Zeit vor allem im Versicherungswesen und im Sozialbereich. Den Umgang mit Renten regelt das Zivilgesetzbuch im Ehe-, Familien- und Erbrecht.

Der im Hochmittelalter entstandene Begriff Rente (mittelhochdeutsch rente, Einkünfte, von altfranzösisch rente, abgeleitet von lateinisch reddere, zurückgeben) hatte ursprünglich die Bedeutung eines zunächst aus der Agrarwirtschaft kommenden regelmässigen Nutzens oder Ertrags, einer Boden- oder Grundrente. Rente bedeutete auch allgemein Vorteil und Gewinn sowie Rendite als Jahresertrag eines angelegten Kapitals. Wer eine Rente bezieht, ist Rentner, wobei das mittelhochdeutsche Wort rentener vorerst den Rentenzahler bezeichnete und erst ab der frühen Neuzeit die Bedeutung von Rentenbezüger erhielt. Wer aus dem Ertrag seines Vermögens lebte, wurde in der Schweiz im 19. und frühen 20. Jahrhundert als Rentier bezeichnet.

Renten aus der Agrarwirtschaft

Ab dem Spätmittelalter hielten Renten infolge des steigenden Einflusses der städtischen Marktwirtschaft Einzug in der Agrarwirtschaft. Mit zunehmender Verdrängung der subsistenzorientierten agrarischen Produktion durch eine marktorientierte änderte sich die der Grundherrschaft verpflichtete Agrarverfassung: Grundherren begannen, die in der Eigenwirtschaft gebundenen Güter gegen fixierte, nicht ablösbare Grundzinsen an die Bauern zu verleihen. Mit der freieren Verfügbarkeit über den Boden dank Erbleihe (Leihe) kam der Rentenkauf auf, der Bewegung in den ländlichen Bodenmarkt brachte: Hierbei etablierten sich Renten ebenso als Mittel der Geldanlage wie des Darlehensgeschäfts und des Kreditmarkts (Kredit). Drei Instrumente gewannen grösste Bedeutung – die Renten-Jahrzeitstiftung in der Kirchenökonomie, die Gült als beliebteste private und öffentliche Kapitalanlage bzw. als übliches Mittel zur Geldbeschaffung durch Bodenbesitzer sowie die Leibrente als Instrument der privaten Altersfürsorge. Allen Renten eignete gleichermassen, dass sie nicht ablösbar, d.h. «ewig» waren (Ewigrenten).

Jahrzeitstiftungen an die Kirche, die jährliche Renten in Natura aus dem Bodenertrag, ab dem 16. Jahrhundert dann vermehrt Geldrenten (Zinsen) erbrachten, dienten dem Unterhalt von Kirchenpfründen und karitativen Institutionen. Nach dem Beispiel des Adels und der Klöster legten reiche Stadtbürger ihre Vermögen zunehmend in Grundbesitz und Herrschaftsrechten als finanziell zwar weniger profitable, aber risikoärmere Anlagen an; bei kleineren Vermögen erwarben städtische Gläubiger von Grundstücksinhabern Renten, die als Grundlast auf das Grundstück gesetzt und durch Schuldtitel gesichert waren. Diese als Gülten bezeichneten Renten trugen vorerst Naturalzinsen ein; im 16. Jahrhundert setzten sich aber auf obrigkeitliche Intervention Geldzinsen bei einem üblichen festen Zinsfuss von 5% durch. Bei allen Arten von Gülten haftete nicht der Schuldner, sondern das belastete Grundstück als Grundpfand (Grundpfandrecht). Gülten waren in der Regel einseitig nur durch den Schuldner ablösbar, nicht durch den Gläubiger, der mit diesen aber wie mit Werttiteln handeln, sie verpfänden, verkaufen und vererben konnte. Der solchermassen über Gülten gewährte Immobiliarkredit diente den Bauern weniger zur Finanzierung von Investitionen, als zur Überbrückung von Notlagen und vor allem zur Auszahlung der Erben bei Erbteilungen. Die Beliebtheit des Bodenkredits, der nicht als Darlehen galt und daher auch nicht mit dem kirchlichen Zinsverbot (Wucher) in Konflikt kam, liess allerdings die Agrarverschuldung schon in der frühen Neuzeit anschwellen, sodass die hypothekarische Belastung zum Auskauf von Geschwistern bald den Hoferben mehr zu schaffen machte als die ohnehin fixierten Feudallasten.

Eine weitere mit dem Boden verbundene Art der Rente war die alte Leibrente (Altersvorsorge). Zur Sicherung des Lebensunterhalts im erwerbslosen Alter wurde das Vermögen ganz oder teilweise an Dritte übertragen, die dem Alternden daraus Unterhalt auf Lebenszeit garantierten. Klöster etwa nahmen vom Hochmittelalter an Güter (Herrschaften, Höfe, Stadthäuser usw.) als Jahrzeitstiftung entgegen; sie überliessen das Stiftungsgut dem Stifter zur Bewirtschaftung, der sich mit dem Ertrag zu erhalten hatte. War er dazu nicht mehr imstande, so erhielt er eine periodische Rente in Naturalien oder Geld. Nach seinem Tod fiel das Stiftungsgut an das zur Jahrzeitfeier verpflichtete Kloster. Leibrentenverträge galten auch zwischen Bürgern und ihrer Stadt; Stadtverwaltungen beschafften sich so bis ins 16. Jahrhundert Kredite für öffentliche Aufgaben. Nach klösterlichem und städtischem Vorbild entwickelte sich im späten Mittelalter die bäuerliche Leibrente, die in der deutschen Schweiz Leib(ge)ding bzw. westlich der Reuss Schleiss hiess, in der französischen rente viagère und in der italienischen vitalizio. Sie bot dem Alternden ein dem Vermögen angemessenes, festgelegtes Wohnrecht und Nahrung im angestammten Haus. Bis ins beginnende 20. Jahrhundert war sie die wichtigste Form privater Altersvorsorge der ländlichen Mittel- und Oberschicht.

Renten im Finanzsektor

Dass die dem Boden verhafteten, unablösbaren Ewigrenten zum bedeutendsten Kreditinstrument wurden, verdankten sie erst ihrer Ablösbarkeit: Ab dem 14. Jahrhundert begann sich der Wiederkauf im Rentenvertrag durchzusetzen. Wiederkaufsklauseln sahen den Rückkauf der Rentenverpflichtung zum ursprünglichen Kaufpreis oder zu einem bestimmten Kapitalisierungsfuss (zunehmend 1:20 bzw. 5%) für jährliche Renten vor und regelten entsprechende Termine und Fristen; je nachdem konnte die Ablösung jederzeit, zu einem bestimmten Termin oder innerhalb einer bestimmten Frist und/oder mit einer bestimmten Kündigungsfrist erfolgen. Wurde die vertragliche Vereinbarung nicht eingehalten, galt der Rentenkauf «ewig». Anfänglich konnte allein der Schuldner kündigen, später zunehmend auch der Rentenberechtigte. Die Rückkaufsklausel führte bis in die frühe Neuzeit unter Theologen und Juristen zu wucherrechtlichen Diskursen. Trotzdem wurden die Wiederkaufsrenten, gestützt auf das wachsende Kapitalangebot reich gewordener Bürger, zu Instrumenten eines bodenunabhängigen Kapitalmarkts und der Geldwirtschaft, die den Charakter von modernen Anleihen annahmen. Damit avancierte die grundpfandgesicherte Gült zum langfristigen, kündbaren Darlehen und der Hypothekarkredit zum Instrument rationeller Vermögensverwaltung.

Unter der Kontrollaufsicht der städtischen Finanzämter (Säckelmeisterämter) und Staatsbanken (Stadtwechsel) blieb der tiefe Zins dem langfristigen Darlehen erhalten, was auch eine Senkung der bis dahin hohen Zinsen beim kurz- und mittelfristigen Kredit von Juden und Lombarden bewirkte. Die Bedeutung der Renten im öffentlichen Kreditwesen wuchs mit dem wechselseitigen Darlehens- und Anleihengeschäft zwischen den eidgenössischen Städten, mit dem Basel im 15. und 16. Jahrhundert zum wichtigsten Rentenmarkt der Eidgenossenschaft aufstieg. Das Kreditinstrument der Renten erlaubte den Städten, kurzfristige Finanzierungslücken rasch zu überbrücken. Als Sicherheit für die eingegangene Verschuldung galten die öffentlichen Einnahmen sowie das öffentliche und private Vermögen einer Stadt. Diese Geschäftsformen waren damit Vorläufer der heutigen festverzinslichen Rentenpapiere der staatlichen und kommunalen Schuldverschreibung.

Als fremde Dienste, Handel und Protoindustrie ab dem 16. Jahrhundert zu einem Überangebot an langfristigem Kapital führten, das der Binnenmarkt nicht mehr aufzunehmen vermochte, besorgten Privatbankiers (Banken) den Kapitaltransfer ins Ausland und die Anlage, darunter in Rentenanleihen, über ihren Wechselverkehr in Europa oder Übersee. Ab ca. 1850 kamen die auf einheimische Anleger ausgerichteten Geschäftsbanken auf, die unter anderem die Finanzierung des Eisenbahnbaus und der Grossindustrie tätigten. Nach dem Ersten Weltkrieg engagierten sie sich sowohl im Ausbau ihrer Filialnetze im Inland als auch vermehrt am internationalen Finanzgeschäft und an ausländischen Märkten, was der Schweiz den Aufstieg zum internationalen Finanzplatz eintrug. Am somit stark international ausgerichteten Kapitalmarkt teilt sich im Sektor der langfristigen Wertpapiere der Anleihen- oder Rentenmarkt für festverzinsliche Wertpapiere mit dem Aktienmarkt für Beteiligungspapiere in das Anlage- und Kreditgeschäft. Die bedeutendste Kreditart der schweizerischen Banken blieb jedoch der Hypothekarkredit, der dem Erwerb und Bau von Liegenschaften sowie deren Werterhaltung und Wertvermehrung dient.

Renten im Versicherungswesen und Sozialbereich

Sowohl die am städtischen Kapitalmarkt realisierten Leibrenten der Städter wie auch jene aus Leibding- und Schleissverträgen auf dem Land waren eigentliche Vorläufer der modernen Lebens- und Rentenversicherung (Versicherungen). Zu diesen zählte auch die Verpfründung im städtischen Spital, das seinen Bürgern, oft gegen Überlassung des Vermögens, lebenslänglichen Unterhalt und Pflege als Pfründner zusicherte. Weil das für die Renten hinterlegte Kapital beim Tod des Versicherten an den Versicherer fiel, lagen die Renten mit ca. 8-12% relativ hoch. Doch da weder die Lebenszeit des Rentenbezügers noch jene des Pfründners voraussehbar war, kam Renten- und Verpfründungsverträgen ein spekulativer Charakter zu. Als der inländische Rentenmarkt ab dem 17. Jahrhundert bei zunehmender Entschuldung der eidgenössischen Städte austrocknete, beteiligte sich die wohlhabende Oberschicht an ausländischen Rentenanleihen, deren Leibrentenverträge nun bereits nach der statistischen Lebenserwartung des zu Versichernden berechnet waren. Auf dem Land sind private Leibrenten, etwa bei der Betriebsübergabe von Eltern an den Erben im Rahmen eines Erbvorbezugs, bis heute möglich. Leibrentenvertrag und Verpfründung sind im Obligationenrecht (Artikel 516-529) geregelt.

Ohne Renteneinkommen oder Vermögen waren arme Alternde auf die ursprünglich kirchliche, ab dem 16. Jahrhundert vermehrt kommunale Fürsorge angewiesen, wobei im 19. Jahrhundert wegen der verbreiteten Armut neben der öffentlichen Fürsorge auch eine freiwillige Armenpflege am Wohnort notwendig war. Das Versicherungswesen in der Schweiz befasste sich im 19. Jahrhundert nach ausländischem Vorbild zunächst mit der Sach- und Vermögensversicherung; Hilfskassen der Kranken-, Hinterbliebenen- und Altersfürsorge, die Härtefälle durch kollektive Selbsthilfe zu beseitigen suchten, folgten. Bis 1880 gewährten aber nur wenige Kassen (Hilfsvereine) einzelnen Berufsgruppen ein Ruhegehalt oder eine einmalige Altersabfindung. Die geregelte Altersvorsorge von staatlichen und privaten Sozialversicherungen wurde erst im 20. Jahrhundert verwirklicht: Da die zunächst realisierte berufliche Vorsorge durch Pensionskassen das Problem der Altersarmut insbesondere bei nur zeitweiser Lohnarbeit nicht lösen konnte, trat ab 1948 die Alters- und Hinterlassenenversicherung (AHV) als wichtigster Zweig der Sozialversicherung an ihre Seite. Mit Einbezug der Invalidenversicherung (IV), die Renten bei Erwerbsunfähigkeit zahlt, verläuft die Finanzierung der Renten nach dem Umlageverfahren, über Lohnprozente und ein Obligatorium, das alle in der Schweiz niedergelassenen Personen erfasst. Seit 1972 sind die AHV als Staatsversicherung, die berufliche Vorsorge und die Selbstvorsorge als Drei-Säulen-Prinzip in der Bundesverfassung (BV) verankert (Artikel 34quater der BV 1874 bzw. Artikel 111 der BV 1999). In Härtefällen werden Ergänzungsleistungen erbracht.

Zu Beginn des 21. Jahrhunderts nahmen Renten aller Art in der schweizerischen Volkswirtschaft einen hohen Stellenwert ein. Renten sind im Wirtschaftsleben, im Alltag und, angesichts von Wirtschaftskrisen, vor allem auch im politischen Diskurs allgegenwärtig. Wirtschaftlich hat das Rentengeschäft durch das Zusammenwirken von Firmen der Finanz- und Versicherungsbranche längst den schweizerischen und europäischen Rahmen gesprengt.

Quellen und Literatur

  • M. Körner, Banken und Versicherungen im Kt. Luzern vom ausgehenden Ancien Régime bis zum Ersten Weltkrieg, 1987
  • A.-M. Dubler, «Der Emmentaler Schleiss», in SAVk 85, 1989, 332-362
  • HRG 4, 895-901
  • LexMA 7, 734-738
  • Hat das Drei-Säulen-Konzept eine Zukunft?, hg. von E. Carigiet, J.-P. Fragnière, 2001
  • Geld-, Bank- und Finanzmarkt-Lex. der Schweiz, hg. von M. Boemle et al., 2002
  • Von der Barmherzigkeit zur Sozialversicherung, hg. von H.-J. Gilomen et al., 2002
  • A. Berger, Betriebsübergabe gegen Renten in Deutschland, Österreich und der Schweiz, 2002
Weblinks

Zitiervorschlag

Anne-Marie Dubler: "Renten", in: Historisches Lexikon der Schweiz (HLS), Version vom 23.12.2011. Online: https://hls-dhs-dss.ch/de/articles/013706/2011-12-23/, konsultiert am 17.04.2024.