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Pfandschaftswesen

Das Pfandschaftswesen umfasst die rechtsförmliche Verpfändung von Herrschafts- und Nutzungsrechten. Unterschieden wird zwischen vom König übertragenem Reichspfand und landesherrlichem Territorialpfand. Anders als beim Fahrnis- oder Grundpfand handelte es sich dabei nicht um ein Haftungsobjekt zur Absicherung einer Forderung, sondern um ein gegebenes oder gesetztes Pfand. Dieses begründete ein nicht abniessbares Nutzungsrecht und stellte meist ein selbstständiges, im Gegensatz zum Lehnswesen nicht auf einem persönlichen Treueverhältnis beruhendes Rechtsverhältnis zwischen Pfandgeber und Pfandnehmer her. Allerdings finden sich im sogenannten Pfandlehen (Lehen) auch Verbindungen von Pfandschaft und Lehnübertragung.

Erste Pfandvergabungen werden im 12. Jahrhundert fassbar. Seinen Höhepunkt erreichte das Pfandschaftswesen im 14. Jahrhundert, die letzte Territorialpfandschaft wurde 1803 vorgenommen (Schweden verpfändete Wismar an das Herzogtum Mecklenburg). Die zunehmende Bedeutung des Pfandschaftswesens im Reich im 13. und 14. Jahrhundert ging einher mit dem Verlust der politischen Funktion des Lehnswesen. Verpfändet wurden alle Arten von Herrschaftsrechten wie zum Beispiel Städte, Dörfer, Burgen, Höfe, Einkünfte, Regalien, Amtsbefugnisse, Vogteien und Steuern. Die Verpfändungen waren zeitlich unbefristet und konnten durch Zahlung der Pfandsumme jederzeit ausgelöst werden. Pfänder wurden ausgegeben für geleistete oder noch zu erwartende Dienste (Heerfolge, Parteinahme bei Königswahlen, Burgenbefestigung, Kaisergefolge bei der Krönung in Italien) sowie ab dem 15. Jahrhundert für Amtstätigkeit.

Anders als in der älteren Forschung wird der Hauptzweck des Pfandschaftswesens heute nicht mehr in der Finanzbeschaffung gesehen. Vielmehr wird dessen politischer Charakter betont: Pfandgeschäfte waren ein Mittel der Reichs- und Territorialpolitik und Ausdruck eines wirksamen Beziehungsgeflechtes mit klarer Herrschaftsbindung (Territorialherrschaft). Eine Verpfändung delegierte die unmittelbare, je nach verpfändetem Herrschaftsrecht auch nur partielle Herrschaftsausübung mit umfassendem Nutzungsrecht an den Pfandnehmer, wobei die Oberhoheit des Pfandgebers nominell bewahrt wurde. In der Westschweiz allerdings hatte eine Verpfändung stärker den Charakter eines Sicherungsobjekts, d.h. der Pfandgeber blieb Inhaber des Pfandobjekts, solange er seinen finanziellen Verpflichtungen gegenüber dem Gläubiger nachkam.

Reichspfandschaften

Zwischen 1200 und 1500 sind über 1100 neue Verpfändungen von Reichsgut überliefert. Besonders gefragte Pfandobjekte waren die Reichsstädte. Da Reichspfänder vom König selten wieder ausgelöst wurden, bedeutete eine Verpfändung oft das Ende der Reichsfreiheit; so kamen zum Beispiel Rheinfelden und Schaffhausen 1330/1331 an die Herzöge von Österreich. Einer Mediatisierung entgingen dagegen im gleichen Jahr die Reichsstädte Zürich und St. Gallen, indem sie sich selbst aus der Pfandschaft auskauften. Wie Reichsstädte wurden auch reichslehnbare Grafschaften und Territorien verpfändet, so zum Beispiel 1310 das Reichsland Hasli (Berner Oberland) an die Freiherren von Weissenburg oder 1415 der Aargau an seine Eroberer, die Eidgenossen.

Im 13. und 14. Jahrhundert waren die grössten Pfandnehmer im Gebiet der nachmaligen Schweiz die Grafen von Savoyen im Waadtland sowie die Habsburger im Aare- und Juraraum. Letztere profitierten von den wirtschaftlichen Schwierigkeiten kleinerer Adelsgeschlechter: Die Habsburger nahmen 1375 Kleinbasel als Pfand, 1376 die Reichsvogtei über Basel, 1379 Nidau und Büren (Ansätze einer territorialen Verbindung zum österreichischen Freiburg) sowie 1385 die neukyburgische Herrschaft.

Landesherrliche Pfandschaften

Pfandrodel der Zürcher und Thurgauer Ämter aus dem Habsburgischen Urbar (Staatsarchiv Zürich, C I, Nr. 3285).
Pfandrodel der Zürcher und Thurgauer Ämter aus dem Habsburgischen Urbar (Staatsarchiv Zürich, C I, Nr. 3285). […]

Während die Grafen von Kyburg kaum Verpfändungen ihrer Rechte vornahmen, verpfändeten die Habsburger bereits im 13. Jahrhundert in grösserem Umfang Einkünfte und Rechte vor allem an ritteradlige, aber auch an hochadlige Familien aus ihrer Gefolgschaft. Die Pfänder wurden vornehmlich als Entschädigung für geleistete oder noch zu leistende Dienste in Form von zeitlich beschränkten Amtspfändern ausgegeben. Die Verpfändung von Gülten und Steuern ermöglichte der Herrschaft eine kurzfristige Kapitalisierung bei Finanzbedarf (z.B. beim Kampf gegen Ludwig den Bayern). Bis in die 1320er Jahre dominierte der finanzielle Aspekt. Nach 1330 wurden Verpfändungen von Hoheitsrechten immer wichtiger, das Pfand als rein finanzielles Geschäft verlor an Bedeutung. Herrschaftsrechte wurden, so auch bei den Habsburgern, zu einer Manövriermasse im Zusammenhang mit dem Ausbau der vorderösterreichischen Landesherrschaft, mit der territorialen Erwerbspolitik und dem notwendigen Aufbau einer neuen Gefolgschaft. Habsburgische Pfandrödel sind von 1279/1281 und aus dem beginnenden 14. Jahrhundert sowie von 1380 überliefert. Diese detaillierten, teilweise auch die Vorgeschichte der Pfandschaften umfassenden Registrierungen sind Indizien für eine konsequente Pfänderverwaltung und den hohen Stellenwert des Pfandschaftswesens, nicht aber – wie lange angenommen wurde – Ausdruck einer Verschuldung und wirtschaftlicher Schwäche infolge massloser Verpfändungen. Das Pfandschaftswesen bildete neben der Intensivierung der Steuerverwaltung das zweite wichtige Standbein der habsburgischen Landesherrschaft. Ein Pfand hatte für den Pfandnehmer nicht nur einen wirtschaftlichen Nutzen, sondern auch einen politischen und repräsentativen Wert. Ein Teil des Ritteradels profitierte denn auch vom landesherrlichen Dienst, der – innerhalb der österreichischen Oberhoheit – den Ausbau einer eigenen Herrschaftsbasis ermöglichte.

Problematisch wurde diese Pfandschaftspolitik ab der zweiten Hälfte des 14. Jahrhunderts, als die Interessenbalance von Pfandgeber und Pfandnehmern immer mehr verloren ging. Die Pfandnehmer begannen nämlich zunehmend die Pfänder als reine Geldanlage ohne politische Verbindlichkeiten zu betrachten; das war zum Beispiel beim österreichisch gesinnten Zürcher Stadtadel der Fall. Weitere Dienste wurden durch Pfandaufschläge auf bereits bestehende Verpfändungen abgegolten, d.h. dass die politische Rentabilität einer Pfandschaftsbeziehung den reellen Wert der Pfänder übertraf. Eine Pfandauslösung wurde damit immer unwahrscheinlicher, der pfandweise Herrschaftsbesitz entwickelte eine Eigendynamik. Die Herrschaftsambitionen der Pfandnehmer versuchte man mittels Verpfändung nach Amtsrecht, Vorbehalten (z.B. Offenhaltungsrechte) und Herrschaftsklauseln in Schranken zu weisen; der Erfolg war abhängig von der politischen Durchsetzungskraft.

Die Krise der vorderösterreichischen Landesherrschaft nach 1415 wirkte sich auch auf das Pfandschaftswesen aus. Im Verlauf des 15. Jahrhunderts verloren die Habsburger zunehmend das Interesse an Pfandauslösungen im eidgenössischen Bereich. Daraus resultierende Territorialstreitigkeiten zwischen Habsburg-Österreich und den Eidgenossen wurden 1474 in der Ewigen Richtung geregelt.

Städtisches und eidgenössisches Pfandschaftswesen

Ab dem 14. Jahrhundert praktizierten auch die Städte den Pfandschaftserwerb als eine Möglichkeit, auf die Landschaft auszugreifen, und konkurrenzierten damit die Dynasten in ihrem Bemühen um die Errichtung einer homogenen Landesherrschaft. 1380 stammten zwar nur knapp 30% der Inhaber habsburgischer Pfänder aus dem städtischen Bürgertum. Dennoch waren es die Bürger, die einer durch die Städte selbst initiierten Pfandschaftspolitik den Weg bereiteten. 1382 erwarb Bern die Pfandschaft über Burgdorf und Thun, 1405 nahm Zürich Männedorf, 1408 Grüningen, 1409 Neu-Regensberg, die österreichischen Ämter Kloten, Embrach, Winterthur, Kyburg und 1467 Winterthur in Pfandschaft, 1395 erwarb Luzern das Amt Rothenburg und 1405 die Herrschaft Wolhusen als Pfand. Auch Solothurn trat als Pfandnehmer auf, später erlangten auch Basel, Freiburg, Schaffhausen und St. Gallen Pfandschaften. Die Leventina kam 1441 als Pfandschaft der Mailänder Visconti in den Besitz Uris.

Quellen und Literatur

  • HRG 3, 1688-1693
  • G.P. Marchal, Sempach 1386, 1986, 59-105
  • LexMA, 6, 2020 f.
Weblinks

Zitiervorschlag

Franziska Hälg-Steffen: "Pfandschaftswesen", in: Historisches Lexikon der Schweiz (HLS), Version vom 28.09.2010. Online: https://hls-dhs-dss.ch/de/articles/013708/2010-09-28/, konsultiert am 20.03.2025.