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Marktregulierung

Unter Marktregulierung sind staatliche oder nichtstaatliche Eingriffe in die Märkte zu verstehen, welche durch Minimierung oder Ausschaltung des Wettbewerbs die Versorgung der Konsumenten und/oder den Absatz der Produzenten, Kaufleute und Zwischenhändler garantieren sollen. Die im Gebiet der heutigen Schweiz im späten Mittelalter und der frühen Neuzeit praktizierte Marktregulierung betraf insbesondere den Versorgungshandel der Märkte (Wirtschaftliche Landesversorgung) und das Handwerk, das neben der Marktregulierung von oben auch die Selbstregulierung kannte. Auch im 19. und 20. Jahrhundert hielt die Wirtschaftspolitik der Schweiz für einige privilegierte Bereiche und Branchen konsequent an marktregulierenden Massnahmen fest ( Marktwirtschaft), obwohl die Auswirkungen solcher Eingriffe von den verschiedenen Richtungen der Nationalökonomie (Liberalismus, Keynesianismus, Neoliberalismus) unterschiedlich beurteilt wurden. Bis heute existiert allerdings kein anerkanntes Mass für die Dichte der Marktregulierung, sodass Autoren die Schweiz je nach ihrem wirtschaftspolitischen Standort als äusserst wettbewerbsfähig oder als überreguliert beschreiben.

Marktordnung im Mittelalter und in der frühen Neuzeit

Märkte als Ordnungsfaktoren

Auf den öffentlichen Märkten, den Drehscheiben des Güteraustauschs und Zentren der lokalen und regionalen Versorgung, wurde Marktregulierung schon früh praktiziert. Da bis ins Spätmittelalter Städte vor Dörfern die besten Rahmenbedingungen boten, nämlich den Schutz der Mauern und des durch Marktrecht, Marktgericht und Marktpolizei gesicherten Stadtfriedens, lag die Mehrzahl der funktionierenden Märkte auf Stadtboden. Der Marktverkehr stand unter überregionalem Schutz (Geleit).

Marktgründungen bzw. die Verleihung von Marktrechten waren im Spätmittelalter Herrschaftsrechte geistlicher und weltlicher Grundherren (Stadtherren), die sie als Instrumente der Wirtschaftspolitik einsetzten: Ihr Marktmonopol diente der wirtschaftlichen Beherrschung des Umlands. Mit dem Marktzwang suchten sie allen Handel dem von ihnen berechtigten Markt zuzuleiten und damit von anderen abzuziehen. Zur Beaufsichtigung und Kontrolle des Güteraustauschs waren die Märkte auf bestimmten Plätzen und Gassen konzentriert und früh schon in Spezialmärkte – unter anderem Fisch-, Korn-, Vieh- und Holzmärkte – unterteilt, was Marktbesuchern den Produktevergleich ermöglichte und Anbietern Chancengleichheit bot. Im Zuge der spätmittelalterlichen Kommunalisierung erwarben die Städte vom Stadtherrn das Marktrecht und übernahmen dessen Marktordnung. Nun erst, unter ihrer weitergehenden Marktregulierung, wurde die mittelalterliche Gewerbefreiheit nach und nach verdrängt.

Oberste Priorität jeder städtischen Marktpolitik galt dem Konsumentenschutz; Ordnungen garantierten dem Stadtbürger vor Fremden die ausreichende, preiswerte Versorgung bei gerechtem Mass und Gewicht. Der Vorrang gebührte dem Lebensmittelmarkt und der lokalen Versorgung. Mit der kommunalen Marktregulierung ging eine Tendenz zur Errichtung von besonderen, eigens für Marktzwecke konzipierten Bauten einher. Sie führte vom offenen Marktplatz mit Marktständen und Buden unter freiem Himmel zur offenen Markthalle mit ihren Verkaufsstellen (Bänken) und vom 15. Jahrhundert an zu den mehrgeschossigen kombinierten Lager- und Verkaufsgebäuden (Salz-, Anken-, Kauf-, Ballen- und Kornhäuser, Susten). Die mit öffentlichen Mitteln erstellten Gebäude schützten das Kaufmannsgut vor Diebstahl und Wetterunbilden, erlaubten der Obrigkeit aber auch die verschärfte Kontrolle vor allem der überregionalen Handelsgeschäfte mittels des Stapel- und Waagzwangs für Transitware, ferner eine striktere Erhebung der Zölle und Ausübung des Marktzwangs. Bekämpft wurden nicht bewilligte Vormärkte (Vorkäufe vor Marktbeginn) und alle Nebenmärkte – unter anderem Getreidemärkte ausserhalb der Stadt bei den Mühlen, Brot- und Schuhhandel an Wegkreuzungen vor den Toren und Luxusgüterhandel in den Herbergen mit Wirten als Kommissionären.

Mit dem regulierten Markt der Frühneuzeit nahm das vereidigte Aufsichtspersonal zu – Kaufhaus- und Waagmeister, Beamte über Masse und Gewichte und den Geldfluss, Qualitäts- und Produkteprüfer (Leinwand-, Leder-, Fischschauer usw.), Produkteschätzer (u.a. Brot-, Fleisch-, Tuchschätzer), Zöllner, Verkaufspersonal wie Korn- und Salzausmesser. Den Ausgaben für diese Infrastruktur standen Einnahmen aus dem Markt gegenüber: Umsatzsteuern vom Sustverkauf (Zentner- und Pfundzoll), Gebühren für die Benützung der Infrastruktur wie Sust-, Kaufhaus- und Waaglohn, Buden-, Bank- und Standzinse.

Ordnung der Marktstände für die Messen in Zürich. Plan von Ingenieur Johannes Müller, 1784 (Staatsarchiv Zürich, Plan C 101).
Ordnung der Marktstände für die Messen in Zürich. Plan von Ingenieur Johannes Müller, 1784 (Staatsarchiv Zürich, Plan C 101). […]

Von den 1460er Jahren an weiteten vornehmlich die Hauptstädte von Stadtstaaten das Marktmonopol auf ihr ganzes Territorium aus und erlaubten Landmärkte nur in Landstädten und wenigen Dörfern. Vom 17. Jahrhundert an bekamen auch die städtischen Märkte unter dem Zusammengehen der Handwerksordnung und Marktregulierung die Einengung zu spüren: Durch Privilegierung der einheimischen Anbieter schlossen Obrigkeiten fremde Marktfahrer vom Marktverkauf aus, sodass Fremde im 18. Jahrhundert fast nur noch zu Messen zugelassen waren. Die zünftige Handwerker- und Krämerschaft hintertrieb zum Schutz ihrer Läden die städtischen Niederlassungen (Warenlager mit Ladenverkauf) fremder Kaufleute und der Verleger vom Land und über die Stadt hinaus auch Dorfläden und den Hausierhandel (Zünfte). Im 18. Jahrhundert war von der mittelalterlichen Marktfreiheit wenig übrig geblieben.

Instrumente der Marktregulierung

Produktions- und Angebotsvorschriften sowie eine strenge Qualitätsaufsicht sollten einwandfreie Lebensmittel für den Konsumenten und makellose Produkte für den Export garantieren und Betrug und Hehlerei vorbeugen. Obrigkeitliche Richtpreise und Preistaxen richteten sich gegen Preistreiberei bei Angebotsengpässen (Preise). Insbesondere kämpften Stadtregierungen vom 15. Jahrhundert an gegen den spekulativen, preistreibenden Zwischenhandel aus Gewinnsucht, den sogenannten Fürkauf, bei Getreide, Wein, Butter, Salz und Vieh, indem sie Nebenmärkte verboten, Handel, Handelswege und bäuerliche Produzenten überwachten sowie auch ganze Berufsgruppen wie zum Beispiel mancherorts die Müller vom Handel ausschlossen. Bürger genossen Vorrang vor nichtstädtischen Einkäufern, zum Beispiel durch vorverlegte Einkaufszeiten und das Recht, gekaufte Ware den Fremden zum Einstandspreis abzuziehen.

Die regulative Markt- und Versorgungspolitik der Landesherren erreichte im 18. Jahrhundert ihren Höhepunkt: Dazu zählte die Marktintervention bei Versorgungskrisen vor allem beim Hauptnahrungsmittel Getreide. Regulative waren der Zwang zur Marktlieferung bzw. Exportverbote, Verbote von Hamsterkäufen, die Kontingentierung der Gütermenge, welche Fremde kaufen durften, bis zu völligen Kaufverboten. Privaten wurden Pflichtlager mit staatlichem Regressrecht bei Mangel auferlegt. Bei Engpässen wirkte verbilligtes Getreide aus staatlicher Lagerhaltung preisregulierend. Salz- und Pulverhandel waren staatliche Monopole.

Beim hohen Grad der Marktregulierung im Ancien Régime verwandelten sich mittelalterliche Rechte in hinderliche Zwänge: Das Stapelrecht auf Transitgut, welches in der Sust eine gewisse Zeit zum Verkauf ausliegen musste, wurde zum Stapelzwang und wie der Waagzwang, das obligatorische Wägen von Transitgut an bestimmten Orten, zur teuren Schikane im Transitverkehr. Marktfahrer wurden patentpflichtig. Zollmarken (Wortzeichen) und Frachtbriefe erschwerten den Besuch von Märkten, deren Termine und Öffnungszeiten landesweit reguliert waren.

Handwerksordnung und zünftige Regulation

Das Handwerk war die innovative Wirtschaftsform der mittelalterlichen Städte. Unter Wahrung eines grossen Masses an Gewerbefreiheit nützte es mit einfachen Mitteln wie der gassenweisen Ansiedlung einzelner Handwerke, zum Beispiel in Gerber- und Pfistergassen, den Werbeeffekt des übersichtlichen Angebots und liess im Marktverkauf der offenen Markthalle Markttransparenz zu. Unter dem Eindruck der spätmittelalterlichen Krise der Stadtwirtschaft begann sich das Handwerk jedoch zum meist regulierten Wirtschaftszweig vor 1800 zu verändern.

Vom 15. Jahrhundert an beanspruchte das städtische Handwerk das Produktionsmonopol auch auf dem Land. Unter dem Dach ihrer Zünfte führten die einzelnen Handwerke ab Ende des 15. Jahrhunderts schrittweise die zwangswirtschaftliche Ordnung ein. Diese betraf die generelle Einführung des Kleinbetriebs oder der Werkstoffkontingentierung, gesonderte Tätigkeitsfelder für verwandte Berufe, das Verbot der Geschäfts- und Werkstattgemeinschaft und die ultimative Trennung von Handel und Handwerk. Zunftmitglieder wurden privilegiert, Wettbewerb unterbunden und Werbung verboten. Jeder Beruf schuf sich, gestützt auf Vorbilder aus dem Reich, die eigene Handwerksordnung mit Produktions- und Qualitätsvorschriften, die am Markt durch eigene Aufsichtsorgane durchgesetzt wurden.

Stadtregierungen und Landesobrigkeiten kam die Handwerksregulierung zur Unterstützung ihrer eigenen Marktregulierung gelegen: Mit Hilfe der Zünfte liessen sich Preis- und Lohntarife ohne Widerstand durchsetzen, Preisabsprachen verfolgen und gemeinsam die Produkteaufsicht und Preisüberwachung verbessern. Die Knebelung des Marktes dürfte den Durchbruch der Gewerbefreiheit im Revolutionsjahr 1798 geradezu provoziert haben.

19. und 20. Jahrhundert

Der Markt gewann im Verlauf der Industrialisierung immer mehr an Bedeutung, während der Selbstversorgungsgrad (Subsistenzwirtschaft) abnahm. Anfänglich spielten allerdings technische Hindernisse noch eine wichtige Rolle. Weil der Import von Massengütern wie Getreide, Erz oder Kohle hohe Transportkosten verursachte, konnte sich zum Beispiel der heimische Getreidebau oder die heimische Eisenverhüttung bis ins letzte Drittel des 19. Jahrhunderts halten. Eisenbahnen und Dampfschiffe und später Lastwagen und Flugzeuge untergruben den Entfernungsschutz nachhaltig.

Neben solchen technischen kannte der Markt immer auch wirtschaftspolitische Schranken. Wie andere kleine Industriestaaten pflegte die Schweiz einen selektiven Protektionismus, der dualistische Züge aufwies: Die Exportwirtschaft blieb auf den Weltmarkt, d.h. prinzipiell auf internationale Liberalisierung (Freihandel) ausgerichtet. Die Binnenwirtschaft (Binnenmarkt) verfügte dagegen traditionell über ein enges Netz von Schutzmassnahmen, die ganze Sektoren vom globalen Wettbewerb abschirmten. Als Musterbeispiel dafür gilt seit dem späten 19. Jahrhundert die Agrarpolitik mit ihren Schutzzöllen, Kontingenten, Subventionen sowie Abnahme- und Preisgarantien.

Die Helvetische Republik stützte sich zum Teil implizit auf die Handels- und Gewerbefreiheit, etwa bei der Abschaffung des Zunftzwangs. In den folgenden Jahrzehnten aber kamen die Kantone von der helvetischen Deregulierung – soweit sie überhaupt praktisch umgesetzt worden war – in vielen Punkten wieder ab. So bestanden zum Beispiel in Basel bis 1871 rechtliche Grundlagen für die Zunftwirtschaft. Die Bundesverfassung 1848 garantierte Handelsfreiheit nur zwischen Kantonen und Gewerbefreiheit für Niedergelassene nur im gleichen Rahmen wie für Bürger (Handels- und Gewerbefreiheit). Mit der Abschaffung der Binnenzölle, dem einheitlichen Aussenzoll und der einheitlichen Währung schuf der Bundesstaat allerdings wesentliche Voraussetzungen für den Binnenmarkt. Erst die Bundesverfassung 1874 enthielt das Prinzip der Handels- und Gewerbefreiheit, das allerdings bereits 1885 stark relativiert wurde. Die Wirtschaftsartikel (1947) erlaubten die Marktregulierung ausdrücklich, sowohl aus regionalpolitischen Gründen als auch zur Erhaltung gefährdeter Wirtschaftszweige und Berufe sowie eines gesunden Bauernstands und einer leistungsfähigen Landwirtschaft. Als der Entfernungsschutz im letzten Viertel des 19. Jahrhunderts nach und nach wegfiel, versuchten verschiedene Gruppen, ihre ökonomische Stellung durch private oder staatliche Massnahmen zur Marktregulierung zu verbessern.

Private Marktregulierungen spielten in der Schweiz immer eine wichtige Rolle. Gerade der private Güter- und Dienstleistungsmarkt gilt wegen der seit langem guten Organisation der Anbieter (Unternehmerverbände) als überreguliert. Bevorzugte Mittel sind Verbandsabsprachen, Kollektivverträge, Kartelle und Monopole. Ein dichtes Netz von Normen für Produkte und Berufsvorschriften erschwerte den Marktzugang. Das Ausmass der privaten Marktregulierung wurde nie systematisch erfasst. Grundsätzlich sind horizontale und vertikale Vereinbarungen zu unterscheiden. Erstere betreffen unter anderem Konditionen (z.B. Banken, Versicherungen), Preise (zum Teil als Kalkulationsschema festgelegt), Kontingente oder Gebietsaufteilungen (z.B. Bierkartell), Verbandsnormen und Typenprüfung (z.B. Bau, Elektrogeräte, Sanitärartikel) sowie Standesregeln (z.B. Fähigkeitsausweise, Fachprüfungen, Konkurrenzverbote, fixierte Gebühren). Vertikale Vereinbarungen binden Anbieter auf verschiedene Marktstufen. Lange stark verbreitet waren Preisfestsetzungen, speziell die bis 1967 übliche Preisbindung zweiter Hand, die Discountgeschäfte verhinderte. Bis heute bestehen zudem Ausschliesslichkeits- oder Alleinvertriebsvereinbarungen (z.B. für bestimmte Automarken oder Sanitärartikel). Verbreitet war auch die Verbandsmitgliedschaft als Voraussetzung für die Belieferung.

Plakat von Emil Cardinaux für die Volksabstimmung vom 5. Dezember 1926 über einen neuen Artikel in der Bundesverfassung betreffend die Getreideversorgung des Landes (Schweizerische Nationalbibliothek, Bern).
Plakat von Emil Cardinaux für die Volksabstimmung vom 5. Dezember 1926 über einen neuen Artikel in der Bundesverfassung betreffend die Getreideversorgung des Landes (Schweizerische Nationalbibliothek, Bern). […]

Die staatliche Marktregulierung wird intensiver untersucht und diskutiert als die private, was aber nicht als Hinweis auf eine überragende Bedeutung verstanden werden darf. Sie wird mit Marktversagen (Monopol, ruinöse Konkurrenz) oder mit volkswirtschaftlich oder gesellschaftlich unerwünschten Konsequenzen (z.B. Verschwinden der Bauernschaft) begründet und gelegentlich von Interessengruppen lautstark gefordert. Unter gewissen Umständen blieb ein bestimmtes Ausmass unbestritten, etwa in der Kriegswirtschaft, in der vor allem die Rationierung der Lebensmittel den nötigen gesellschaftlichen Zusammenhalt fördern sollte. Auch verbotene Tätigkeiten (z.B. Drogenhandel) oder staatliche Machtmonopole (Polizei, Militär) werden nicht der Selbstregulierung überlassen. Bereiche wie Bildungs- und Gesundheitswesen unterliegen weitgehend eidgenössischer oder kantonaler Regulierung. Nach ihrer Intensität lassen sich fünf Kategorien der Marktregulierung unterscheiden, die von Informationsvorschriften (z.B. Preis-, Mengen- und Qualitätsangaben) über qualitative (z.B. Haftung oder Berichtswesen) oder quantitative Standards (z.B. Gebühren, Subventionen, Direktzahlungen, Abnahmegarantien, Pflichtlager, Steuern und Zölle, Strafbestimmungen oder Verbote) bis zu Bewilligungen (z.B. Konzessionen, Kontingente und Fähigkeitszeugnisse) und kantonalen Vollzugsvorschriften reichen.

Zölle verloren zur Marktregulierung von den 1960er Jahren an stark an Bedeutung (Efta, Gatt, WTO). Mit dem Aufstieg des Neoliberalismus breitete sich seit den 1970er Jahren, in der Schweiz vor allem seit den 1990er Jahren (Arbeitsgruppe Ordnungspolitik 1991/1992, Weissbücher 1991 und 1995), die Vorstellung einer notwendigen Deregulierung aus, die anstelle von Marktversagen Staatsversagen voraussetzt. Sie zielte auf den Abbau – oder allenfalls auch auf das Aufweichen – der vertraglichen und gesetzlichen Normen, von Zutrittsbeschränkungen zum Markt und von Preis- und Mengenregulierungen, wobei sie sich fast ausschliesslich auf die staatliche Marktregulierung fokussiert. Im Rahmen der Debatten um den Europäischen Wirtschaftsraum (EWR) gewann die Forderung nach einem neu definierten Binnenmarkt zunehmend an Gewicht. Gemeint waren vor allem eine Angleichung der staatlichen Marktregulierung im ganzen Land (z.B. Steuersätze) und deren wechselseitige Anerkennung (z.B. Diplome, Konzessionen), keine regionalen Schranken für den Marktzugang (z.B. Konzessionen für Elektriker, Sanitäre, Anwälte, Medizinalberufe) und keine politisch motivierte Bevorzugung einzelner Branchen (z.B. bei der Ausländerpolitik) oder Anbieter (z.B. Submission). Unter dem Titel Deregulierung erfolgten neben der Verabschiedung des Bundesgesetzes über den Binnenmarkt 1995 eine ganze Serie von Massnahmen auf verschiedenen Ebenen wie die Verschärfung des Kartellgesetzes und die Einrichtung einer effizienteren Wettbewerbskommission 1995, das Bundesgesetz über technische Handelshemmnisse 1995, die Ausgliederung von Post und SBB aus der Bundesverwaltung, die Aufhebung von Monopolen (z.B. Telecom), flexiblere Gesetze und Verordnungen (Arbeit, Ausländer), kantonale Lockerungen von Ladenschlusszeiten, Bauvorschriften, Wirtschaftsgesetzen usw. Deregulierung heisst nicht automatisch Privatisierung und führt nicht zwingend zu mehr Wettbewerb. Dieser muss in vielen Fällen sogar durch staatliche Wettbewerbsbehörden und Wettbewerbsgesetze, Ausschreibungsregeln, Leistungsaufträge usw., also durch neue Marktregulierungen, garantiert werden.

Quellen und Literatur

Mittelalter und Frühe Neuzeit
  • A.-M. Dubler, Handwerk, Gewerbe und Zunft in Stadt und Landschaft Luzern, 1982, 341-400
  • HRG 3, 324-327
  • L. Mottu-Weber, «Les "Halles du Molard" du XVIe au XVIIIe siècle», in ZSG 39, 1989, 371-421
  • A. Radeff et al., Foires et marchés de Suisse romande, 1992
  • LexMA 6, 308-311
  • A. Radeff, Du café dans le chaudron, 1996, 147-170
19. und 20. Jahrhundert
  • P.J. Katzenstein, Corporatism and Change, 1984
  • Wo Regeln bremsen, hg. von G. Schwarz, 1988
  • U. Ledergerber et. al., Regelungsdichte nach Branchen, 1998
  • Globalisation, néo-liberalisme et politiques publiques dans la Suisse des années 1990, hg. von A. Mach, 1999
Weblinks

Zitiervorschlag

Anne-Marie Dubler; Bernard Degen: "Marktregulierung", in: Historisches Lexikon der Schweiz (HLS), Version vom 27.10.2009. Online: https://hls-dhs-dss.ch/de/articles/013732/2009-10-27/, konsultiert am 29.09.2023.