Messen finden an bestimmten Tagen an öffentlichen Orten statt und dienen dem Handel. Im Deutschen wird herkömmlicherweise zwischen Messen und Märkten (Jahr- und Wochenmärkte) unterschieden. Im Französischen, Italienischen und Englischen steht foire, feria bzw. fair seit Jahrhunderten sowohl für Messe wie für Jahrmarkt, während marché, mercato bzw. market dem deutschen Ausdruck Wochenmarkt entspricht. Diese Unterscheidung beruht auf dem Rhythmus der Abhaltung und nicht auf der Wichtigkeit innerhalb der angenommenen Hierarchie. In den 1950er Jahren übernahmen Historiker verschiedener Kulturkreise die deutsche Terminologie und definierten die Messen (französisch grandes foires) als grössere organisierte und regelmässig durchgeführte Versammlungen von Händlern aus entfernten Regionen. Diesen stellten sie die Jahrmärkte (französisch marchés annuels oder petites foires) gegenüber, die mit den Messen einige rechtliche Merkmale gemeinsam hätten, aber nur von regionaler wirtschaftlicher Bedeutung seien. Heute halten sich deutschsprachige Autoren nach wie vor an diese Hierarchie, wenden jedoch feinere Unterscheidungskriterien an. Im Folgenden liegt der Schwerpunkt auf den Messen in der traditionellen deutschen Wortbedeutung, von der anderssprachige Forscher mittlerweile wieder abgerückt sind.
Europäische Messen
Die Geschichte der Schweizer Messen ist im Rahmen der Entwicklung der europäischen Messen zu sehen, die im 12. Jahrhundert aufkamen und ab dem 18. Jahrhundert einen allmählichen Niedergang erfuhren. Sie hatten zugleich Funktionen im Handel und im Bankgeschäft, und ihre Langlebigkeit verdankten sie dem Fehlen einer festen Handelsinfrastruktur. Jahr- und Wochenmärkte hingegen existierten bereits, bevor Messen aufkamen, und überdauerten diese. Sie waren flexibler als Messen und ergänzten die ständigen Einrichtungen wie Banken, Läden und später Einkaufszentren (Handel, Kleinhandel).
Belege für periodische Händlerzusammenkünfte nehmen vom 10. Jahrhundert an stark zu. Ab dem 12. Jahrhundert entwickelte sich das internationale Kreditwesen (Kredit) dank den Messen. Die Einführung des Wechselbriefs brachte eine Einschränkung des Bargeldverkehrs und erleichterte die Abwicklung grosser Geschäfte. Im 12. und 13. Jahrhundert entstand in der Champagne, im Südosten Grossbritanniens, in Flandern und am Hochrhein eine Vielzahl neuer Messen Die Schweizer Jahrmärkte in Zurzach, Schaffhausen und Bern fügten sich in ein Netz ein, das sich damals ausbildete und vom Bodensee über das Rheinknie bis ins Elsass reichte. Im ausgehenden Mittelalter erreichten andere Messen ihren Höhepunkt, zum Beispiel in Italien, Frankreich (Chalon-sur-Saône) und Genf. Während der frühen Neuzeit erlebten in den deutschen Landen (als wichtigste Frankfurt am Main und Leipzig), in Frankreich (Lyon, Beaucaire) und in Italien (Piacenza, Bozen, Senigallia) zahlreiche Messen eine Blüte. Der Niedergang mancher Messen setzte im 18. Jahrhundert ein, weil die Handelspartner direkt zusammenkamen oder auf dem Schriftweg miteinander verkehrten und feste Handelsinstitutionen (Banken, Börsen usw.) entstanden. Im 19. Jahrhundert verschwanden die meisten Messen, manche übernahmen eine neue Funktion. Einige, wie diejenige in Leipzig, die vor allem dem Warenhandel und Geldwechsel gedient hatten, wandelten sich zu Mustermessen. Diese gingen jedoch nicht immer aus den früheren Messen hervor, wie das Beispiel der grössten Schweizer Mustermesse, der 1917 gegründeten Basler Muba, zeigt. Ausserdem sind viele zeitgenössische Ausstellungen und Messen keine Mustermessen.
Im Mittelalter und noch während des Ancien Régime besuchten viele Kaufleute aus der Eidgenossenschaft, den zugewandten Orten und den Untertanengebieten ausländische Messen. Ende des 14., Anfang des 15. Jahrhunderts drängten beispielsweise Verkäufer aus Freiburg, Moudon, Payerne und Genf nach Chalon, wo sie Käufern aus der Waadt, aus Genf und Freiburg begegneten. Während des Ancien Régime begaben sich Schweizer an die Messen in Lyon, Frankfurt, Leipzig, Beaucaire und Bozen, aber auch an weniger bedeutende Messen, wie die von Braunschweig, Nürnberg und Nördlingen. Einige liessen sich dauerhaft nieder: In Lyon bildeten die Schweizer Händler eine sogenannte Nation mit gewissen Privilegien; im 18. Jahrhundert verlor sie an Bedeutung. Die Schweizer traten als Käufer auf, setzten aber auch einen Teil ihrer eigenen Produktion ab, während des Ancien Régime vor allem Textilien und Uhren, aber auch einfachere Erzeugnisse wie Käse, den sie ab Ende des 17. Jahrhunderts in Lyon verkauften.
Die wichtigsten Schweizer Messen
Die Genfer Messen sind die ersten und ältesten der Schweiz. Ab Mitte des 13. Jahrhunderts erwähnt, erreichten sie um 1450 ihren Höhepunkt. Danach setzte ihr Niedergang ein, während die Lyoner Messen an Gewicht gewannen. Die Genfer Messen wurden viermal jährlich abgehalten, am Dreikönigstag, an Ostern, an Petri Kettenfeier (1. August) und an Allerheiligen, und dauerten sieben bis zehn, später vierzehn Tage. Die angereisten Händler standen unter dem Schutz des Stadtherrn. Sie kamen aus den Nachbargebieten (Savoyen, Waadt, Wallis, Piemont, Eidgenossenschaft, Burgund, Dauphiné, Provence) und aus weiter entfernten Ländern. Im 15. Jahrhundert überwogen die Italiener, oft Bankiers, gefolgt von Anbietern aus dem deutschen Rhein- und Donaugebiet, aus Frankreich und den Niederlanden. Diese Händler tätigten grössere Handels- und Bankgeschäfte. Genf war damals von zentraler Bedeutung für den Wechselbriefverkehr zwischen Italien und Nordwesteuropa. Zum Verkauf angeboten wurden vornehmlich Luxusprodukte wie Textilien (Tuche, Seidenstoffe), Gewürze, Färbstoffe, Metalle, Waffen, Leder und Häute. Der Niedergang der Genfer Messen hatte verschiedene Gründe: die Privilegien, die Ludwig XI. ab 1462 den mit Genf rivalisierenden Messen in Lyon verlieh, die Konkurrenz anderer Handelszentren, der Niedergang des Luxushandels bzw. der Aufschwung des Handels mit Bedarfsgütern, die Burgunderkriege, in denen sich Genf auf die Seite des Herzogs schlug, sowie die Unruhen im Zuge der Reformation. Die Bankgeschäfte gingen zuerst zurück, während Waren sich weiterhin gut verkauften und die deutsche Kolonie an die Stelle der nach Lyon abgezogenen Italiener rückte. Um 1550 lösten sich die Genfer Messen auf.
Jahrmärkte mit einem eher regionalen Einzugsgebiet erfuhren zwar Einbrüche, überdauerten jedoch im Gegensatz zu den Messen das Ancien Régime. 1803 verlagerten sie sich vom alten Stadtgebiet in die Peripherie nach Plainpalais, das im 19. Jahrhundert zu einem Stadtquartier wurde. Die heutigen Genfer Messen (Automobilsalon, Uhren-, Buch- und Erfindermesse) gehen nicht direkt auf die mittelalterlichen Messen zurück, zeugen aber von der Beständigkeit der grossen periodischen Zusammenkünfte mit vielfältigen Handelszwecken.
Im rheinaufwärts von Basel gelegenen Flecken Zurzach fanden wohl erstmals im 12. Jahrhundert Jahrmärkte statt. Diese erhielten ab dem 14. Jahrhundert regen Zulauf und entwickelten sich in der zweiten Hälfte des 16. Jahrhunderts zu Messen. Deren Niedergang begann im Dreissigjährigen Krieg und verstärkte sich im 18. Jahrhundert, sodass sie sich wieder zu Märkten zurückbildeten. Der internationale Grosshandel verlor zugunsten des Detailhandels, der Krämer und Handwerker versorgte, an Bedeutung. Im 19. Jahrhundert behauptete sich einzig der Leder- und Wollhandel auch ausserhalb des lokalen Einzugsgebiets. 1856 verlagerten sich die Ledermessen von Zurzach nach Zürich, wo sie zusehends zerfielen und schliesslich 1896 verschwanden. Die Zurzacher Messen wurden am Verenatag (1. September) und an Pfingsten abgehalten. Ihre Dauer verlängerte sich von ursprünglich drei Tagen auf acht bis zehn Tage im 18. Jahrhundert. Gegenüber den Genfer Messen behielten sie ihre finanzielle Funktion, als der Warenverkehr zurückging. Zur Bargeldtransaktion an der Messe kamen Darlehen und ab Ende des 17. Jahrhunderts der Verkehr mit Wechselbriefen hinzu. Zurzach war in ein ausgedehntes Zahlungsverkehrssystem integriert, dem Lyon, Amsterdam, Nürnberg, Frankfurt und Leipzig angehörten. Im Handel hatte der Flecken jedoch nur regionale Bedeutung. Frequentiert wurde die Messe vorwiegend von Schweizern und Süddeutschen. Im 17. Jahrhundert bildete das Einzugsgebiet eine Ellipse, die sich von Genf bis Nürnberg erstreckte. Besucher aus der Schweiz sowie aus Grenzgebieten in einem Umkreis von 80 km kamen aus städtischen wie ländlichen Regionen. Das von weiter her anreisende Publikum stammte vorwiegend aus Städten. Im 18. Jahrhundert waren Schweizer, vor allem Basler und Zürcher, in der Mehrheit. In Zurzach wurden weniger luxuriöse Waren angeboten als in Genf und wurden auch importierte Güter weiterverkauft. Im 16. und 17. Jahrhundert überwogen Textilien, daneben auch Leder, Pelze, Gewürze, Metalle, Lebensmittel, Pferde und Vieh. Im 18. Jahrhundert gewannen Häute und Leder sowie Kaffee, Tee und Tabak an Bedeutung. Es würde sich lohnen, die Privilegien und Freiheiten der Genfer und Zurzacher Messen erneut eingehend zu untersuchen und mit der Rechtsstellung der Märkte, vor allem im Ancien Régime, zu vergleichen. Auf den Messen herrschte wegen der bunt zusammengewürfelten Menschenschar eine besondere, oft beschriebene Atmosphäre. Hier trafen sich reiche Händler und arme Leute, Bettler und Prostituierte, die Gasthäuser waren überfüllt und Raufhändel und Diebstähle an der Tagesordnung.
Andere Schweizer Messen
Im Ancien Régime versuchten die Obrigkeiten einiger städtischer Orte, ihre grössten Veranstaltungen mit Marktcharakter aus politischen Gründen durch die Bezeichnung Messen aufzuwerten, obwohl diese Veranstaltungen auf wirtschaftlicher Ebene nicht mit Messen wie etwa der in Genf konkurrieren konnten. Im 18. Jahrhundert hielt die Stadt Bern zwei solcher Messen sowie sieben Viehmärkte und drei Wochenmärkte ab. Die Oster- und die Martinimesse dauerte jeweils zwei Wochen. Beide zogen neben Besuchern aus dem deutsch- und französischsprachigen Bernbiet und aus anderen eidgenössischen Orten (Basel, Solothurn, Freiburg, Zürich und Neuenburg) auch ein internationales Publikum an: Händler aus Nürnberg und anderen süddeutschen Städten, aus der Franche-Comté, aus Lyon und sogar aus Paris. Angeboten wurden Bedarfsgüter und Luxusgüter wie Uhren und Schmuck. Der Geldwechsel war kaum vorhanden, und wahrscheinlich überwog der Detailhandel. Als weitere Beispiele könnten Zürich, Luzern oder Basel herangezogen werden.
Die Klassifikation der Messen und Märkte wird derzeit überarbeitet. Dabei werden die jüngsten Forschungsarbeiten berücksichtigt, die zeigen, dass diese periodischen Zusammenkünfte eng miteinander verknüpft waren und die hierarchische Abstufung weniger ausgeprägt war als bislang angenommen.
Quellen und Literatur
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