Der Begriff Börse umfasst Märkte, an denen für Waren, Wertpapiere oder Devisen Preise ausgehandelt und Umsätze getätigt werden, ohne dass diese Güter am Verhandlungsort übergeben und bezahlt werden. Die Geschäfte finden dabei nach bestimmten Regeln und Usanzen sowie in vereinheitlichter Form statt. Je nach Art der gehandelten Waren unterscheidet man zwischen Waren-, Devisen- oder Effektenbörsen. Börsen fassen Angebot und Nachfrage räumlich und zeitlich zusammen und schaffen damit Transparenz über den aktuellen Wert – im Fall der hier im Vordergrund stehenden Effektenbörsen – der gehandelten Wertpapiere. Während früher Effektenvereine den Betrieb einer Börse gewährleisteten und die entsprechenden Gebäude zur Verfügung stellten, sind Börsen heute vermehrt gewinnorientierte Unternehmen, die dank der Computertechnologie einen standortunabhängigen Handel ermöglichen.
Frühformen von Börsen entstanden bereits im 12. und 13. Jahrhundert in den italienischen und flämischen Handelsmetropolen. Der Begriff Börse soll vom Patriziergeschlecht van der Beurse aus der flämischen Stadt Brügge stammen, vor deren Haus im 14. und 15. Jahrhundert der führende Handelsplatz Europas lag. 1460 wurde in Antwerpen die erste Pfeffer-Börse gegründet; erst 1531 wurde dort indessen ein Gebäude ausdrücklich als Börse erbaut. Während es sich in Brügge und Antwerpen hauptsächlich um Warenbörsen handelte, wurden in der 1506 in Lyon gegründeten ersten französischen Börse ausschliesslich Geldgeschäfte abgewickelt. Mitte des 16. Jahrhunderts wurde in Amsterdam der Handel mit Aktien aufgenommen, womit die Amsterdamer Börse als Prototyp der heutigen Effektenbörsen gilt. Ebenfalls in Amsterdam ereignete sich der erste Börsenkrach der Wirtschaftsgeschichte: 1637 brachen die Preise für Tulpenzwiebeln als Folge der überhandnehmenden Spekulation zusammen.
In der Schweiz entstanden die Börsen erst in den Gründerjahren des 19. Jahrhunderts. Zuvor waren sogenannte Sensalen (Makler) für die Vermittlung von Waren- und Wechselgeschäften (Geldwechsel) verantwortlich; die Kantone erliessen dazu Sensalenordnungen, Basel zum Beispiel bereits 1683, Zürich 1744. Der börsenmässige Handel mit Wertpapieren von Kapitalgesellschaften begann um 1850 in Genf, dem damals wichtigsten Bankenplatz der Schweiz (Banken). 1855 wurde eine Ring-Börse eröffnet, die der Genfer Staatsrat 1856 anerkannte. Ebenfalls unter kantonaler Aufsicht standen die Basler Börse, die 1876 ihre Tore öffnete, und die Zürcher Börse, an der 1884 erstmals mit staatlicher Bewilligung gehandelt wurde. Als rein privatrechtliche Organisationen waren dagegen die 1873 gegründete Lausanner Börse, die Berner (1885), die Neuenburger (1905) und die St. Galler Börse (1933) ausgestaltet. Diese vier kleineren Börsen spezialisierten sich auf den Handel mit Regionalwerten. Die Kantone auferlegten den Börsen eine Umsatzsteuer.
Die Frühzeit der Schweizer Börsen war geprägt von wilder Spekulation, die wegen der schädlichen Auswirkungen in Basel 1897 gar zur zeitweiligen Verstaatlichung der Börse führte. Mit dem Ausbruch des Ersten Weltkriegs stürzten die Kurse an den Börsen ab. In Basel und Zürich war der Handel vom Sommer 1914 bis Anfang 1915 eingestellt; in Genf und Lausanne wurde der Handel auf festverzinsliche Werte beschränkt. Erst gegen Ende des Krieges verlief der Handel wieder in geregelten Bahnen. Mit der Kriegskonjunktur haussierten die Kurse, was die Eidgenossenschaft 1918 zur Einführung des eidgenössischen Effektenstempels bewog. In den Zwischenkriegsjahren folgte jeder Hausse eine um so grössere Baisse; in der Weltwirtschaftskrise sanken die Kurse in der Schweiz Anfang der 1930er Jahre auf Tiefstwerte. Zur Verbreitung der Kursinformationen der Zürcher Börse wurde 1930 die Ticker AG gegründet, die als europäischer Pionier mit einer Art Schreibtelegraf Informationen in normaler Schrift übermittelte. 1938 gründeten die Börsen die Vereinigung Schweizerischer Effektenhändler und verbanden damit die Schweizerische Zulassungsstelle für ausländische Wertpapiere. Beide Institutionen sollten den Börsenverkehr beleben. Mit Ausbruch des Zweiten Weltkriegs wurde der Handel aber wiederum stark beeinträchtigt; zeitweise wurden die Börsen in Absprache mit der Schweizerischen Nationalbank geschlossen.
Nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs hielt an den Börsen langsam ein professionellerer Umgang mit Kapital Einzug (Kapitalmarkt). Allerdings führten Spekulation und darauffolgende Panik immer wieder zu grösseren Kurseinbrüchen. Auch wenn sich die Anleger in den 1960er Jahren immer wieder mit externen Schocks aus der Weltwirtschaft und Kursverlusten konfrontiert sahen, wuchs das öffentliche Interesse an den Börsen ständig. 1961 stellte die Zürcher Ticker AG ihr Kursinformationssystem auf die neue Fernsehtechnologie um und änderte den Firmennamen auf Telekurs AG. Bereits in den 1960er Jahren diskutierten die Börsen über die Konzentration der grossen Börsengeschäfte auf einen einzigen Börsenplatz. Der Zürcher Vorstoss scheiterte indessen am Widerstand der übrigen Plätze.
Mit dem Zusammenbruch des Bretton-Woods-Systems 1974 nahm in den nationalen Volkswirtschaften eine zunächst schmerzhafte Liberalisierungs- und Deregulierungswelle ihren Anfang. Dank der vermehrten internationalen Koordination der Wirtschaftspolitik und den effizienter funktionierenden Finanzmärkten verbesserten sich die weltwirtschaftlichen Rahmenbedingungen aber zusehends. Diese Entwicklungen gingen nicht spurlos am Finanzplatz Schweiz und an der Börsenlandschaft vorbei: 1986 wurde die Soffex (Swiss Options and Financial Futures Exchange AG) als Börse für Optionen (Kauf-/Verkaufsrechte) und Finanz-Futures (Terminkontrakte) gegründet, die 1988 als erste vollcomputerisierte Derivatbörse der Welt ihren Betrieb aufnahm. Der rasante Fortschritt in der Kommunikationstechnologie und die zunehmende Globalisierung führten 1991 zur Einstellung des Ringhandels an den Börsen von Bern, Lausanne, Neuenburg und St. Gallen. Bei der Berner Börse löste eine elektronische Handelsplattform 2002 das vorherige während elf Jahren in Betrieb gewesene telefonische Handelssystem ab. 1991 wurde auch die Kotierungsautonomie (Zulassung von Wertpapieren zum Börsenhandel) bei der Schweizerischen Zulassungsstelle konzentriert. 1992 startete das Projekt Elektronische Börse Schweiz als Gemeinschaftsunternehmen der Börsen Basel, Genf und Zürich. 1993 erfolgte die Gründung der Schweizer Börse; das elektronische Handelssystem für Aktien und Obligationen wurde im Sommer 1996 vollständig in Betrieb genommen, womit der Handel à la criée, d.h. durch Zuruf der Händler am Ring, der Vergangenheit angehörte. Im selben Jahr trat das gesamtschweizerische Kotierungsreglement in Kraft. 1997 ersetzte das Bundesgesetz über die Börsen und den Effektenhandel die kantonalen Börsengesetze. Ebenfalls 1997 wurde die Fusion der Soffex mit der Deutschen Terminbörse DTB zur Eurex beschlossen; die weltweit erste grenzüberschreitende Derivatbörse nahm im Sommer 1998 den Betrieb auf.
Mit dem Übergang zur Schweizer Börse verloren die Kantone auch die kantonalen Umsatzabgaben. Beibehalten wurde aber, mit einigen Retuschen, die eidgenössische Stempelsteuer. Die Konzentration des Handels auf eine standortunabhängige Organisation verhalf der Schweizer Börse im internationalen Kontext zu einem Wachstumsschub: Zwar konnten die grösseren Regionalbörsen Zürich, Genf und Basel zuvor nicht zuletzt dank dem Interesse ausländischer Anleger ansprechende Umsatzzahlen erwirtschaften. Einzig die Zürcher Börse vermochte aber in der Liga der grösseren Börsenplätze mitzuspielen. 1999 galt die Schweizer Börse als sechstgrösste Börse der Welt; die Derivatbörse Eurex war gemessen an den gehandelten Kontrakten der grösste Terminmarkt der Welt.