Zölle sind Abgaben oder indirekte Steuern, die auf dem grenzüberschreitenden Wirtschaftsgüterverkehr erhoben werden und einen Teil des öffentlichen Haushalts generieren. Aus der Sicht der Produzenten und Konsumenten verursachen Zölle eine unerwünschte Verteuerung des gehandelten Produkts. Ihrem ökonomischen Grundverständnis entsprechend messen die Akteure eines Finanz- und Wirtschaftssystems den Zöllen jeweils einen unterschiedlichen Stellenwert bei; die Bandbreite reicht von Verfechtern des Freihandels, die zu einem Abbau der Zollbelastung tendieren, bis zu Protektionisten, welche die Abschottung der einheimischen Produktion vor fremder Konkurrenz durch hohe Zölle anstreben.
Begrifflich unterscheidet man je nach Zweckbestimmung und zollpolitischer Ausrichtung zwischen Fiskal- bzw. Finanzzöllen, die der fiskalischen Mittelbeschaffung dienen, Wirtschafts- und Schutzzöllen, mit denen spezifische wirtschaftspolitische Zielsetzungen, eventuell einzelner dominanter Branchen, verfolgt werden, und gemischten Zöllen, einer Kombination der beiden erstgenannten Arten. Nach der Bemessungsart gliedert man in Gewichts- und Wertzölle, nach der Destination der Wirtschaftsgüter in Einfuhr-, Ausfuhr- oder Transitzölle; die beiden letzten Typen gelangen in der Schweiz allerdings Anfang des 21. Jahrhunderts nicht mehr zur Anwendung.
Die Zolleinnahmen bildeten im Römischen Reich einen wichtigen Teil des Staatshaushalts. Das Gebiet der Schweiz gehörte grösstenteils zu einem mehrere Provinzen umfassenden Zollbezirk, in dem die quadragesima Galliarum, die Vierzigstel-Steuer (= 2,5%) der gallischen Provinzen, erhoben wurde. In Acaunum (Saint-Maurice), in Genava (Genf) sowie in Turicum (Zürich) lagen wichtige Zollposten.
Das Zollwesen war, insbesondere im Frühmittelalter, eine wichtige Komponente herrschaftlicher Machtausübung. Der Rechtsanspruch, Steuern, Zölle und Abgaben einzufordern, verpflichtete indessen zu Gegenleistungen, die anfänglich hauptsächlich in Form von "Schutz und Schirm", später auch in Form anderer konkreter Dienste seitens des Zollpersonals erbracht wurden. Daraus leitete sich die Zweckgebundenheit (causa finalis) der Steuern, Zölle und Abgaben ab: Die Zölle, die an Strassen und Brücken eingezogen wurden, mussten für deren Unterhalt eingesetzt werden; die Erhebung eines Marktzolls legitimierte sich aus dem reibungslosen Funktionieren des Marktplatzes, dessen Sicherheit garantiert war. Reine Passierzölle waren ursprünglich untersagt. Auch im Schiffsverkehr waren Wasserzölle an Gegenleistungen wie zum Beispiel das Hochziehen flacher Brücken gebunden oder wurden als Gebühr für Anlege- und Ankererlaubnis interpretiert. Die karolingischen Herrscher setzten Zölle gezielt als Instrument einer aktiven Handelspolitik ein und griffen mit Zollschenkungen oder Zollbefreiungen lenkend ins Handelsgeschehen ein. Das churrätische Reichsgutsurbar aus dem 9. Jahrhundert enthält konkrete Angaben über die Höhe eines Zolls in Walenstadt.
Die handelsfreundlichen und auf Gegenleistung beruhenden Besteuerungsgrundsätze wurden im frühen 10. Jahrhundert – dies zeigt die Raffelstettener Zollordnung, welche die Gebühren für einen Donauübergang bei Enns (Oberösterreich) regelte – von einer restriktiven Praxis abgelöst. Die Zollansätze wurden differenzierter, und man erhob vermehrt reine Durchgangszölle. Im Hoch- und Spätmittelalter gewannen die fiskalpolitischen Motive bei der Zollerhebung zunehmend an Gewicht; die Zolltarife wurden jetzt nicht mehr pauschal nach Karren-, Saum- oder Schiffslasten, sondern nach Warengattung und Gewicht angesetzt.
Die Zolltarife der Handelsstädte Chiavenna und Como, aber auch jener von Bellinzona – die Überlieferung setzt auf der italienischen Seite der Alpen früher ein als auf der nördlichen – geben Auskunft über die Zollbelastung und die erfassten Warengattungen. Der hochmittelalterliche Zolltarif Comos war sehr detailreich und differenzierte zwischen Ein-, Aus- und Durchfuhrgebühren; ausserdem sah er für die einzelnen Strassen, den Weg über Magadino und denjenigen über den Monte Ceneri, unterschiedliche Ansätze vor. Der dazio della mercantia von Como wurde 1372 um ein Drittel erhöht. Er betrug bis in die Neuzeit 5% des Warenwerts und entsprach damit demjenigen Mailands. Die Mailänder Zollordnung war im Spätmittelalter die ausführlichste südlich der Alpen; sie enthielt auch einen 215 Sorten umfassenden Spezereientarif.
Infolge der grossen Bedeutung der Zollerträge hatten die adligen Landesherren ein vitales Interesse an den Verkehrswegen, die durch ihre Territorien führten, insbesondere an den Alpenpässen und ihren Zubringern. Hinweise auf Zolleinnahmen im Habsburger Urbar aus der Zeit um 1300 spiegeln die Bedeutung solcher Handelswege und der an ihnen liegenden Zollstationen. Laut Aloys Schulte überstiegen die Einnahmen des Gotthardzolls zwischen Hospental und Reiden nicht nur jene aller anderen bedeutenden Zollstellen (Brugg, Freiburg, Hauenstein und Othmarsheim), sondern auch das gesamte Steueraufkommen der Mittellandstädte Mellingen, Aarau, Brugg, Zug, Lenzburg, Sursee, Sempach, Luzern, Winterthur, Diessenhofen und Zofingen. Sie lagen nur unwesentlich unter den Gesamteinnahmen aus den habsburgischen Besitzungen im Elsass. Die Herrschaftsrechte, die sich die Grafen von Savoyen im Lauf des 12. Jahrhunderts angeeignet hatten, umfassten unter anderem auch Gebiete nördlich und westlich des Genfersees, das Unterwallis und das Aostatal. Da sie damit den Verkehr über den Grossen St. Bernhard kontrollierten, wird ihr Herrschaftskomplex gelegentlich auch als "savoyischer Passstaat" bezeichnet.
Im Übergang vom 14. zum 15. Jahrhundert wurden die Habsburger aus den österreichischen Vorlanden zurückgedrängt. In der gleichen Zeit begannen auch die Städte, eine eigene Zollpolitik zu betreiben. Lange bevor König Sigismund der Stadt Luzern 1415 das Zollprivileg erteilt hatte, belastete diese den Gotthard-Transit mit einem Zoll. Der älteste bekannte Zolltarif, den die Stadt selbst erliess, datiert von 1390. Dieser betraf zum Beispiel Tuche, Metalle sowie Fische und führte zu einer höheren Belastung der Handelswaren, über die sich insbesondere die Mailänder Kaufleute beschwerten. Die Bedeutung der Zölle scheint im 15. Jahrhundert weiter angestiegen zu sein, denn Luzern schuf noch vor Jahrhundertende mit dem Zentnerzoller eine neue Amsstelle; ausserdem ist eine zunehmend professionellere Buchführung über die Zolleinnahmen zu beobachten. Dank ihrer verkehrsgünstigen Lage am Rhein zog auch die Stadt Schaffhausen im Spätmittelalter beträchtlichen Nutzen aus den Zöllen; diese machten durchschnittlich 15% an der Verbrauchsrechnung aus. Sie waren aber starken Schwankungen unterworfen. Kriege, politische Krisen, Epidemien oder Viehseuchen wirkten sich unmittelbar auf den Handel aus und führten daher zu Einnahmeausfällen.
Frühe Neuzeit
Autorin/Autor:
Marco Polli-Schönborn
Im Spätmittelalter und in der frühen Neuzeit bildeten Zölle in den meisten Orten der Eidgenossenschaft zusammen mit Ungeld, Böspfennig und Sinnergeld Ausgabensteuern, die in Stadt und Landschaft zu entrichten waren. Diese Zölle belasteten die aus- und eingeführten Waren; erhoben wurden sie an verkehrsgünstigen Punkten als Brücken-, Fluss-, Markt-, Stadt- und Geleitzoll. Letztere wichen im 17. und zunehmend im 18. Jahrhundert den eigentlichen Grenzzöllen.
Im staatstheoretischen Diskurs standen sich kameralistische Anschauungen, die aus fiskalischen und steuertechnischen Gründen Ausgaben- und Verkehrssteuern bevorzugten, jenen der Naturrechtslehrer gegenüber, welche persönliche Ertrags- und Vermögensabgaben als gerechtere Besteuerungsart propagierten. Der Anteil der indirekten Steuern und somit auch der Zölle, der in den meisten europäischen Monarchien wie in den schweizerischen Stadtstaaten bis 1500 relativ gering gewesen war, erfuhr jetzt eine deutliche Steigerung. Diese Entwicklung lässt sich am Beispiel Luzerns veranschaulichen. Nach dem Dreissigjährigen Krieg und verstärkt in der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts erhöhte die Luzerner Obrigkeit kontinuierlich die Zahl der Brücken-, Markt- und Grenzzölle, namentlich auf der Landschaft. Da sich der Territorialstaat weitgehend aus Pensionengeldern finanzierte, erübrigte sich dagegen, von Ausnahmen wie zum Beispiel zwischen 1691 und 1701 abgesehen, im Unterschied zu Schaffhausen und St. Gallen die Erhebung direkter Steuern. Der systematische Ausbau der Zölle führte einerseits zu notorischen Protesten – so gehörte die Abschaffung der indirekten Abgaben zum Forderungskatalog der Landbevölkerung während des Bauernkriegs – und andererseits auch zu vermehrtem Schmuggel. Gegen Ende des 18. Jahrhunderts zählte Luzern auf seinem Territorium 36 Zollstellen, drei mehr als Bern und über doppelt so viele wie Solothurn, das ab 1767 ebenfalls eine straffere Zollpolitik verfolgte. Das Wachstum der Zolleinnahmen in Luzern lässt sich an der Entwicklung ihres relativen Anteils an den Einnahmen der Verbrauchsrechnung ablesen: Dieser schwankte vom 15. bis Mitte des 18. Jahrhunderts zwischen 3 und 10% und stieg dann in der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts auf 20 bis 30% an.
Zollhaus an der Zihlbrücke im Jahr 1792. Aquarellierte Radierung vonCaspar Leontius Wyss (Zentralbibliothek Zürich, Graphische Sammlung und Fotoarchiv).
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Die Höhe der Zölle und Gebühren war mit ein Faktor für die Wahl einer Handelsroute. Im letzten Drittel des 17. Jahrhunderts ging beispielsweise der Verkehr am Gotthardpass etwas zurück, weil die Fernkaufleute zwischen Basel und Bellinzona zu hohe Zölle entrichten mussten und auf die Bündner Passrouten auswichen; allerdings spielten in diesem Zusammenhang auch die konfessionellen Spannungen zwischen dem Ersten und dem Zweiten Villmergerkrieg eine Rolle. Im 18. Jahrhundert bildeten die Zolleinnahmen das Rückgrat der Finanzen des Standes Uri: Die Zoll- und Weggelder (Weggeld) machten 1756 rund 55%, 1794 gar rund 72% der Einnahmen aus. In Uri wie im 1803 neu gegründeten Kanton Tessin bildeten die Zölle bis 1848 den bei weitem wichtigsten Posten der Staatseinnahmen.
19. und 20. Jahrhundert
Von der Helvetik bis zur Bundesstaatsgründung
Autorin/Autor:
Marco Polli-Schönborn
Die Bestrebungen, das Zollwesen zu vereinheitlichen, blieben von 1798 bis 1848 weitgehend erfolglos. Wie andere finanz- oder wirtschaftspolitische Reformvorhaben (Zehnten und Grundzinsen, Vereinheitlichung der Masse und Gewichte, Postwesen) scheiterten sie während der Helvetik an Partikularinteressen sowie an der Frage, wie die privaten Zollrechte abzulösen seien. 1801 ermächtigte der Gesetzgebende Rat den Vollziehungsrat, das Zollwesen der Republik "nach einem gleichförmigen System" zu regeln, wobei man an der bereits zwei Jahre zuvor dekretierten Limite von 6% des Warenwerts für alle Binnen- und Grenzzölle festhielt. Ein verbindliches Zollgesetz wurde indessen trotz weit gediehener Vorarbeiten nicht verabschiedet. Erst 1813 wurde die von Frankreich aufgezwungene Zollverordnung aufgehoben und durch den ersten eidgenössischen Zolltarif ersetzt.
Die Bestimmungen des Bundesvertrags von 1815 sahen die Einführung eines Grenzzolls vor, der primär der Alimentierung der eidgenössischen Kriegskasse diente, beliessen aber den Kantonen hinsichtlich Handels- und Zollfragen weiterhin einen grossen Spielraum. Die bestehenden, von der Tagsatzung genehmigten Zölle, Weg- und Brückengelder blieben in kantonaler Kompetenz. Die Kantone konnten Handelsverträge mit anderen Staaten schliessen und neue Zölle erheben; diese mussten allerdings von der Tagsatzung nachträglich gebilligt werden. In der Schweiz entstand in der Folge ähnlich wie vor 1798 eine Vielzahl von kantonalen Zöllen, die in keiner Weise koordiniert waren; 1823 waren es zum Beispiel über 400. Neben den Kantonen teilten sich Gemeinden, Korporationen und einzelne Privatpersonen die verschiedenen Zollrechte, welche ausser den eigentlichen Einfuhr-, Ausfuhr- und Durchfuhrzöllen auch Weg- und Brückengelder sowie Markt- und Geleitzölle umfassten. Die wirtschaftlichen Konsequenzen dieses Wirrwarrs waren unterschiedlich: In den Kantonen profitierten jeweils einzelne Wirtschafts- und Gewerbezweige vom Zollschutz, während vornehmlich die exportorientierten Branchen durch solche Handelshemmnisse benachteiligt wurden. Im internationalen Kontext gesehen, war die Zollbelastung innerhalb der Schweiz in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts relativ gering, nicht nur im Vergleich mit den traditionell protektionistischen Nachbarstaaten Österreich und Frankreich, sondern auch mit Grossbritannien und dem Deutschen Bund bzw. dem 1834 gegründeten Deutschen Zollverein. Der eidgenössische Grenzzoll auf importierten Waren diente fiskalischen, nicht handelspolitischen Zwecken; die zahlreichen, teils hohen kantonalen Zölle auf Handel und Verkehr belasteten in erster Linie den Transithandel.
Die Diskussionen über die Zollpolitik in den 1820er und beginnenden 1830er Jahren, die vor allem vom eidgenössischen Zollrevisor Johann Caspar Zellweger angeregt wurden, lassen den Wunsch nach mehr Koordination erkennen. Den beiden Hauptanliegen, dem Erreichen von Handelsvergünstigungen bzw. dem Abbau von Handelsschranken im Verkehr mit den Nachbarländern und der Erleichterung des innerschweizerischen Transitverkehrs, war allerdings wenig Erfolg beschieden. Die Bemühungen um die Aufhebung der Schutzzollpolitik Frankreichs spalteten das Land in zwei verfeindete Lager. Das Retorsionskonkordat, zu dem sich 1822 13½ Kantone zusammenschlossen, wurde nur zwei Jahre später von der Tagsatzung aufgehoben. Die Verhandlungen zur Gründung eines Konkordats aller am Ost-West-Transit beteiligten Mittellandkantone scheiterten an Interessengegensätzen zwischen den west- und den ostschweizerischen Ständen; zustande kam 1831 immerhin ein Konkordat für die Strecke zwischen Rorschach und Les Verrières. Fehl schlug im gleichen Jahr auch der Versuch, eine Binnenzollrevision zur Erleichterung des interkantonalen Handels mit Lebensmitteln, Kaufmannswaren und Industrieerzeugnissen auf eidgenössischer Ebene in Angriff zu nehmen, weil Bern im Ohmgeldstreit mit der Waadt – Bern belastete den Wein aus anderen Kantonen höher als den eigenen – zu keinerlei Konzessionen bereit war.
Die nächste Gelegenheit zur Neugestaltung des eidgenössischen Zollwesens bot die Revision des Bundesvertrags von 1832. Der Rossi-Plan sah die Erhebung eines schweizerischen Grenzzolls sowie die Abschaffung der interkantonalen Binnenzölle vor, während die Strassen- und Brückengelder sowie die Wasserzölle weiterhin in kantonaler Kompetenz verbleiben sollten. Der Verfassungsentwurf räumte den Kantonen indes keine Entschädigung für die entsprechenden Einnahmeausfälle ein und stiess deshalb namentlich in den industrie- und kapitalarmen Gebirgskantonen Tessin, Uri und Graubünden auf Ablehnung. Bei dessen Überarbeitung in der Tagsatzung 1833 wurden die internen Zölle wieder garantiert, ja man hob auch das Verbot der Benachteiligung von Produkten aus anderen Kantonen wieder auf. Trotz diesen Zugeständnissen an die föderalistischen Kräfte war das Scheitern der Revision nicht zu verhindern.
In den Folgejahren verlagerten sich die Bemühungen um den Abbau von Handelsbeschränkungen auf die innerkantonale Ebene und konzentrierten sich auf die Vereinfachung der Zollordnung und auf die Senkung der Gebühren. Der Kanton Zürich verzichtete 1835 auf alle kantonalen Zölle und finanzierte seinen Haushalt ausschliesslich mit direkten Steuern. Das Zürcher System galt fortan als beispielhaft, fand aber keine Nachahmer; die meisten Kantone erhoben weiterhin Eingangs-, Durchgangs- und Ausfuhrzölle. Bern führte 1841 ein reines Grenzzollsystem ein. Noch 1844 existierten gemäss eidgenössischer Zollübersicht rund 370 Zollstationen an den Kantonsgrenzen, davon 147 gegenüber dem Ausland, und mehr als 180 im Inneren der Kantone, insgesamt also etwa 550.
Ausschnitt aus der Zollkarte der Schweiz, in zweiter Auflage gezeichnet vom KartografenHeinrich Keller, 1825 (Schweizerisches Bundesarchiv, Bern, D0#1000/3#967*).
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Die vielen weiteren Initiativen zur Abschaffung der Binnenzölle und zur Zentralisierung des Zollwesens vor 1848 zeitigten keine konkreten Ergebnisse. Erfolgreicher verliefen in den 1840er Jahren auf Initiative des Kantons Bern aufgenommene Verhandlungen über interkantonale Zollverbände, die sich am Modell des Deutschen Zollvereins orientierten. Die Hoffnungen auf eine Ausdehnung des Konkordats, zu dem sich Bern, Aargau, Solothurn und Basel-Landschaft kurz vor Ausbruch des Sonderbundskriegs zusammengeschlossen hatten, zerschlugen sich aber in den folgenden politischen und militärischen Auseinandersetzungen. Die Entwicklung vom Staatenbund zum Bundesstaat führte nicht über den Weg der Zentralisierung der Zölle; Letztere war vielmehr umgekehrt ein Resultat der bundesstaatlichen Vereinigung.
Von der Gründung des Bundesstaats bis heute
Autorin/Autor:
Marco Polli-Schönborn
Da die Zölle für die meisten Kantone eine überaus wichtige Einnahmequelle darstellten, war die Neuordnung des Zollwesens während der Ausarbeitung der Bundesverfassung (BV) von 1848 umstritten. In den äusserst zähen Verhandlungen setzten sich schliesslich die Verfechter einer Zentralisierung durch: Der Artikel 23 der BV teilte dem Bund die Kompetenz zum Abschluss von Zoll- und Handelsverträgen zu; die kantonalen Konsumsteuern blieben allerdings weitgehend unangetastet. Die Eidgenossenschaft wurde berechtigt, Zölle an den Landesgrenzen einzuziehen; für die Aufhebung der Binnenzölle wurden die Kantone vollumfänglich entschädigt. Erster Vorsteher des Handels- und Zolldepartements wurde der Aargauer Friedrich Frey-Hérosé, ihm zur Seite stand ein Oberzollsekretär, während die im Zollgesetz ebenfalls vorgesehene Stelle eines Oberzolldirektors erst 1864 besetzt werden konnte.
Die Zentralisation des Zollwesens wurde teuer erkauft. Die Ablösesummen, welche der Bundesstaat den Kantonen entrichtete, übertrafen die ehemaligen Zolleinnahmen. Dank der guten Konjunktur im Inland und einer langfristig positiven Entwicklung der internationalen Wirtschaftslage stiegen die Zolleinnahmen des Bundes aber stärker als vorgesehen. Bereits 1861 betrugen sie das Viereinhalbfache des 1848 budgetierten Betrags.
Der bundesstaatliche Zolltarif von 1849 musste infolge der Einführung des einheitlichen Münzsystems schon 1851 durch einen Generaltarif ersetzt werden, der dann mehr als zwei Jahrzehnte lang fast unverändert fortbestand. Entsprechend der Doktrin des Freihandels handelte es sich um einen reinen Fiskalzoll. Aufgrund der neuen oder erweiterten Kompetenzen, welche die Verfassung von 1874 dem Bund zuwies (z.B. im Bereich der Landesverteidigung oder beim Bau von Verkehrswegen), stiegen dessen Ausgaben zwischen 1874 und 1890 von 14,9 auf 38,2 Mio. Franken an. Da die Zölle in dieser Zeitspanne rund drei Viertel der Bundeseinnahmen generierten, lag es auf der Hand, den zunehmenden Finanzbedarf mit Zollerhöhungen zu decken. Die erste so motivierte Tarifrevision erfolgte während der internationalen Wirtschaftsdepression 1878. Obwohl zu diesem Zeitpunkt die meisten Nachbarstaaten schon die zollpolitische Kehrtwende zum Protektionismus vollzogen hatten, hielt die Schweiz noch am Grundsatz des Freihandels und damit auch an tendenziell niedrigen Zollsätzen fest. Erst in der Mitte der 1880er Jahre, nachdem der Einfluss der Wirtschaftsverbände, insbesondere des Schweizerischen Handels- und Industrievereins, zugenommen hatte, ging auch die Schweiz zu einer Verhandlungs- und Kampfzollpolitik über; sie senkte die eigenen Schutzzölle jetzt nur noch, sofern auch der jeweilige Handelspartner entsprechende vertragliche Zugeständnisse machte. Die Zollsätze wurden in den Tarifen von 1884, 1887 und 1891 kontinuierlich erhöht. Der Wechsel zu einer protektionistischen Zollpolitik bedingte auch eine schärfere Überwachung der Grenzen. Die Grenzregionen waren 1848 zunächst in fünf, ab 1850 in sechs Zollkreise eingeteilt worden, denen je ein vom Bundesrat gewählter Zollkreisdirektor vorstand. Kantonale Landjäger hatten die Grenzkontrolle in den meisten Kantonen wahrgenommen. 1894 wurde diese Aufgabe schliesslich dem neu geschaffenen eidgenössischen Grenzwachtkorps übertragen.
Nach der Jahrhundertwende war die Verhandlungs- und Kampfzollpolitik recht erfolgreich. Der Zolltarif von 1902 umfasste insgesamt 1164 Positionen, die in den nächsten vier Jahren aufgrund von Handelsverträgen in über 700 Bereichen herabgesetzt werden konnten. Durch die Zolltarifrevision von 1921 sollte die fiskalische Belastung der Gesamteinfuhr, die infolge der Inflation während der Kriegsjahre stark abgenommen hatte, wieder auf Vorkriegsniveau angehoben werden. Dieses Ziel wurde mit dem neuen Tarif, der hoch angesetzte Schutz- und Fiskalzölle festschrieb, zwar erreicht; die Bevölkerung reagierte aber mit Unmut auf die Verteuerung von Benzin, Tabak, Bier, Kaffee usw. Der durch einen dringlichen Bundesbeschluss eingeführte Tarif wurde mit einem Volksbegehren bekämpft; dieses scheiterte aber in der Abstimmung 1923, worauf der Tarif bis 1959 in Kraft blieb.
Einfuhrzölle und Bundeseinnahmen 1950-2012
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In der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts schloss sich die Schweiz zahlreichen internationalen Wirtschaftsorganisationen an, deren Hauptziel im Abbau der Zoll- und Handelsschranken besteht. 1958 erfolgte der provisorische Beitritt zum Gatt, 1960 die Gründung der Europäischen Freihandelsassoziation. 1973 vereinbarte die Schweiz ein Freihandelsabkommen mit der Europäischen Gemeinschaft (Europäische Union) und 1995 trat sie der Welthandelsorganisation (WTO) bei. Als Folge dieser Einbindung verloren die Zölle rasch ihre frühere Bedeutung als wichtigste Einnahmequelle des Bundeshaushalts. 2011 generierten die Einfuhrzölle mit 1,05 Mrd. Franken gerade noch 1,6% der Bundeseinnahmen.
Zu Beginn des 21. Jahrhunderts bemessen sich die Zollbeträge aufgrund des Zolltarifgesetzes von 1986, das seither mehrfach abgeändert und ergänzt worden ist. Die Verordnung von 1998 über die Inkraftsetzung der im Rahmen der WTO vereinbarten Zollsätze des Generaltarifs ist seit 1999 gültig. Die zunehmende wirtschaftliche Verflechtung, insbesondere mit dem europäischen Handelsraum, macht für das 21. Jahrhundert eine gewisse Kompatibilität des schweizerischen Zollrechts mit demjenigen der EU notwendig. Die eidgenössische Zollverwaltung erarbeitete 1999 einen Entwurf für ein Zollgesetz, um die Schweiz möglichst nahe an das europäische Zollrechtssystem heranzuführen. Als dessen Kernstück gilt ein 253 Artikel umfassender Zollkodex mit der dazugehörigen Durchführungsverordnung. Der schweizerische Gesetzesentwurf lehnt sich in Struktur und Systematik stark an den europäischen Zollkodex an, stellt die nämlichen Zollverfahren bereit und übernimmt dessen wesentliche Inhalte, ist mit 125 Artikeln aber um einiges kürzer gefasst. Das im Mai 2004 zwischen der Schweiz und der EU abgeschlossene Vertragswerk Bilaterale II sieht eine umfassende Kooperation der schweizerischen und europäischen Verwaltungs- und Justizbehörden vor und regelt unter anderem die Zusammenarbeit bei der Bekämpfung von Zollbetrug und Schmuggel.
Marco Polli-Schönborn: "Zölle", in: Historisches Lexikon der Schweiz (HLS), Version vom 03.02.2015. Online: https://hls-dhs-dss.ch/de/articles/013765/2015-02-03/, konsultiert am 01.10.2023.