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Hund

Der Hund ist das älteste Haustier des Menschen. Stammform ist der Wolf (Canis lupus). Als Rudeltier hatte er wie kaum ein anderes Tier die Fähigkeit, sich in den menschlichen Sozialverband einzugliedern. Entsprechend dem eurasiatischen Verbreitungsgebiet des Wolfes gibt es möglicherweise mehrere ost- und zentraleuropäische Domestikationsorte. An Knochenfunden sind erste Anzeichen für gezähmte und danach domestizierte Wölfe gegen Ende des Eiszeitalters (vor 18000 bis 15000 Jahren) vorhanden. Die bislang ältesten Knochenfunde vom Hund auf dem Gebiet der heutigen Schweiz stammen aus der magdalénienzeitlichen Freilandstation von Hauterive-Champréveyres am Neuenburgersee und datieren um 13'000 v.Chr. Obwohl mit dem Beginn der Nacheiszeit die Nachweise des Hundes in Europa deutlich zunehmen, ist er in den mittelsteinzeitlichen Stationen der Schweiz bislang nicht belegt. Unter den Knochenresten der jungsteinzeitlichen Fundstellen tritt er dagegen regelmässig auf. Die von der früheren Forschung angestrebte Rekonstruktion der Stammbäume moderner Hunderassen auf der Grundlage prähistorischer Knochenfunde ist heute ebenso hinfällig wie die Klassifizierung von Knochenfunden in verschiedene Hunderassen. Einzig die Bezeichnung Torfhund (Canis familiaris palustris) wird gelegentlich noch verwendet und umschreibt einen in den jungsteinzeitlichen Ufersiedlungen der Alpenländer recht einheitlichen, kleinen bis mittelgrossen Hundetyp mit lupoidem Schädelbau und Schulterhöhen von 33-55 cm (Schwerpunkt bei 41-47 cm).

Bis weit in die Neuzeit hinein war für die Zucht und Haltung von Hunden vor allem der Gebrauchszweck entscheidend. Schon antike Autoren unterschieden Jagd-, Wach- und Hirtenhunde, beschrieben ihr Verhalten, ihre Treue und Intelligenz. Je nach Nutzung waren bestimmte Charaktereigenschaften, Fellfärbungen oder Konstitutionen vorteilhaft: Während der Jagd- und Hütehund von eher leichter Bauweise und als Kontrast zum Wild vorzugsweise heller gefärbt oder gefleckt sein musste, sollte der Schutz- und Wachhund zur Abschreckung schwer gebaut und von dunkler Farbe sein. Ab der späteren Eisenzeit traten auch kleinwüchsige Hunde mit einer Schulterhöhe von weniger als 30 cm auf, die als Gesellschaftshunde einer privilegierten Schicht zu betrachten sind. Die grössten Hunde erreichten hingegen Schulterhöhen von über 60 cm (Augusta Raurica).

Meute einer Berner Jagdgesellschaft, im Hintergrund Aarburg. Ölgemälde eines unbekannten Malers aus der ersten Hälfte des 18. Jahrhunderts (Bernisches Historisches Museum) © Fotografie Stefan Rebsamen.
Meute einer Berner Jagdgesellschaft, im Hintergrund Aarburg. Ölgemälde eines unbekannten Malers aus der ersten Hälfte des 18. Jahrhunderts (Bernisches Historisches Museum) © Fotografie Stefan Rebsamen.

Im Mittelalter spielte der Hund eine wichtige Rolle bei der adlig-höfischen Selbstdarstellung, wobei er symbolhaften Charakter annahm. Die Übertragung ritterlich-gefolgschaftlicher Beziehungsmuster auf den Hund als den treuen tierischen Gefährten dürfte mit ein Grund gewesen sein, dass er – nicht nur im Mittelalter – auffallend oft im Umfeld der Oberschichten in Erscheinung trat. Dabei wurde die übliche Klassifizierung nach seinem Verwendungszweck durch eine ständisch-wertende Dimension überlagert. Während der Jagdhund als ergebener und nützlicher Begleiter des Ritters galt, wurde der bäuerliche Hund als Gefährdung des von den politischen Führungsschichten beanspruchten Jagdrechts empfunden. Der Erlass des Zürcher Bürgermeisters Hans Waldmann 1489, aus Gründen des Wildschutzes die Bauernhunde zu erschlagen, löste einen Bauernaufstand aus, der mit der Hinrichtung Waldmanns endete (Waldmannhandel).

Das Hundeschlagen bzw. das Töten von herrenlosen, alten oder streunenden Hunden im städtischen und ländlichen Bereich sowie die Entsorgung der Kadaver war zum Teil bis ins 19. Jahrhundert Aufgabe des oft auch als Henker tätigen Abdeckers oder Wasenmeisters. In diesem Zusammenhang erhielt der Umgang mit Hunden einen negativen Anstrich. Obschon bereits prähistorische Hundebestattungen die starke emotionale Beziehung zwischen Mensch und Hund aufzeigen, trat diese seit Beginn der Neuzeit in immer ausgeprägteren Formen und immer öfter losgelöst von einer praktischen Nutzung auf: Der Hund wurde zum vertrauten Freund oder sogar zum Ersatz für eine menschliche Bezugsperson.

Die geschätzte Zahl der heute in der Schweiz existierenden Hunde liegt zwischen 400'000 und 500'000, die Tendenz ist steigend. Über drei Viertel von ihnen werden als Haustiere im Sinne eines Familienmitglieds gehalten. Sie vermitteln dem Menschen der modernen Gesellschaft ein Gefühl der Sicherheit, dienen ihm zur Freizeitgestaltung oder werden zur Sinn stiftenden Konstanten seines Daseins. Die angewandte Verhaltensforschung wies beispielsweise positive physische und psychische Auswirkungen des Hundes auf das Wohlbefinden älterer oder kranker Menschen nach (Therapiehund). Aufgrund bestimmter Fähigkeiten eignen sich einige Hunderassen, vor allem Schäferhunde, aber auch Riesenschnauzer, Labradorhunde, Terrier oder Pudel für den privaten oder dienstlichen Einsatz als Schutz-, Katastrophen-, Lawinen- und Blindenführhunde sowie für die Suche nach Sprengstoff und Drogen. Die Idee einer eigentlichen Rassenzucht mit festgelegten, vor allem äusseren Merkmalen kam in der Schweiz Ende des 19. Jahrhunderts auf. 1883 wurde die Schweizerische Kynologische Gesellschaft ins Leben gerufen, die 1885 die erste offizielle Hundeausstellung in Basel durchführte. 1899 folgte in der Westschweiz die Gründung der Société Vaudoise de Cynologie, 1934 diejenige der Società Cinofila di Bellinzona im Tessin. Zu den Schweizer Hunderassen, die im Hundestammbuch eingetragen sind, zählen zum einen die für die Jagd bestimmten Lauf- und Niederlaufhunde, zum andern der St. Bernhardshund (Bernhardiner) sowie die typischen Schweizer Sennenhunderassen (Appenzeller, Berner, Entlebucher und Grosser Schweizer Sennenhund), die erst im ausgehenden 19. Jahrhundert aus dem vielgestaltigen Bestand an Bauernhunden herausgezüchtet worden sind. Dem Tierschutz nahestehende Kreise machen aufmerksam auf die negativen Auswirkungen einseitiger Zuchtbestrebungen, die zu äusserlichen Missbildungen und körperlichen Beschwerden (z.B. Hüftgelenkdysplasie) führen oder auf ein betont aggressives Verhalten abzielen. Die Häufung der schweren Unfälle mit Kampfhunden im Jahr 2000 veranlasste das Bundesamt für Veterinärwesen sowie verschiedene Kantonalbehörden, Massnahmen gegen gefährliche Hunde und deren Besitzer anzuordnen (z.B. Bewilligungspflicht, Implantierung von Mikrochips, Leinenzwang, Hundehalterprüfung). Ebenso sind im Sinn einer tiergerechten Haltung die steigenden Ansprüche an die Tiermedizin (Kleintierchirurgie) zu hinterfragen.

Die prozentual zur Einwohnerzahl dichte Streuung der Hunde führt sowohl in städtischen Agglomerationen wie auch in Landgemeinden immer öfter zu Konflikten. Neben den bestehenden gesetzlichen Verordnungen wie Hundesteuer (Haftpflicht), Leinenzwang und Impfungen werden vermehrt Erziehungskurse für Hunde und ihre Halter propagiert. Mit der Einrichtung von Hundetoiletten bzw. speziellen Hundewiesen sowie der Verpflichtung zum Einsammeln der Exkremente (Robidog) wird der Verschmutzung durch Hundekot entgegengewirkt. Die Wandlung des Hundes zum geschätzten Haustier begünstigte den Aufschwung der Futtermittel- und Zubehörindustrie zu einem einträglichen Wirtschaftszweig.

Nationale Berühmtheit erlangte der Bernhardinerhund Barry, der von 1800-1812 auf dem Hospiz des Grossen St. Bernhards lebte. Er soll mehr als 40 in Bergnot geratenen Menschen das Leben gerettet haben. Noch heute steht sein Präparat im Naturhistorischen Museum in Bern.

Quellen und Literatur

  • C. Gessner, Thierbuch, 1563
  • H. Räber, Die Schweizer Hunderassen, 1971 (21980)
  • 100 Jahre Schweiz. Kynolog. Ges., 1883-1983, [1984]
  • G. Breuer, «Die Tierknochenfunde aus zwei Latrinengruben des 1. Jh. in Augst (Grabung 1991.65) unter besonderer Berücksichtigung der Hundeskelettreste», in Jber. aus Augst und Kaiseraugst 13, 1992, 184-188
  • P. Dubuis, «Des chiens et des hommes dans les Alpes occidentales à la fin du Moyen Age», in La monnaie de sa pièce ..., hg. von P.-L. Pelet, J.-F. Poudret, 1992, 59-69
  • J. Manser et al., Richtstätte und Wasenplatz in Emmenbrücke (16.-19. Jh.), 1992
  • N. Benecke, Der Mensch und seine Haustiere, 1994
  • P. Morel, W. Müller, Un campement magdalénien au bord du lac de Neuchâtel, 1997
  • M. Nussbaumer, Barry vom Gr. St. Bernhard, 2000
  • S. Schreyer, K. Steppan, «"Auf den Hund gekommen ..."», in ArS 23, 2000, 98-103
  • Katz & Hund, literarisch, hg. von S. Birrer et al., 2001
Weblinks

Zitiervorschlag

Peter Lehmann; Elisabeth Marti-Grädel: "Hund", in: Historisches Lexikon der Schweiz (HLS), Version vom 16.01.2008. Online: https://hls-dhs-dss.ch/de/articles/013865/2008-01-16/, konsultiert am 19.03.2024.